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26.12.09 / »War sein Friedhof groß?« / Friedrich der Große hatte ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu den Ärzten seiner Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

»War sein Friedhof groß?«
Friedrich der Große hatte ein durchaus ambivalentes Verhältnis zu den Ärzten seiner Zeit

Friedrich der Große war Medizinern gegenüber skeptisch. Als der Arzt Balthasar Ludwig Tralles Ende 1757 in Breslau seinen Bruder August Ferdinand – wahrscheinlich wegen einer Rippenfellentzündung – behandelte, fragte der König den Mediziner spitz: „Sage er mir doch, war sein Kirchhof groß, und ist er mit dem Füllen bereits fertig?“

Die medizinischen Verhältnisse zur Zeit Friedrich des Großen waren gekennzeichnet durch den Übergang von einer teilweise noch der Magie verpflichteten Medizin, die beispielsweise die Mondphasen in die Diagnose mit einbezog, zu einer Medizin, die bereits auf wissenschaftlichen Ergebnissen fußte, aber dennoch nicht die Forschungsinstrumente zur Hand hatte, die das kommende Jahrhundert verwenden würde.

Das Fundament der Medizin war die „Vier-Säfte-Lehre“ oder „Humoralpathologie“. Der Mensch wurde als Ebenbild des Kosmos verstanden. Der Kosmos bestand aus den vier Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft. Der Mensch bestand aus den vier Säften Schleim, Blut, gelbe Galle und schwarze Galle. Diese Säfte befinden sich beim Gesunden im Gleichgewicht (Eukrasie). Beim kranken Menschen liegt eine Störung (Dyskrasie) dieses Gleichgewichts vor. Die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos wurde theoretisch immer weiter verfeinert, so dass auch Mondphasen und Jahreszeiten bei Diagnose und Therapie eine Rolle spielten.

Dazu traten noch geistige Verbindungen von Medizin und Aufklärung, wie sie beispielsweise im materialistischen Konzept des Arztes Julien Offray de LaMettrie (1709–1751) vorgelegt wurden. Letzteres hatte aber auf die praktische Therapie von Erkrankungen nur geringen Einfluss.

Aufgrund der Überzeugung, dass die Dyskrasie durch entsprechende Maßnahmen zu bekämpfen sei, waren vor allem Aderlass, Schröpfen und Ansetzen von Blut­egeln verbreitet. Wenn es der Zustand des Kranken geboten erscheinen ließ, wurden auch künstliche Eiterherde durch Haarseilnadeln produziert oder eiternden Geschwüre künstliche geschaffen.

Allerdings blieb die Medizin des 18. Jahrhunderts nicht nur der Humoralpathologie verhaftet, sondern wichtige Entdeckungen, wie beispielsweise die Erforschung des Sauerstoffs oder die vorbeugende Pockenimpfung nahmen in dieser Zeit ihren Ausgangspunkt, auch wenn die wesentlichen medizinischen Fortschritte erst später erfolgten.

Die Vielfalt der im Bereich der Medizin tätigen Personen des 18. Jahrhunderts dokumentierte sich zunächst einmal darin, dass zwischen Medizinern und Chirurgen unterschieden wurde und häufig Erkrankungen, die Fälle für die Chirurgen waren (wie beispielsweise Brustkrebs oder grauer Star), mit Hilfe von Kräutersäften, Pillen oder Salben behandelt wurden, während die Chirurgen wenig Ahnung von den humoralpathologischen Behandlungsmustern hatten. Daneben gab es noch Wundärzte, Bader und Barbiere, sonstige Laienheiler, Hebammen und Scharfrichter, die von medizinischen Pfuschern nicht immer zu unterscheiden waren. Die Beantwortung der Frage, welcher „Heilkundige“ einen erkrankten Menschen behandeln sollte, war abhängig vom Angebot und dem Geldbeutel des Patienten. In den Städten war die Versorgung im Allgemeinen sichergestellt; auf dem Lande gab es keine studierten Mediziner. Größere Garnisonen hatten einen Garnisonsmedikus, kleinere einen Garnisonsfeldscher, die aber offiziell keine zivilen Personen behandeln durften. Hier kam es auf das Geschick der Beteiligten an, die kommandierenden Offiziere entweder zu umgehen oder am Entgelt zu beteiligen.

Der zivile Arzt hatte meistens keine eigene Praxis, sondern behandelte die Patienten jeweils zu Hause; die reisenden Wundärzte benutzten Wagen. In den Garnisonen standen in der Kaserne Zimmer zur Verfügung. In Preußen war bis Friedrichs Regierungsantritt das Medizinaledikt vom 17. Dezember 1725 grundlegend für Studium und Tätigkeit der Ärzte.

Wenn man die Ausbildung berücksichtigt, waren die Medici für die inneren Erkrankungen zuständig, während die Feldscher vorwiegend chirurgisch tätig waren. Der Begriff „Feldscher“ findet sich zuerst in der Schweiz, wo die die Soldaten begleitenden Bartscherer und Wundärzte so genannt wurden. Französisch: barbier-chirurgien; Englisch: barber-surgeon; Deutsch: Feldscheer, Feldscher oder Feldscherer.

Preußische Militärärzte, die noch eine besondere Ausbildung am Collegium medico-chirurgicum in Berlin absolviert hatten, wurden „Pensionärchirurgen“ genannt und standen im Frieden der zivilen Bevölkerung zur Verfügung. In Berlin war mit der Charité ein wichtiges Krankenhaus für die Bevölkerung vorhanden. Die mit Geschlechtskrankheiten infizierten Prostituierten wurden in der Charitée in einem abgesonderten Bereich behandelt und erst nach völliger Genesung mit einem Attest wieder auf die Männerwelt losgelassen.

Trotz aller Abneigung gegen die Ärzte blieb Friedrich neuen medizinischen Erkenntnissen ge­gen­über aufgeschlossen. So führte er in Preußen die Pockenimpfung ein. Er selbst hielt sich weder an ärztliche Empfehlungen, noch lebte er nach den eigenen gewonnenen Erkenntnissen, die er Personen seiner Umgebung gern empfahl und die durchaus im Sinne einer vernünftigen Ernährung hätten wirken können. Hätte er sich gesünder ernährt, wären ihm Gicht und Wassersucht, unter denen er häufig zu leiden hatte, erspart geblieben. Jürgen Ziechmann

Foto: Friedrich der Große an seinem Ende: Der Preußenkönig gab anderen gute Ratschläge für eine gesunde Lebensführung, doch hielt sich selber nicht daran.         Bild: BpK


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