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26.12.09 / Größte Demonstration seit zehn Jahren / Verdruss in Königsberg: Die Kraftfahrzeugsteuer wurde um durchschnittlich ein Viertel erhöht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Größte Demonstration seit zehn Jahren
Verdruss in Königsberg: Die Kraftfahrzeugsteuer wurde um durchschnittlich ein Viertel erhöht

Am 12. Dezember fand in Königsberg am Denkmal von „Mutter Russland“ die größte Kundgebung seit zehn Jahren statt. Grund war die massive Erhöhung der Verkehrssteuern.

Etwa 5000 Menschen hatten sich versammelt, der gesamte Platz und die nahegelegenen Bürgersteige waren mit Menschen aller Altersgruppen übersät. Mehr als die Hälfte der Königsberger besitzen ein Auto und viele können sich ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. In Königsberg gibt es zwar ein verzweigtes öffentliches Verkehrssystem mit Bussen, Linientaxis, Trolleybussen und der Straßenbahn, außerdem etwa 40 Taxiunternehmen. Wird in anderen Städten das Auto genutzt, um zur Arbeit zu gelangen oder Besorgungen zu machen, so ist das Herumfahren für die Königsberger eher eine Freizeitbeschäftigung geworden. Während viele rund um die Uhr durch die Stadt fahren, bleiben die Straßenbahn und Trolleybusse halb leer.

Bei der Demonstration waren die Flaggen der „Kommunistischen Partei Russlands“, der „Patrioten Russlands“ und der „Liberaldemokratischen Partei Russlands“ zu sehen. Doch nicht nur wegen der Teilnehmerzahl übertraf diese Kundgebung alle vorherigen, auch war die Stimmung angespannter. Die Redner sprachen eindringlich nicht nur über die Kraftfahrzeugsteuererhöhung, sondern auch über die ständigen Tariferhöhungen für die städtischen Dienstleistungen Gas, Wasser und Strom. Die Protestler riefen zu Unterschriftensammlungen auf, um diejenigen Abgeordneten der Regierungspartei „Einiges Russland“ in der Gebietsduma abzuberufen, die für die Steuererhöhung gestimmt hatten.

Die Vertreter einer Motorradgruppe erklärten, dass sie einfach gar keine Steuern mehr zahlen würden und forderten die übrigen auf, es ihnen gleichzutun. Einige hatten ihre Motorräder bereits abgemeldet. Nach der Steuererhöhung werden Motorräder je nach Größe wie Autos eingestuft. Kurz nach Beginn der Protestkundgebung zog ein Teil der Menge auf die Vorstädter Langgasse (Leninskij Prospekt) und legte den Verkehr lahm. Auf der vielbefahrenen Straße bildete sich ein kilometerlanger Stau, der Verkehr musste umgeleitet werden. Einige „Helden“ legten sich sogar vor die Autos auf die Fahrbahn. Autofahrer auf anderen Hauptstraßen hupten, um ihre Solidarität mit den Protestierenden zu bekunden. Nach der Versammlung unterschrieben viele Anwesende eine Erklärung, die sie Präsident Medwedew und Premierminister Putin überreichen wollen.

Die Kraftfahrzeugsteuer wurde um durchschnittlich 25 Prozent erhöht. In der Gebietsduma war man sich über die Steuererhöhung einig, nur das Prinzip der Steuer­erhebung war umstritten. Die Steuer wird nach dem Hubraum berechnet und hat sich vor allem für Kleinfahrzeuge erhöht. Lastkraftwagen und Autos mit großem Hubraum trifft die Steuererhöhung am wenigsten.

Das Ganze ist absolut entgegengesetzt zu dem, was seit vielen Jahren in Westeuropa angewendet wird, wo umweltfreundliche Fahrzeuge mit kleinerem Hubraum gefördert werden. Die neue Verkehrssteuer setzt praktisch kleine und sparsame Autos mit großen Limousinen gleich. So werden die Autofahrer überhaupt nicht stimuliert, auf ökologische Transportmittel umzusteigen.

Auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet sind die Veränderungen sehr zweifelhaft, da Halter von Personenkraftwagen insgesamt erheblich mehr zahlen sollen als der Schwerlastverkehr, durch den die Straßen wesentlich mehr beschädigt werden. Doch für die Erhaltung und den Bau neuer Straßen wird diese Steuer ja gerade erhoben.

Die Gebietsregierung behauptet, dass die Steuererhöhung notwendig gewesen sei und sie nur die Inflation ausgleiche. Zuletzt wurde die Verkehrssteuer im Jahr 2006 erhöht. Außerdem erklärte die Regierung, dass sie aus dem Haushalt der Russischen Föderation weniger zur Finanzierung einer ganzen Reihe sozialer Subventionen erhalten habe. Moskau habe stattdessen den Regionen empfohlen, die Nebenabgaben für Bier, Schnaps und Ölprodukte anzuheben sowie eben die Kraftfahrzeugsteuer zu erhöhen. Im laufenden Jahr waren die Kosten für die Erhaltung der Straßen dreimal höher als die Steuereinnahmen. Dazu kommt ab 2010 ein weiterer Ausgabenpunkt: die Ausgaben für den „Küstenring“ von zirka 50 Millionen Rubel (über eine Millionen Euro).

Interessant ist, dass die Rück­stände bei der KfZ-Steuer zur Zeit bereits zirka 900 Millionen Rubel (über 20 Millionen Euro) betragen. Die Finanzbehörde kämpft gemeinsam mit den Staatsanwaltschaften mit einschneidenden Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung: Der Zugang zum „TÜV“ wird säumigen Zahlern verboten, ebenso die Nutzung von Verkehrsmitteln und die Fahrt ins Ausland.

Gouverneur Georgij Boos hat bereits angeordnet, die Anstifter für die Sperrung der Vorstädter Langgasse zu bestrafen. Über einige wurden bereits Protokolle wegen Ordnungswidrigkeiten geschrieben. Einige erhielten bereits Ladungen von der Polizei. Der Gouverneur ordnete an, die anderen Aktivisten der Demonstration zu erfassen und ihnen das Unrecht ihres Tuns vor Augen zu führen.

Die Bürgerbewegung „Gerechtigkeit“ schließt dagegen weitere Aktionen nicht aus, wenn die Regierung auf ihr Volksbegehren nicht reagiert.

Jurij Tschernyschew

Foto: Motorradfahrer auf der Demonstration: Sie waren besonders aktiv und engagiert.          Bild: Tschernyschew


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