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19.12.09 / Die glitzernde Fassade bröckelt / Massenentlassungen und Zwangsurlaub erschüttern schon seit Monaten die Menschen in Dubai

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-09 vom 19. Dezember 2009

Die glitzernde Fassade bröckelt
Massenentlassungen und Zwangsurlaub erschüttern schon seit Monaten die Menschen in Dubai

Das Emirat Dubai geriet keineswegs „aus heiterem Himmel“ in die Krise wie die meisten Medien meldeten. Bereits seit Monaten erleben die Menschen vor Ort den schleichenden Niedergang, doch die dortige Zensur lässt negative Nachrichten kaum aus dem Land.

Die Krise in Dubai kam scheinbar für die ganze Welt überraschend, doch für die Bewohner Dubais ist sie nur eine „Bilanz“ der kleinen Zeichen des Niedergangs, die sie in den letzen 20 Monaten erlebt haben. Dass es in dem Wüstenstaat kriselt, zeichnet sich bereits seit September 2008 ab. Plötzlich fielen die Mieten. So bezahlte man für eine Einzimmerwohnung nicht mehr 2000 Euro im Monat, sondern konnte diese für den „Schnäppchenpreis“ von 1000 Euro monatlich bekommen. Der Preisindex für Immobilien hat sich innerhalb eines Jahres halbiert. Selbst exklusive Villen haben massiv an Wert verloren. Ein bis dahin unbekannter Zustand in Dubai, wo alles, was man anfasste, sich in Gold zu verwandeln schien.

Doch plötzlich wurden Mitarbeiter entlassen oder in den unbezahlten Urlaub geschickt. Viele teure Autos wurden in der Nähe des Flughafens geparkt. Nur mit einem Zettel an der Windschutzscheibe: „Kann meine Schulden nicht zurückzahlen, tut mir leid – Rashid S.“ Rashid ist wie tausende andere einfach von der Bildfläche verschwunden, denn ist man in Dubai zahlungsunfähig, wird man ins Gefängnis gesteckt. Keine Privatinsolvenz, keine Absicherung der Menschen, kein Ausweg. Kann man Kredite nicht abbezahlen, dann ist die Scharia, das islamischen Recht, gnadenlos und Gefängnisaufenthalt ist garantiert. Erhält man die Kündigung, werden automatisch alle Konten überprüft und notfalls gesperrt. Wenn man das Glück hat, den Reisepass noch bei sich zu haben (häufig wird er vom Arbeitgeber einbehalten), ergreift man die Flucht aus Dubai. Die ersten Gerüchte von verlassenen Autos kamen Ende November 2008 auf, bereits im Februar 2009 war die Krise offiziell, so offiziell wie solche Meldungen in einem von der Zensur geprägten Staat wie Dubai eben sein können. So berichtete die „Times online“ am 9. Februar 2009 über 3000 hochklassige Autos, die in der Nähe vom Flughafen gefunden wurden. Besonders die so genannten „Expats“, die hoch bezahlten westlichen Gastarbeiter fliehen. Die Massenabwanderung durch die vielen Kündigungen macht sich in den Schulen bemerkbar. Fast alle Schulen erhöhen ihre Gebühren massiv, denn weniger Schüler bedeutet weniger zahlungskräftige Eltern. Inoffiziell rechnet man mit einem Bevölkerungsrückgang von etwa zehn Prozent in Dubai.

Bereits im März 2009 wurden mehr und mehr Mitarbeiter aus der Bau- und Hotelbranche unbezahlt in Zwangsurlaub geschickt, doch die Geldgeber Dubais aus aller Welt zogen daraus keine Schlüsse. „Ganz plötzlich“, berichtet eine Marketingmanagerin einer großen Hotelkette, „wurde ich in einen fünfmonatigen Urlaub geschickt, einfach so, ohne Alternative, ohne dass man mir zumindest den Flug nach Hause bezahlt, nein ich darf fünf Monate ohne Geld in Dubai bleiben, in Dubai kann man absolut gar nichts ohne Geld machen, nur aus dem Fenster schauen ist hier umsonst.“

Eine Verkaufsmanagerin berichtet, dass die Hotelleitung das ganze Vertriebsteam in einer Reihe hatte antreten lassen und nur zwei durften vortreten, die restlichen zehn wurden fristlos entlassen. Wenn sie nichts finden sollte, müsse sie in einem Monat zurück in ihre Heimat nach Russland, denn sobald man die Kündigung bekommen hat, wird einem auch das Arbeitsvisum gekündigt. Die „New York Times Middle East“ hat Anfang Februar von zirka 1500 Visa geschrieben, die täglich gekündigt würden. Offizielle Zahlen gibt es dazu nicht, Dubai schweigt mal wieder. Es soll einen Gesetzesentwurf geben, der Meldungen, die die Reputation oder die Wirtschaft des Emirates schädigen, mit bis zu 180000 Euro Strafe belegt. Bereits jetzt ist ein ganzer Apparat der Zensur gewidmet, keine einheimische Zeitung würde es wagen, einen kritischen Artikel zu schreiben. Immer ist alles gut, auch jetzt, mitten in der Krise, heißt es, dass die internationalen Journalisten übertreiben würden und eigentlich alles in Ordnung sei. Anfang des Jahres konnte man die Gerüchte um Dubais angeschlagene Finanzsituation noch unterbinden, sie verschwanden Ende Februar aus den Schlagzeilen. Im März wurde es unheimlich ruhig, die Bewohner merkten, dass es weniger Autos auf der Straße gab, irgendwie wurde es auch leerer in den Einkaufszentren. Still und leise verschwanden die Kräne von den Baustellen, die großflächigen Propagandaposter an den Autobahnen, die über die neusten Immobilienprojekte informieren, werden nach und nach abgerissen. Weitere Entlassungen folgen, auch viele Menschen, die seit Jahrzehnten Dubai zur Wahlheimat auserkoren haben, müssen nun alles aufgeben und das Land verlassen, denn ohne Visum kann man dort nicht leben. Je mehr Leute weggehen, desto normaler scheint den Zurückgebliebenen diese Entwicklung. Sie arrangieren sich, die anfängliche Panik lässt allmählich wieder nach.

Doch am 27. November platzte die Bombe – Dubai war offiziell in der Krise, denn das Emirat kann seine Milliardenschulden nicht zurückzahlen. Der Staat habe sich übernommen. Die Börsen brachen ein, hastige Erklärungen wurden abgegeben von Finanzexperten und Wirtschaftsweisen. Man spekulierte, wie es dazu kommen konnte und was nun geschehen soll. Schon erscheinen neue Berichte, dass Abu Dhabi, das Nachbar-Emirat,  mit zehn Milliarden Euro einen Teil der Schulden seines berühmten Bruders übernimmt. Die Welt beruhigt sich langsam und wird von den Berichten aus dem Wüstenstaat, die die Probleme herunterspielen, eingelullt.

Dubai ist vor allem ein Medienprodukt, eine künstliche Traumwelt, sein Erfolg steht und fällt mit der Märchengeschichte von einem fernen Land, in dem man den Luxus lebt und nichts unmöglich ist. Dubais Bankrott wäre undenkbar, mit seinem Erfolg steht und fällt auch der Erfolg des gesamten Mittleren Ostens, daher werden sicherlich weitere Hilfen von anderen Nachbarstaaten angeboten.  Anna Gaul

Die Autorin (*1977 in Stettin) arbeitete von Februar 2007 bis Mai 2009 als Verkaufsmanagerin in einem Fünf-Sterne-Hotel in Dubai.

Foto: Mehr Schein als Sein: Dubai ist eine künstliche Traumwelt, mit der der Mittlere Osten sich identifiziert.  Bild: f1-online


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