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12.12.09 / Wunderland der Kinderträume / Das Spielzeugmuseum in Sonneberg zeigt Puppen, Bären und Eisenbahnen aus zwei Jahrhunderten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Wunderland der Kinderträume
Das Spielzeugmuseum in Sonneberg zeigt Puppen, Bären und Eisenbahnen aus zwei Jahrhunderten

Eine Einladung zum Klassentreffen flatterte ins Haus und dieser Anlass war Grund, das alte Spielzeugland im thüringischen Sonneberg zu besuchen. Die bunte Vielfalt der Ausstellung lockt nicht nur zur Weihnachtszeit Tausende von Besuchern an.

Schon von weitem ist der schöne neubarocke Kuppelbau des Spielzeugmuseums zu sehen. Dieser geheimnisvolle Bau war früher eine Schule für die Spielzeugindustrie, erbaut 1901, und wurde dann ein Museum für die schönsten Stücke aus der langen Entwick-lungsgeschichte des Spielzeugs.

Sonneberg in Thüringen ist weltbekannt und wurde schon 1840 die Weltspielzeugstadt genannt. So waren 1893 Sonneberger Fabrikanten bei der Weltausstellung in Chicago vertreten und holten den Grand Prix für ihre Erzeugnisse. Noch heute fasziniert „Gulliver unter den Zwergen“ die Besucher des Museums. Er liegt gefesselt jetzt in seinem gläsernen Schaukasten in der oberen Etage bei den vielen großen und kleinen Teddybären mit ihren Brummstimmen und braunen Glasaugen. Im nächsten Raum steht eine große, einzigartige Eisenbahnanlage mit einer bergigen Landschaft und Tunnels, die zum Staunen wie geschaffen ist. Viele Jungengesichter mit roten, heißen Wangen beobachten die Miniaturzüge, die laut pfeifend an ihnen vorbeifahren. Im nächsten Stockwerk ist wunderbares Holzspielzeug zu finden, gedrechselt, geschnitzt, beklebt mit Märchenmotiven, bemalte kleine Bauernhöfe bestückt mit Kuh, Ochs, Pferd, Hund und Schafen und einem soliden Bauernhaus.  Große Schaukelpferde, angemalt oder auch bezogen mit echtem Fell, für den dicken Geldbeutel, für den schmaleren gibt es schöne Steckenpferde, mit denen die kleinen Jungen im schnellen Galopp, einen hölzernen Säbel schwingend, auch in den Wohnungen herumreiten konnten. Daneben stehen prächtige Segelschiffe mit Takelage und Piratenflaggen, Kaufmanns-Koggen beladen mit kleinen Fässern aus Holz, Juteballen, gefüllt mit Gewürzen, Stoffen, Pelzen und Spezereien.

Der Blick fällt auf die vielen bunt angemalten Zinnsoldaten, die in den gegenüberliegenden Schaukästen ihre Kriege kämpfen und genau nach historischen Schlachten formiert in Position stehen. In den anderen Wandnischen stehen hinter Glas kleine Puppenstuben, detailgetreu aus den 1920er Jahren, bestückt mit Mobiliar. Spitzengardinen schmücken die Fenster, Spiegel und Bilder hängen an den Wänden, auf dem Tisch steht zierliches Kaffeegeschirr aus Porzellan, und kleine Puppen stellen die Familie dar. Am allerschönsten aber sind die Küchenstuben, mit Herd, Küchenschrank, Geschirr darin und den winzigen Kuchenformen in den Regalen, Holzbottiche für Wasser und Nahrung aus geformten Brot- oder Salzteig.

Und dann die vielen, vielen Puppen, deren Köpfe aus Porzellan oder Papiermaché, geschmückt mit Perücken aus Mohair oder echtem Menschenhaar, sind. Auch Zellu-loidpuppen sind darunter, sie haben keine bewimperten Schlafaugen und sind außerdem noch sehr feuergefährlich. Dazwischen haben sich neuere Puppen aus Plastik gesellt, sie wurden 1954 hergestellt, mit glänzenden kämmbaren Haaren und modischen Kleidchen. Andere Puppen möchte man sofort in die Arme nehmen und ans Herz drücken. Welches kleine Mädchenherz geht da unberührt vorüber. Da drüben, der kleine Täufling, nur mit einem ärmlichen Hemdchen bekleidet, besticht mit seiner Einfachheit, und im Sonneberger Dialekt heißt es: „Ärmla, Bääla, Wänstla – fartich is es Ärnstla!“ Mit dieser einfachen billigen Stoffpuppe, ausgestopft mit Stoffresten oder Holzwolle begann 1852 der Siegeszug der Sonneberger Puppenindustrie.

Krönender Abschluss oder fulminanter Beginn, je nachdem wo man den Rundgang durchs Spielzeugmuseum aufnimmt, ist die „Thüringer Kirmes“ im Erdgeschoß! Mitten auf einem Marktplatz, umrahmt von Buden und Fachwerkhäusern, kommt eine Gruppe von Zirkusleuten daher, angeführt von einem federgeschmückten Schwarzen, der auf seiner Trommel den Takt vorgibt. Dahinter der melancholisch traurige Clown mit roter Nase und grellweiß geschminktem Mund. Neben ihm der lachende Harlekin mit seinem fuchsrotem Haarschopf, angezogen mit einem kurzen Jäckchen, an dem viele bunte Stoffstücke mit goldfarbenen Schellen hängen. Dicht vor der Absperrung, ein Bärenführer mit rotem Fez und weiten Pluderhosen, der an einer langen Eisenkette seinen zotteligen Tanzbären führt. Auf einem Kamel sitzend ein strahlend lachendes, graziles Zirkusmädchen in einem weißen gestärkten Ballettröckchen, es hält sich an den Höckern des Kamels fest. Ein burnusgekleideter Beduine führt und begleitet diese Gruppe. Ringsherum stehen die Neugierigen auf dem Marktplatz, die das fahrende Völkchen bestaunen – der Zirkus kommt! Voller Freude und Erwartung sind die Gesichter der Kinder, die nebenher laufen. Und dann bewegt sich das Karussell, die vielen bunten Lämpchen fangen an zu leuchten und es erklingt Musik. Das Karussell dreht sich im Kreise mit den unzähligen schön gekleideten Puppen. Einige reiten auf bemalten Holztieren, andere stehen am Geländer, beschützt durch niedliche Sonnenschirmchen oder sitzen auf Stühlchen und Bänken. Man glaubt, man sei mittendrin im Geschehen – eine Kirmes aus alter vergangener Zeit. Dieses phantastische Ensemble besteht aus insgesamt 67 kindsgroßen Figuren und wurde 1910 mit großer Begeisterung auf der Brüsseler Weltausstellung mit dem „Grand Prix“ ausgezeichnet. Das war ein beachtlicher Erfolg für die Hersteller und die damalige Spielwarenindustrie.

Dieses Wunderland der vielen Träume zieht Jahr für Jahr viele Besucher an. Zur Zeit ist dort eine Sonderschau zum Thema „60 Jahre Piko-Bahnen“ zu sehen. PIKO wurde 1949 in Chemnitz gegründet und zog Mitte der 50er Jahre nach Sonneberg, wo sich die Firma zu dem einzigen Hersteller von H0-Modellbahnen in der DDR entwickelte. Christa Jedamski / PAZ

Das Spielzeugmuseum ist dienstags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr, am 24. Dezember von 9 bis 13 Uhr, am 25. Dezember 13 bis 17 Uhr geöffnet.

Foto: Spielzeugmuseum in Sonneberg: Eine Sonderausstellung widmet sich der Modellbahn.


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