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12.12.09 / Sargnagel für den Ostblock / Vor 30 Jahren fasste die Nato den historischen »Doppelbeschluss« – Hin und her der SPD

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Sargnagel für den Ostblock
Vor 30 Jahren fasste die Nato den historischen »Doppelbeschluss« – Hin und her der SPD

Der Nato-Doppelbeschluss vor 30 Jahren war einer der wichtigsten militärstrategischen Schritte in der Geschichte des nordatlantischen Bündnisses. Was zunächst zur Aufrüstung und damit zu einer Wiederherstellung des „Gleichgewichts des Schreckens“ führte, hat später entscheidend zum Zusammenbruch des Warschauer Paktes beigetragen.

Mitte der 1970er Jahre ersetzte die UdSSR ihre auf Mitteleuropa gerichteten nuklearen Mittelstreckenraketen durch moderne Systeme vom Typ SS-20. Bundeskanzler Helmut Schmidt, der schon seit Jahren vor dieser Entwick­lung gewarnt hatte und nun das strategische Gleichgewicht in Gefahr sah, forderte die Nato 1977 zu Gegenmaßnahmen auf, um das quantitative und qualitative Übergewicht des Warschauer Paktes im Bereich der Mittelstreckenraketen zu beseitigen. Unter den Regierungen der Nato-Staaten herrschte schnell Einigkeit darüber, dass die sowjetische Aufrüstung eine konkrete Antwort des Bündnisses erforderte, wenn die Abschreckung und die Strategie der Flexiblen Reaktion auf einen Angriff glaubwürdig bleiben sollten.

Am 12. Dezember 1979 verabschiedeten die Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel den so genannten Nato-Doppelbeschluss. Dieser sah vor, dem Warschauer Pakt Verhandlungen über eine beiderseitige Begrenzung sowje­tischer und US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa anzubieten. Bei einem Scheitern der Verhandlungen sollte ab 1983 die Aufstellung von 108 Raketen einer neuen Generation vom Typ Pershing II und 464 Marschflugkörpern (Cruise Missiles) BGM-109 „Tomahawk“ in Westeuropa erfolgen. Beide Waffensysteme waren nukleare Gefechtsfeldwaffen mit einer Reichweite von unter 2000 Kilometern, konnten aber auch konventionell bestückt werden.

Am 30. November 1981 begannen in Genf die Abrüstungsverhandlungen. Die USA schlugen die so genannte Null-Lösung, also den vollständigen weltweiten Abbau aller weitreichenden Mittelstreckenraketen sowie eine Beschränkung der landgestützten Raketen kürzerer Reichweite vor. Die UdSSR dagegen wollte ihr Monopol bei den Mittelstreckenraketen behaupteten. Ihre Bemühungen, durch vielfältige Vorschläge für ein Moratorium die Verhandlungen über die Substanz und damit ihre überlegene strategische Position zu umgehen, führten schließlich zum Scheitern der Gespräche. Nun war es vor allem wieder der SPD-Kanzler Schmidt, der trotz heftigster innerparteilicher Widerstände dafür eintrat, die „Raketenlücke“ konsequent zu schließen, und dadurch bald innerhalb der eigenen Partei isoliert war. Seine Politik wurde nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 vom Kabinett Kohl fortgeführt, doch die SPD wandte sich alsbald geschlossen von dem maßgeblich von ihr herbeigeführten Beschluss ab. Nur Schmidt und der vormalige Bundesverteidigungsminister Hans Apel hielten an der ursprünglichen Linie fest. Nachdem der Bundestag am 22. November 1983 der Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugestimmt hatte, brach die UdSSR die Genfer Verhandlungen ab. Ende Dezember 1983 begann die Nachrüstung mit der Stationierung neuer Mittelstreckenwaffen in der Bundesrepublik und Italien, denen innerhalb der folgenden Jahre Stationierungsorte in anderen westeuropäischen Ländern folgten.

Schon während der Verhandlungen wurde die bundesdeutsche Friedensbewegung in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß aktiv. Der im Herbst 1980 von Sozialdemokraten, Gewerkschaftlern, linken Künstlern, Schriftstellern und Wissenschaftlern unterzeichnete „Krefelder Appell“ sollte der Massenbewegung einen intellektuellen Anstrich verleihen. Handfest dagegen gingen „friedensbewegte“ Krawallmacher vor. Sie bekundeten ihren Friedenswillen, indem sie bei öffentlichen Gelöbnissen in Bremen und Hannover Polizisten, Soldaten und Gäste krankenhausreif prügelten, Autos anzündeten, Geschäfte plünderten und ganze Straßenzüge verwüsteten. Am 22. Oktober 1983 demonstrierten 1,3 Millionen Menschen im ganzen Land für Frieden und Abrüstung, davon allein fast 500000 im Bonner Hofgarten. Nach dem Ende der DDR und der Einsicht in die Stasi-Akten wurde offenbar, dass diese Aktionen der Höhepunkt einer von der UdSSR und der DDR gesteuerten und finanzierten Kampagne waren, die die Spaltung der Nato und die politisch-militärische Lösung Westeuropas von den USA zum Ziel hatte. Die deutsche Friedensbewegung hatte sich – ganz im Sinne Lenins – als „nützliche Idiotin“ instrumentalisieren und vor den kommunistischen Karren spannen lassen.

Die Umsetzung des Doppelbeschlusses machte die seit den 70er Jahren immer drastischere Wirtschaftslage der UdSSR und des gesamten Ostblocks sichtbar, der sich mit seiner Hochrüstungspolitik ruiniert hatte. Nachdem die Wirtschaft nicht einmal mehr die Grundbedürfnisse der Bevölkerung decken konnte, war Gorbatschow zu weitreichenden Abrüstungsangeboten an den Westen bereit. 1987 vereinbarten beide Seiten im INF-Vertrag die Vernichtung aller Mittelstreckenraketen in Europa. Doch die ökonomische und finanzielle Krise des Warschauer Pakts war dadurch nicht mehr zu bewältigen und schließlich brach der Ostblock auch politisch zusammen. So hat der Nato-Doppelbeschluss maßgeblich zur Überwindung des Kalten Krieges beigetragen, was später auch sowjetische Politiker bestätigt haben. Die Protestbewegung dagegen hat Europa dem Frieden nicht einen Schritt näher gebracht. Jan Heitmann

Foto: Auslöser des Nato-Doppelbeschlusses: Eine SS-20 Rakete auf einem MAZ-547V


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