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19.12.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-09 vom 19. Dezember 2009

Gnade der späten Steckdose / Wie sich Politiker vor dem Krieg schützen, wie sich Merkel von den Würgern befreit, und warum Erfinder-Nationen schuldig sind
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Der Auftrag, mit dem die Bundeswehr von der rot-grünen Bundesregierung unter Zustimmung der schwarz-gelben Opposition vor acht Jahren nach Afghanistan geschickt wurde, ließ an Eindeutigkeit nichts missen: Die deutschen Soldaten sollten mitten in ein Kriegsgebiet ziehen, dort aber bitte auf keinen Fall Krieg führen. Sie sollten unter allen Umständen erfolgreich sein, aber unter keinen Umständen einen „Sieg“ anstreben, denn eine Niederlage hätte die Taliban traurig machen können, und das sollte unbedingt vermieden werden.

Also als Armee ins Kriegsgebiet, aber bitte keinen Krieg führen? Gewinnen, aber gefälligst ohne zu siegen? Dass das außerhalb der Welt moderner Kuschelpädagogik alles nicht zusammenpasst und irgendwann grässlich scheitern musste, hätte eigentlich klar sein müssen. Die Entscheider in  Berlin konnten in jedem Schulbuch zur Weltgeschichte nachlesen, dass Afghanistan ein Land ist, in dem die Etikette der Nette-Nachbarn-Diplomatie wenig Beachtung genießt.

Um in dieser Lage zu bestehen, müssten die Truppen schnell und militärisch professionell handeln können. Doch die Politik hat alles unternommen, um genau dies durch ein dichtes Regelwerk zu verhindern: 70 Prozent ihrer Operationen würden gestoppt, weil sie nicht rechtzeitig die elf Genehmigungen dafür auftreiben könnten, hat ein US-Offizier einer amerikanischen Zeitung verraten. Vier Tage benötige er, um alle Erlaubnisse einzuholen, und müsse dafür den Bürokraten farbige Computerpräsentationen, schöne Grafiken und schriftliche Rechtfertigungen vorlegen. Gebe ein Informant den Aufenthaltsort eines wichtigen Taliban-Führers weiter, so sei der natürlich über alle Berge, bevor man die Erlaubnis von oben habe, ihn zu ergreifen oder zu töten.

Was soll das? Sind die denn alle bescheuert in Washington, in Berlin und den übrigen Schaltzentralen der internationalen Allianz für Afghanistan? Aber keineswegs! Sie waren in einer üblen Zwickmühle 2001. Nach den Anschlägen vom 11. September muss­ten sie den starken Max machen, weil das amerikanische Volk „Äktschn“ sehen wollte, und zwar plötzlich. Und Washington wollte bei der Gelegenheit gleich mal überprüfen, was seine Verbündeten bei Schlechtwetter wert sind.

„Äktschn“ in die Politikersprache übersetzt heißt „Robustes Mandat“, also mal richtig draufhauen. Genau da beginnt das Problem für die Politiker: Robuste Mandate produzieren Bilder, die einen ebenso robusten Magen erfordern. Mit denen aber will kein Politiker, der sich um seinen guten Ruf als Menschenfreund sorgt, in Zusammenhang gebracht werden.

Was also tun? Die Lösung lauert in den „vier Tagen“. Man musste nur einen ganzen Hindukusch an Bedingungen, Beschränkungen und anderen Vorschriften zwischen sich und dem unappetitlichen Kriegsgeschehen auftürmen, und schon war man sicher, weil der ganze Dreck dahinter dann allein an den Soldaten hängen bleiben würde.

Denn: Halten die sich an die Vorschriften, geht das ganze Unternehmen den Bach runter. Und in Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen können die Politiker später die auch bei Jugendlichen so beliebten Würgespiele mit hohen Offizieren abziehen, indem sie das „Versagen der Militärs schonungslos aufdecken“.

Halten sich die Soldaten jedoch nicht an die Vorschriften und führen richtig Krieg, mit (auch zivilen) Toten und Verletzten, die noch in keinem Krieg der Welt gänzlich vermieden werden konnten, sind die Parlamentarier erst recht fein raus. Denn dann haben sich die Uniformierten ja nicht an ihren Auftrag gehalten und im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss können sich die Politiker aufplustern und das „Versagen der Militärs sch ...“ etc. Da maule noch einer, wir würden „miserabel regiert“, wie der „Stern“ neulich behauptete. Könner sind das, echte Könner! Das Schlagwort von der „koordinierten Sicherheitsstrategie“ wird immer im Zusammenhang mit Afghanistan gebracht, doch jenes  Land ist gar nicht gemeint. Es geht um die Sicherheit des politischen Fortkommens gewisser Leute in Berlin, Washington usw. Wie sagte noch gleich Peter Struck: „Unsere Demokratie wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Endlich ist uns klar, wie er das meinte.

Das mit den Würgespielen ist übrigens ein ernstes Problem. Vor allem Jugendliche strangulieren sich, um in einen Rausch zu fallen. Immer wieder bleiben dabei welche auf der Strecke. Wie man den Kopf aus der Schlinge zieht, könnten sie bei Angela Merkel lernen.

Der war die Krone der „Klimakanzlerin“ zum Schluss immer größer geworden, bis sie ihr auf den Hals rutschte. Dort verwandelte sich das schillernde Geschmeide in eine würgende Schlinge, an der alle kräftig zogen: Milliarden und Billionen sollten die Europäer an die Schwellen- und Entwicklungsländer zahlen als Ablass für ihre „Klimasünden“ der vergangenen 200 Jahre. Außerdem sollten sie ihre Industrie noch viel heftiger ausquetschen mit immer drastischeren Vorschriften.

Dahinter steckt eine schlaue Strategie: Vermutlich wollten die Delegationen der Staaten, die das forderten, nach dem Kopenhagengipfel gleich weiterreisen zu den Industriestandorten der EU, um die dortigen Manager zur Produktionsverlagerung zu überreden. In ihre Länder, in denen Umweltauflagen Verhandlungssache sind,  wo man solche Fragen damit löst, dass man die einheimischen Potentaten angemessen am Gewinn beteiligt.

Doch bei Merkel klappte das mit dem Würgerausch nicht. Ganz im Gegenteil schien sie just in dem Moment endlich wach zu werden, als die Luft knapp wurde und ließ alle wissen, dass sie die fiese Tour durchschaut hat: Noch mehr „Vorreiterrolle“ Deutschlands würde nur dazu führen, dass sich die deutsche Industrie woandershin aufmacht.

Längst ist die Klimadebatte in den gut ausgebauten Bahnen des „Täter-Opfer-Wiedergutmachungs“-Reflexes angekommen. Als Täter gehen die Nationen, die das Auto, die Dampf- und andere Maschinen, das Telefon, das Flugzeug, den Rechner, das elektrische Licht und alle anderen technischen Neuerungen der jüngeren Geschichte erfunden haben, die diese Dinge dann unter großen Mühen entwickelten und produzierten und die deshalb auch schon füher Auto fahren und Licht anknipsen konnten als andere.

Die Opfer sind jene Völker, die vor 500 oder mehr Jahren mit dem Erfinden aufgehört haben und deshalb erst etwas später mit dem Lichtanknipsen beginnen konnten. Die Gnade der späten Steckdose verleiht ihnen heute den moralischen Vorsprung des Opfers, an dem die klimasündenden Erfindungstäter Wiedergutmachung zu leisten haben.

Das Beste am Opferstatus ist bekanntlich, dass er für die Ewigkeit verliehen wird, weshalb kein Drittwelt-Diktator sich Sorgen zu machen braucht, dass ihn mal einer nach seiner Spritfresserflotte fragt, die er seinem darbenden Volk und den Entwicklungshilfe zahlenden Steuerbürgern von der Nordhalbkugel abgepresst hat. Denn er spricht ja für die Opfer.

In Kopenhagen kam überhaupt eine ganze Reihe ewiger Gewissheiten zum Zuge. So mahnten uns kritische Wissenschaftler, dass wir endlich aufhören müssten mit der „Wachstumsideologie“, weil Wachstum nämlich unvermeidlich zulasten der Umwelt gehe, die sich heute Klima nennt.

Das stimmt natürlich, insofern man die technischen Entwicklungen der letzten 50 Jahre mal kurz außer acht lässt. Denn seitdem bedeutet Wachstum in entwickelten Staaten vor allem technischer Fortschritt, durch den fast alles  weniger Material verbrauchend, energiesparender und ungiftiger wird. Aber davon lassen sie sich nicht von der Schiene werfen, da sie sich Anfang der 70er Jahre endgültig darauf geeinigt haben, dass Wachstum böse ist.


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