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12.12.09 / Bewaffnete Konflikte analysiert / Militärhistoriker Martin Van Crefeld über die »Gesichter des Krieges«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Bewaffnete Konflikte analysiert
Militärhistoriker Martin Van Crefeld über die »Gesichter des Krieges«

„Gesichter des Krieges“ heißt das neueste Buch des renommierten israelischen Militärhistorikers Martin van Creveld. In „Der Wandel bewaffneter Konflikte von 1900 bis heute“, so der Untertitel, greift van Creveld, der unter anderem an der Bildungs- und Forschungseinrichtung der US-Marine, dem US-Naval War College, unterrichtete, die wichtigsten psychologischen wie technischen Folgen und Entwicklungen des kriegerischen Geschehens im 20. Jahrhundert auf. Der routinierte Militär-Autor hält sich dabei keineswegs mit technischen Details auf, er will wissen, was der Verlierer falsch und was der Gewinner richtig gemacht hat. Es sind somit die großen Zusammenhänge und Folgen neuer Waffen wie Politik, die ihn interessieren. Der in den Niederlanden geborene Militär-Schriftsteller verdichtet in leicht verständlicher Weise und doch faktenreich machtpolitische Abläufe. Psychologische Faktoren spielen in seinen Betrachtungen eine besondere Rolle. Neue Code-Verfahren im „geheimen Krieg“ stellt er beispielsweise pointenreich der Wirklichkeit gegenüber.

Ein Beispiel für van Crevelds klare Analysen ist die Beschreibung der Stimmungslage in Europa zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Spannende Einblicke in die Verfasstheit der wichtigsten Mächte der Zeit arbeitet er aus zahlreichen Quellen heraus: „Im Jahr 1933 schworen sich Oxford-Studenten – kaum ein Menschenschlag, von dem man Revolutionen erwarten würde – gegenseitig feierlich, nicht für den König und das Land zu kämpfen. Die Vorstellung des Appeasement hatte viele Anhänger. Ist es da verwunderlich, dass Neville Chamberlain wie ein Held gefeiert wurde, als er nach dem Abkommen von München 1938 mit einem Stück Papier zurückkehrte und Frieden für die damalige Zeit versprach?“ Trotz oder gerade wegen solcher Erklärungen zu den Hintergründen der Kriegsdiplomatie hat das Buch auch für militärisch und politisch weniger Informierte viel Spannendes zu bieten. Dass er Zahlen und Fakten mitunter wegen der thematischen Vielfalt wiederholen muss, fällt daher kaum auf. Selbst vor der Frage nach dem „was wäre wenn“ scheut der Autor nicht zurück: „Einmal angenommen, Deutschland hätte den Krieg in Europa in gewissem Sinne ,gewonnen‘, hätte es den Widerstand ausmerzen und die Eroberungen grenzenlos ausdehnen können?“ Van Creveld analysiert dabei plausibel die verschiedenen Szenarien, berücksichtigt Argumente anderer Historiker und bleibt auch im Hypothetischen ganz Realist.

Differenziert beurteilt der Militärhistoriker die Rolle der Wehrmacht, deren Ausbildungsstand und Fähigkeiten er Anerkennung zollt. Generell scheut van Creveld Vergleiche nicht, wo sie sich wissenschaftlich begründen lassen. Erfrischend, da frei von eingefahrenen Denkspuren, stellt sich der Autor den seinem Gegenstand jeweils naheliegendsten Fragen, zeigt Kontinuitäten zwischen aktuellem Konflikten und vorangegangenen auf. Möglicherweise auch dank seiner nicht gerade konfliktarmen Umgebung, seit 1950 lebt er in Israel, will van Creveld „sofort zur Sache kommen“ und erreicht dieses selbstgesteckte Ziel auch. Ausblicke, beispielsweise auf den Kampf gegen den Terrorismus, liefert „Gesichter des Krieges“ ebenso wie Philosophisches zur Atom-Bombe.             Sverre Gutschmidt

Martin van Creveld: „Gesichter des Krieges – Der Wandel bewaffneter Konflikte von 1900 bis heute“, Siedler, geb., 352 Seiten, 23 Euro


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