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19.12.09 / »Der Kaiser und die Künste« / Das Verhältnis Wilhelms II. zu den Musen sagt viel über den letzten deutschen Kaiser – Tagung von Kunst-Historikern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-09 vom 19. Dezember 2009

»Der Kaiser und die Künste«
Das Verhältnis Wilhelms II. zu den Musen sagt viel über den letzten deutschen Kaiser – Tagung von Kunst-Historikern

Unter dem Titel „Der Kaiser und die Künste. Wilhelm II. im kulturellen Kontext des Kaiserreiches“ diskutierten Historiker und Kunsthistoriker im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus über ein bislang zugunsten der „reinen“ Politikgeschichte eher vernachlässigtes Thema. Dieser „äußere“ Aspekt erwies sich dabei als sehr ertragreich für das Verständnis des letzten deutschen Kaisers.

Wie kaum eine andere Person wird der letzte preußische König und deutsche Kaiser heute mit dem Schlagwort „Preußen“ verbunden. Fast keine Publikation, die sich mit Preußen als Gesamtphänomen befasst, verzichtet darauf, Wilhelm II. auf dem Titel abzubilden. Zu der inzwischen fast unüberblickbaren Literatur, die den Kaiser in den Mittelpunkt stellt oder sich mit einzelnen Aspekten seines Wirkens befasst, gesellen sich Fernsehsendungen bis hin zu der abendfüllenden, aus historischen Filmaufnahmen zusammengestellten und sogar im Kino gezeigten Dokumentation „Majestät brauchen Sonne“.

In erstaunlichem Gegensatz dazu steht die Tatsache, dass der 1859 geborene Wilhelm II. als Einzelperson im Jahr seines 150. Geburtstages kaum ins öffentliche Bewusstsein gerückt wurde. Die mangelnde Resonanz in der ansonsten so „jubiläumsfreudigen“ Bundesrepublik lässt sich wohl nicht allein mit der Vielzahl der historischen Ereignisse und Personen erklären, die 2009 aufgrund eines „runden“ Jahrestages im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen.

Flächendeckend war die Abstinenz bezüglich der umstrittenen, mit Sicherheit aber für die preußische und deutsche Geschichte äußerst bedeutsamen Persönlichkeit jedoch nicht. So wählte die Preußische Historische Kommission Wilhelm II. zum Gegenstand ihrer Jahrestagung.

Konzipiert und geleitet wurde die Tagung vom Vorsitzenden der Kommission, dem Chemnitzer Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Frank-Lothar Kroll in Zusammenarbeit mit dem Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz Jürgen Kloosterhuis sowie dem Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Winfrid Halder.

Interesse und Anteilnahme Wilhelms II. erstreckten sich auf nahezu alle Bereiche der Kunst, wobei der Kaiser nicht selten selbst gestaltend eingriff. Bei großen architektonischen Projekten – genannt seien beispielsweise die Jerusalemer Erlöserkirche, die neu- beziehungsweise wiederaufgebaute Hohkönigsburg im Elsass – ist zweifelsfrei eine Einflussnahme des Kaisers erkennbar, deren Umfang jedoch schwer zu bemessen ist.

Hingegen lässt sich bei kleineren Bauten, etwa dem Donaueschinger Diana-Brunnen, und insbesondere bei Denkmalen mit überlieferten Skizzen zeigen, dass hier sehr genau nach den Vorstellungen Wilhelms II. verfahren wurde. Dass im Bereich der Malerei maritime Motive von der Hand des Kaisers stammen, ist vielleicht weniger überraschend als ein durchaus talentiert ausgeführtes Porträt, welches seine zweite Frau Hermine in einer Weise darstellt, die eher an eine elegante Halbwelt-Dame der 1920er Jahre denken lässt als an die Frau des deutschen Exilkaisers.

Neben Entwürfen für Schmuck und Plaketten richtete sich die Aufmerksamkeit des Kaisers auf Theater-, vor allem aber Opernaufführungen. Bei letzteren widmete er sich allerdings in erster Linie der Ausstattung, insbesondere den Kostümen. Eine nennenswerte musikalische Ausbildung Wilhelms II. lässt sich nicht nachweisen, jedoch unternahm er auch auf kompositorischem Gebiet Gehversuche, wovon der „Gesang an Ägir“ zeugt. Der Kaiser verfasste sowohl Text als auch Melodie dieses Stückes.

Neben Vorlieben für Neoromanisches und altnordische Motive kann ein anhaltendes Interesse des Kaisers für die Antike festgestellt werden. Allerdings waren hier bestimmte Vorstellungen prägend, wovon die Aufstellung der Achilles-Statue im Achilleion zeugt. Das Achilleion auf Korfu, ehemals Sommersitz der österreichischen Kaiserin Elisabeth („Sisi“), hatte Wilhelm II. 1907 erworben. Nach seinen Vorstellungen wurde in der Anlage die monumentale Statue eines „siegreichen Achilles“ aufgestellt. Dabei sollte eine bereits vorhandene Achilles-Skulptur, die den sterbenden Helden darstellt, in den Hintergrund gedrängt werden.

Die Maler Anton von Werner und Adolph von Menzel erfreuten sich der Förderung Wilhelms II. Für Modernes allerdings war er in der Malerei ebenso wenig aufgeschlossen wie in der Musik. Schätzte er hier Richard Wagner, so konnte er den Kompositionen von Richard Strauss nichts abgewinnen. Strauss erfuhr dennoch – bemerkenswerterweise – als Berliner Hofkapellmeister die intensive Unterstützung des Kaisers. Im Bereich der Oper ist es interessant, dass für das Urteil Wilhelms II. vor allem der Inhalt ausschlaggebend war, der musikalische Aspekt rangierte demgegenüber im Hintergrund.

Vom stetigen Interesse des Kaisers an kunst- und kulturhistorischen Fragen zeugt nicht zuletzt der „Doorner Arbeitskreis“, den der Kaiser in seinem niederländischen Exil um sich versammelte.

Die diesjährige Tagung der Preußischen Historischen Kommission hat deutlich gemacht, dass es sich bei dem Themenkomplex „Wilhelm II. und die Kunst“ um einen äußerst lohnenswerten, bei weitem noch nicht in allen Facetten erforschten Untersuchungsgegenstand handelt. Die These, dass es auf diesem Gebiet, wenn auch mit dem entsprechenden „künstlerischen Gefälle“, durchaus Parallelen zwischen dem als kunstsinnig bekannten preußischen König Friedrich Wilhelm IV. und seinem Großneffen Wilhelm II. gibt, dürfte Einiges für sich haben.

Abgerundet wurde die Tagung durch den öffentlichen, sehr gut besuchten Abendvortrag „Kaiser Wilhelm II. in neuer Sicht“ des in Cambridge lehrenden Professors für Neuere Europäische Geschichte und Preußen-Experten Christopher Clark. Jenseits der übermäßigen Betonung eines „persönlichen Regiments“ einerseits, eines inkonsequenten, von „traditionellen Oligarchien“ an den Rand gedrängten „Schattenkaisers“ andererseits, ist es Clark in hervorragender Weise gelungen, ein ausgewogenes, auch die Schwächen Wilhelms II. nicht aussparendes Gesamtbild des letzten preußischen Königs und deutschen Kaisers zu zeichnen.            Erik Lommatzsch

Foto: Herrscher und Künstler: Wilhelm II. (mit Pickelhaube) und Adolph v. Menzel (mit Zylinder) vor Adalbert v. Kossaks Gemälde „Attacke der Garde du Corps bei Zorndorf“     Bild: Bundesarchiv


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