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26.12.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Ganz klein / Wie Leute unterbuttern das Gewissen aufmöbelt, warum sich die anderen schuldig fühlen müssen, und warum wir alle Verbrecher sind
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wie erlangt man eigentlich ein gutes Gewissen? Einwandfreies Verhalten ist eine Möglichkeit, reicht aber nicht. Dabei bleiben immer      juckende Flecken auf der Seele zurück. In die eigene Tasche lügen klappt schon häufiger: Manche Menschen können sich ihre Rolle in der Welt so makellos zurechtmodellieren, dass sie sich danach wirklich vorkommen wie die Quelle des Lichts höchstpersönlich.

Am leichtesten kommt man jedoch immer noch an eine gutes Gewissen, indem man anderen ein schlechtes macht. Daher sind große politische Bewegungen, die für das makellos Gute und gegen das unbezweifelbar Verderbliche kämpfen, so ungemein attraktiv für Leute, die nach einem kratzerlosen Selbstbild schmachten. Die Könner unter diesen Leuten trachten eifrig danach, alle Mitmenschen in Mustergültigkeit zu übertreffen, damit sie immer oben auf sind und allen anderen Lehren erteilen können.

Der „Stern“ berichtet voller Anerkennung über einen 20-Jährigen im Wohnlager der Klimakämpfer, die sich am Rande des Kopenhagen-Gipfels zur Demo versammelt hatten. Der junge Mann aus Kiel legte dort bereits am Frühstückstisch los: Butter sei  der größte Klimakiller, den man auf dem Teller haben könne, belehrte er seine Umgebung. Ja, Butter: Die Milchkühe furzten nämlich Methangas, dann die Abgase der Lastwagen, mit denen die Milch abtransportiert würde, und zur Butterherstellung würden Zentrifugen benutzt, die Strom verbrauchten.

Da blieb den Mitkämpfern, die sich eben noch als moralische Spitzenkräfte im Kampf für den Planeten sahen, wohl das Brötchen im Halse stecken. Sie müssen sich auf einmal ganz klein und fleckig vorgekommen sein. Sowas nennt man wohl „unterbuttern“.

Im Plenum der 193 Staaten wurde nach ähnlichen Regeln gespielt, Hauptsache, den anderen ein schlechtes Gewissen einreden. Allerdings ging es hier nicht allein darum, sich selbst moralisch zu erheben wie im Falle des Butterjägers vom Demonstrantenfrühstück. Hier sollte die Selbsterhebung über andere sehr viel handfestere Vorteile abwerfen, wofür die Gewissenskeule heftig geschwungen wurde. Auf die Spitze trieb die Sache mit dem guten Gewissen der Vertreter Sudans, der die Klimapolitik der Industrieländer mit der NS-Judenverfolgung verglich. Tatsächlich! Der Sudanese, in dessen Land seit Jahren ein ungezügelter Völkermord tobt!

Der Gipfel endete als Scheiterhaufen hehrer Versprechen, nur dass sich die Meute der 193 Ländervertreter nicht einigen konnte, wer brennen soll in der Hölle der obersten Klimasünder. Ein Freiwilliger fand sich nicht, nachdem nicht einmal die Europäer oder wenigstens die Deutschen ausreichend ökonomischen Selbstzerstörungswillen aufbrachten, um den Sonderforderungen ihrer Richter aus dem Sudan oder (dem Ölstaat) Venezuela, aus China oder Kuba nachzukommen.

So ging alles in Rauch auf. Da sitzen wir jetzt unterm Weihnachtsbaum mit unserem schlechten Gewissen im Genick und starren schuldbewusst zum Kaffeetisch rüber, auf dem sich der apokalyptische Butterkuchen stapelt. Wir wollen uns in diesen Tagen aber nicht schlecht fühlen! Wie kommen wir da also raus?

Ganz einfach, wie eingangs aufgezeigt: Klagen wir andere an. Um das erfolgreich durchzuziehen, müssen wir aber vor allem eins sein: Frech wie Rotz, und das mit aller Konsequenz. Wie das geht, hat uns pünktlich zur besinnlichen Weihnachtszeit Andrea Ypsilanti vorgemacht.

Die hessische Skandalkandidatin hat sich die Führung ihrer Partei vorgeknöpft: In der SPD habe es „keine Verständigung zwischen der Führung, der Parteibasis und der Wählerschaft gegeben“, feuert die frühere SPD-Landeschefin von Hessen ins Berliner Willy-Brandt-Haus.

Den Spieß so kess umzudrehen, dazu gehört schon was. Über die Köpfe von Parteibasis und Wählerschaft hinweg hatte Frau Ypsilanti bekanntlich ihr Wort gebrochen und doch eine Koalition mit  Linksaußen angestrebt. Die Partei erlitt einen schweren Knacks und die Wähler wendeten sich in Scharen ab, nachdem die Wortbrüchige derart mit der Dampfwalze durch den eigenen Laden gebrettert und elend steckengeblieben war. Nun nimmt sie die Bundesführung ihrer Partei mit Worten ins Gebet, als spräche sie von sich selbst. So wechselt man in einem Schwung die Seiten vom Beklagten zum Kläger, indem man nur die anderen dazu bringt, sich für etwas zu schämen, das man in Wahrheit selbst begangen hat.

Um die anderen dauerhaft klein zu halten, muss man dafür sorgen, dass sie sich immerzu rechtfertigen müssen. Um beispielsweise die Wahlbürger ein wenig zu stutzen, gibt es ein juristisches Verfahren, das sich „Beweislastumkehr“ nennt.

Aber warum kleinhalten, die Bürger? Nun, wir haben ja nichts gegen „mündige Bürger“, aber erlaubt sind aus ihren mündigen Mündern nur Meinungen, die von etablierter Politik, von Medien und Intellektuellen vorher sorgsam abgeschmeckt und vorgegart wurden. Das klappt soweit ja auch ganz gut, aber nicht gut genug, wie die Schweizer Minarett-Abstimmung gezeigt hat.

Und es reicht jetzt nicht, nur für Minarette zu streiten. Besorgte Meinungsmacher dringen darauf, dass wir das gesamte „Bewusstsein“ der Leute ändern müssen. Ja, genau darum geht es. Bislang leben immer noch viel zu viele Bürger in dem Bewusstsein, „unbescholten“ zu sein, weshalb sie sich „nichts vorzuwerfen“ hätten. Solche Menschen sind gefährlich, weil sie sich wegen ihrer stolzen Unschuld weder lenken noch einschüchtern lassen.

Genau da setzt die „Beweislastumkehr“ an: Sie macht aus jedem erst einmal einen Delinquenten, der dann als winselnder Tropf vor dem wuchtigen Tribunal beweisen muss, das er nichts Strafwürdiges getan hat. Im sogenannten „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ sollte die Umkehr schon im vollen Umfang durchgesetzt werden. Wenn ein abgewiesener Bewerber auch nur behauptet, er sei wegen seines Alters, seiner Rasse, Religion etc. abgewiesen worden, sollten Vermieter oder Arbeitgeber nachweisen müssen, dass dem nicht so war. So war der ursprüngliche Plan.

Im Gesetz ist das dann zwar ein bisschen verwässert worden, so dass es jetzt doch nicht ganz so einfach ist. Aber der Anfang wurde gemacht, was die „Gebühreneinzugszentrale“ (GEZ) auf eine tolle Idee brachte. Die GEZ hat bekanntlich große Schwierigkeit, so genannte „Schwarzseher“ aufzuspüren. Außerdem können sich die GEZler nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die lieber ohne TV und Radio leben.

Daher, so der Vorschlag, soll künftig die Beweislast umgekehrt werden. Jeder soll nachweisen müssen, dass er keinen Fernseher und kein Radio hat, sonst muss er automatisch die Gebühr zahlen, so der Plan der GEZ. Doch wie soll man das Nichtbesitzen beweisen? Dafür wäre wohl jeder verpflichtet, die GEZler seine Wohnung durchstöbern zu lassen, samt Keller und Dachboden. Da könnte ja irgendwo ein Gerät versteckt sein. Und dann?

Einmal gründlich überprüft hätte man ja aber die Möglichkeit, sich gleich nach der GEZ-Wohnungsfilzung eine Glotze zu besorgen. Ergo müssten die Agenten das Recht zur Hausdurchsuchung zu jeder Tages- und Nachtzeit bekommen. Sonst ergibt das alles keinen Sinn. Bald kommen bestimmt auch Umweltschützer auf ähnliche Ideen, etwa, dass jeder beweisen muss, dass er keine verbotenen Tropenhölzer in seinen Möbeln hat.

Das ließe sich endlos und auf zahllose Felder ausdehnen, der „Bewusstseinswandel“ wäre bestimmt enorm nach ein paar Jahren. Dann nämlich säße jeder Bürger auf einem Vulkan von Beweislasten, der jeder Zeit unter ihm hochgehen könnte. Bürger in solcher Lage mucken kaum noch auf, die geben sich ganz klein und pflegeleicht – gläsern, erpressbar und schuldbewusst, wie sie sind.


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