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26.12.09 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

den Weihnachtsmann gibt es wirklich, das Ehepaar Stein aus Theding in Frankreich weiß es jetzt ganz genau und bestätigt es in seiner Sprache: Le Père Noël existe vraiment! Der gute Alte kam allerdings nicht auf dem Rentierschlitten, sondern bediente sich unserer Ostpreußischen Familie als Transportmittel, die „das schönste Geschenk“ für Camille Stein bereithielt: die durch unsere Suche gefundene Verwandtschaft. Wir haben schon in der letzten Ausgabe über diesen unerwarteten Erfolg berichtet, hatten aber etwas nicht gewusst: Camille Stein ist keine SIE, sondern ein ER. Da der Vorname für beide Geschlechter gilt, der herzliche Briefstil auf eine Frau tippen ließ, kam uns überhaupt nicht der Gedanke, dass es sich um einen Monsieur Stein handeln könnte, zumal wir im ersten Brief die vermeintliche Schreiberin mit „Chère Madame“ anredeten, was vonseiten des Adressaten nicht korrigiert wurde. Das hat nun auch wiederum seine Richtigkeit, denn die Korrespondenz führt Camilles Ehefrau Bernadette für ihren Mann. Dies stellte sie nun in einem langen Antwortbrief richtig, der nicht nur große Freude und überschwängliche Dankbarkeit übermittelt, sondern auch von dem „Wunder“ berichtet, das sich nun als solches konkretisiert hat: Camille konnte bereits mit der Tochter seines gefundenen Cousins Francek Zaporowski ein Telefongespräch führen, in dem einwandfrei die direkte Verwandtschaft festgestellt wurde.

Das geschah nun alles im Blitztempo nach einem Jahrhundert des Schweigens. Denn als die Mutter von Camille Stein, deren Herkunft und Lebensweg der Sohn jetzt im späten Alter endlich klären wollte, ihr Elternhaus im westpreußischen Brinsk verließ, war die 1891 Geborene wohl erst 14 oder 15 Jahre alt. Sie war die Zweitälteste von 14 Geschwistern; es handelte sich um keine wohlhabende Familie, der Ort war klein und so musste Franziska früh ihr Brot verdienen. Die nächsten Jahre bleiben nebulös, erst nach dem Ersten Weltkrieg gibt es einige Ansatzpunkte für ihre Tätigkeit in Haushalten in Düsseldorf und Saarbrücken. Dort lernte Franziska Janowski den in der lothringischen Metallindustrie arbeitenden Nikolas Stein kennen und heiratete ihn. Sie blieben in Frankreich und bekamen vier Kinder, von denen einer der Söhne Camille ist. Über ihre Herkunft hüllte sich die Mutter immer in Schweigen. Sie wollte nichts sagen, blockte alle Fragen ab. Die wurden jetzt aber immer eindringlicher von den Kindern und Enkeln Camilles gestellt, so dass er begann, den Lebensweg seiner verstorbenen Mutter zu erforschen. Er und seine Frau Bernadette kamen aber nicht weit. Nicht einmal ihren Geburtsort Brinsk konnten sie finden.

Und da half nun unsere Familie, Wir fanden nicht nur den Ort, sondern auch einen Cousin von Camille, der bei Danzig lebt. Francek Zaporowski konnte nicht nur über Brinsk berichten, sondern auch eine Familiengeschichte vorweisen, aus der einwandfrei die nahe Verwandtschaft mit Camille hervorging. Da seine Tochter mit einem Fußballer verheiratet ist, der jahrelang in französischen Vereinen spielte, waren Sprachschwierigkeiten nicht zu vermuten. Und so war es dann auch: Bernadette rief sofort bei Franceks Tochter an, und die Freude war auf beiden Seiten groß. Jetzt will man weiter in Verbindung bleiben und diese ausbauen. Ein Wiedersehen im wahrsten Sinne des Wortes wird es nicht geben: Camille ist blind! So kann er leider auch das Foto nicht sehen, das uns Francek Zaporowski zugesandt hat. Es zeigt ihn mit seiner Nichte vor der Schule von Brinsk, das diesem Bau nach gar nicht so klein sein kann und in einer schönen Landschaft liegt. Francek Zaporowski beschreibt das von den Polen „Brynsk“ genannte Brinsk so: Ein Dorf, über zwei Kilometer lang, umrandet mit Wäldern, die sich bis zur nächsten Stadt, Lautenberg, hinziehen. So können wir nun die weitere Entwicklung dieses Findens den beiden Cousins und deren Familien überlassen. Der Weihnachtsmann hat seine Schuldigkeit getan!

Dass er so rechtzeitig kommen konnte, ist aber auch meiner hilfsbereiten Kollegin Uta Buhr – unseren Lesern gut bekannt für ihre fundierten Reiseberichte – zu verdanken, die als exzellente Frankreichkennerin mir sehr geholfen hat. Die Korrespondenz konnte deshalb ohne Schwierigkeiten und Zeitverzögerungen in französischer Sprache geführt werden. Uta Buhr hat sich vorgenommen, auf einer ihrer nächsten Frankreichreisen Camille und Bernadette Stein, die im Kanton Orange-Ouest wohnen, aufzusuchen und noch mehr über die Familie zu erfahren. Wir bleiben also am Ball.

Auch bei der Suche nach dem unauffindbaren Ort „Thymussen“, der angeblich in Ostpreußen liegen soll, hat sich viel getan und das auch blitzschnell. Denn kaum war die Frage von Herrn Jens Huster nach dem Geburtsort seines masurischen Großvaters erschienen, hatte ich schon die ersten Meldungen auf dem Tisch. Wie der Kreisvertreter von Lyck, Herr Gerd Bandilla, meinte, könnte es sich nur um „Dimussen“ im Kreis Johannisburg handeln. Das bestätigte auch Frau Elle Roseneck, die sich in der Ahnenforschung mit verschiedenen Kirchspielen aus dem südlichen Masuren beschäftigt, darunter auch mit Drigelsdorf/Drygallen, das nur acht Kilometer entfernt von Dimussen liegt. Zwar gehört Dimussen seit 1902 zum Kirchspiel Richtenberg/Skarzinnen, doch davor war es dem Kirchspiel Drygallen zugehörig. Frau Roseneck weist darauf hin, dass in dem Heimatbrief der Kreisgemeinschaft Johannisburg von 1991 ein Ortsplan von Dimussen mit Einwohnerverzeichnis und Ansichten verschiedener Höfe enthalten ist. Nun hatte Herr Huster in seiner Anfrage nach dem Heimatort des Großvaters dessen Namen nicht genannt. Nach dem Hinweis von Frau Roseneck könnte er also durchaus herausbekommen, ob und wo sein Großvater in Dimussen gewohnt hat. Dann kann er auf einer Reise in die Heimat seiner Vorväter, die er mit seinem Sohn unternehmen will, gut geführt der Leitspur folgen, die unsere Leserinnen und Leser ihm nach dem gefundenen Geburtsort – der heute von den Polen „Dmusy“ genannt wird – gelegt haben. Auch hier werden wir mehr hören. Zuerst sage ich aber herzlichen Dank den Genannten, die hier so schnell geholfen haben, und allen anderen, die auch zu dieser Suchfrage Stellung nahmen. Wobei auch andere Namen ins Spiel kamen, die aber nicht in Frage kommen, weil sie nicht in Masuren liegen oder es sie nicht gibt! Eigentlich schade um den nicht existierenden, aber so schönen Namen „Thymussen“. Er klingt so gut, ein bisschen nach Thymian und hätte darum schon in die Johannisburger Heide gepasst. Vielleicht baue ich ihn einmal in eine Geschichte ein.

Am Heiligen Abend werde ich wie immer dem Geläut der alten Königsberger Domglocken lauschen – die Kassette bekam ich einmal geschenkt und hüte sie wie einen Schatz. Und zum Königsberger Dom, wie er sich heute über die so leer und kahl gewordene Kneiphofinsel erhebt, führt auch die letzte Frage des alten Jahres, das für unsere Ostpreußische Familie wieder ein so erfolgreiches war. Vielleicht können wir auch jetzt Herrn Gerfried Horst aus Berlin auf seiner Suche nach Informationen über das Grabmal der Herzogin Dorothea im Königsberger Dom helfen, das wieder errichtet werden soll. Der russische Dombaumeister Igor Alexandrowitsch Odinzow hat Herrn Horst um Hilfe gebeten, denn er benötigt Fotos von dem Grabmal vor der Zerstörung, die ihm aber nicht zur Verfügung stehen. Es geht zudem um Unstimmigkeiten über die Künstler, die das Grabmal entwarfen und schufen. War es der bekannte Bildhauer Cornelius Floris aus Antwerpen oder der dänische – später preußische – Hofmaler Jakob Binck? Da können wir helfen! Dorothea war als Gemahlin von Herzog Albrecht die erste Herzogin von Preußen. Die Tochter des Dänenkönigs Friedrich wurde am 1. Juli 1526 in Königsberg mit dem Herzog vermählt. Sie lebte mit ihrem Gemahl in sehr glücklicher Ehe, galt mit ihrer Hilfsbereitschaft und Herzensgüte als zweite „Elisabeth von Thüringen“. Als sie 1547 verstarb, trauerte der Herzog sehr um seine geliebte Frau und ließ für sie ein Grabmal errichten. Den Entwurf fertigte der in Köln geborene, vielseitig begabte und agierende Künstler Jakob Binck, der während seiner Tätigkeit am Hof von Kopenhagen nach Königsberg „ausgeliehen“ wurde und dann – nach Zwischenstationen in Schweden und Antwerpen – im Dienst Herzog Albrechts verblieb. Die Ausführung des Epitaphs bestellte er bei dem bekannten Bildhauer und Architekten Cornelius Floris, der in Antwerpen eine große Werkstatt besaß. Das Grabmal mit einer wundervollen Büste der Herzogin wurde von dem holländischen Bildhauer Heinrich Vlint an der Nordseite des Hohen Domchores aufgestellt. Bei den Bombenangriffen 1944 wurde das Epitaph schwer beschädigt, die Büste blieb unversehrt. Ihr Schicksal ist unbekannt, Abbildungen sind vorhanden, und es gibt sogar einen Abguss im dänischen Schloss Frederiksborg. Dagegen fehlen vom Epitaph alle Unterlagen, die zu einer originalgetreuen Nachbildung verhelfen können. Es gibt weder Fotos von dem Grabmal und seinen einzelnen Teilen noch Kopien von Entwürfen und Zeichnungen. Jedenfalls hat man noch keinen Zugang zu diesen gefunden, und deshalb müssen wir die Frage von Herrn Horst an unsere Ostpreußische Familie weitergeben. Wer besitzt Abbildungen des Grabmals der Herzogin Dorothea oder weiß, wo man welche finden könnte? Dass sich allerdings über unsere Kolumne die Frage klären lässt, wo sich in Antwerpen noch Unterlagen über die Arbeiten aus der Werkstatt des Cornelius Floris befinden, darunter vielleicht auch Entwürfe für das Epitaph, ist unwahrscheinlich. Aber versuchen können wir es ja mal. Ich bin immer glück­lich, wenn wir dazu beitragen können, die Kulturgeschichte unserer Heimat zu bewahren. (Zuschriften an Herrn Gerfried Horst, Ceciliengärten 6 in 12159 Berlin, Telefon 030/56596967, E-Mail: gerfried.horst@t-online.de)

Und ehe wir im Neuen Jahr mit neuen Fragen beginnen, die bereits in meiner Mappe warten, wünsche ich „mine lewe Landslied“ und allen guten Freunden unserer Ostpreußischen Familie ein frohes, friedliches Weih­nachtsfest!

Eure Ruth Geede

Foto: Francek Zaporowski mit seiner Nichte: Vor der Schule des westpreußischen Dorfes Brinsk im Jahre 2004              Bild: privat


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