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26.12.09 / 3000 Kilometer nordwestlich / Exklusiv in der PAZ: Die Weihnachtsgeschichte auf Germanisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

3000 Kilometer nordwestlich
Exklusiv in der PAZ: Die Weihnachtsgeschichte auf Germanisch

Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2, 1-20 gehört zu den bekanntesten Stücken der Weltliteratur. In den christlich geprägten Ländern kennen Menschen von Kindesbeinen an den eindrucksvollen Text, der im Deutschen, genauer: In Luthers Bibelübersetzung, mit den Worten „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot ausging vom Kaiser Augustus, dass alle Welt sich schätzen ließe ...“ beginnt.

Der Urtext ist in griechischer Sprache verfasst, obwohl die im Text genannten Personen Aramäisch (Maria, Josef und die Hirten)  oder Lateinisch (Augustus, Quirinius) sprachen. Als Teil des Neuen Testaments wurde die Weih­nachtsgeschichte in über 1100 Sprachen übersetzt, darunter um das Jahr 375 ins Gotische, das dem um Christi Geburt gesprochenen Germanischen noch stark ähnelte.

Nicht nur für Linguisten ist die Frage reizvoll, wie die Weih­nachtsgeschichte wohl geklungen hätte, „wenn sich das Ereignis 3000 Kilometer weiter nordwestlich ereignet hätte“, also im heutigen (Nord-)Deutschland. Da der Text auf Gotisch vorliegt, lässt sich eine germanische Version durchaus rekonstruieren. Dies hat der Linguist Wolfram Euler nun getan, wertvolle Hinweise gab Johannes Dörr in Köln. Die Preußische Allgemeine Zeitung veröffentlicht den Text exklusiv:

Warþ þan in Dagamiz jenamiz, framkwam Gabuđa fram Kaisari Augustēu gamēljan allana Midjungarda. Sō Gamēlīniz frumistō warþ at Raginōndini Surimiz Kirineiēu. Andi ijjōdun allai, þata mēliđai wēzīna, χwarjazuχ in sīnōn Burgu. Fōr þan auk Jōsef uz Galilaiai, uz Burgi Natsareþ, in Iudaia, in Burgu Dawides sō χaitađai Beþlaχem, fura þazmai þata was uz Χūsai andi Kunjai Dawides, anamēljan miđi Mariāi sō in fragiftimiz was ezmai Kwēniz, wesandīn inkelþōn. Warþ þan, þō wēzun þar, gafullnōđēđun Dagōz tō beran izāi. Andi gabar Sunu sīnana þana frumaburi andi biwand ina andi galagiđa in Uzētini, untēd ni was imiz Rūmes in þazmai Gastiχūsai.

Andi Χerdjōz wēzun in þazmai Landai, wakēndans andi witēndans Naχtiwaχtwōmiz ufarō Χerdāi sīnāi. Iþi Angiluz Fraujiniz anakwam inz andi Wulþuz fraujinz biskain inz, andi ōχtēđun Agizi mekilazmai, andi kwaþ to imiz sa Angilus: „Ni ōgīþ, untēd seχ, sagēm izwiz Gafeχan mekilana, sa werþiþ allāi Managīni, þata gaburanaz ist izwiz χijō Dagō Χailjandz, sa ist Χristuz Fraujō, in Burgi Dawides. Andi þata izwiz Taiknaz: Gafinþiþ Barna biwundana andi galagiđa in Uzētini.“ Andi þō warþ miđi þazmai Angilēu Managīn Χarjes χiminakundes χazjandīn Guđa andi kweþandīn: „Wulþuz in Χauχistjamiz Guđai andi ana Erþāi Friþuz in Mannamiz gōđes Weljiniz.“

Andi warþ, þō gafōrun ferrō imiz in Χimina þai Angiliwiz, þai Χerdjōz kwēdun ainaz anþerazmai: „Faraima nu to Beþlaχem andi seχwaima Wurda þata wur-þanōn, þata Fraujō gakanniđē  unsiz.“ Andi kwēmun sniumjandiz andi fundun Mariōn andi Jōsef andi þata Barna legandōn in Uz-ētini. Gaseχwandiz þan gakanniđēđun þata Wurda þata ga-kweđana was to imiz bi þazmai Barnai. Andi allai þai gaχauzjandiz wundrōđēđun bi þaimiz kweđanaimiz fram þaimiz Χerdjamiz to imiz. Iþi Maria gaχeχald allō χijō Wurdō, þankjandīn in Χertini sīnazmai. Andi gawandiđēđun sik þai Χerdjōz χazjandiz andi lubōndiz Guđa in allaimiz þō gaχauziđēđun andi gasēgwun swaswa gakweđana was to imiz.

Hinweise zur Aussprache:

„Χ“ bzw. „χ“ bezeichnen nicht etwa „x“, sondern den Laut „ch“ wie im Wort „ach“. „þ“ und „đ“ bezeichnen stimmloses und stimmhaftes „th“ wie in englisch „thief“ und „this“. Stimmhaftes s wird durchgehend „z“ geschrieben, Längen werden durch Querstrich markiert. Der Laut „g“ zwischen zwei Vokalen wurde im Germanischen „verschliffen“ (nicht ganz geschlossen) ausgesprochen. Die Worte werden regelmäßig auf der ersten Silbe betont, unbetont sind jedoch (wie im heutigen Deutsch) Vorsilben wie ga-, bi-, ana- und fra-. Um den Text verständlicher zu machen, werden hier alle Substantive groß geschrieben. Der wiedergegebene Text ist urheberrechtlich geschützt, jede kommerzielle Verbreitung oder Verwertung ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Rechteinhabers erlaubt.

Die germanische Sprache wurde bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert intensiv erforscht, was sich wegen der Ähnlichkeit der überlieferten Nachfolgesprachen Gotisch, Altnordisch, Althochdeutsch und Altenglisch als nicht allzu schwierig erwies. Große Erkenntnisfortschritte gab es dabei zuletzt nicht mehr, weil das überlieferte Textmaterial sozusagen „ausgeforscht“ ist. Manches bleibt unsicher, insbesondere Teile des Wortschatzes.              K.B.


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