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09.01.10 / Kampf um die Darstellung / Wolfgang Thüne: Ohne wahrhaftige Geschichtsschreibung kein ehrlicher Dialog

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-10 vom 09. Januar 2010

Kampf um die Darstellung
Wolfgang Thüne: Ohne wahrhaftige Geschichtsschreibung kein ehrlicher Dialog

Die Zeit steht nicht still. Was im Moment passiert, ist nach Sekunden bereits Vergangenheit, ist Geschichte. Geschichte kennt keinen Konjunktiv. Wir stehen zwischen Geschichte und Zukunft in einer flüchtigen Gegenwart. Was bringt die Zukunft? Wir kennen sie nicht, ahnen sie nur wie das Wetter von morgen. Dennoch machen wir uns Gedanken über die Zukunft, planen sie, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Jeder von uns hat zum Jahreswechsel Rückblick gehalten, Bilanz gezogen und sich Vorsätze für die Zukunft gemacht, natürlich nur gute. Auch die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) steht Jahr für Jahr vor dieser Aufgabe, hat sie doch, als Selbstbehauptungsgemeinschaft am 3. Oktober 1948 gegründet, eine Gesamtverantwortung für alle Ostpreußen wie deren Nachkommen. Sie hat aber auch eine nationale Verantwortung für Deutschland insgesamt. Die Landsmannschaft ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich den Normen des Völkerrechts verpflichtet weiß.

Bei der Durchsetzung ihrer Ziele hat es die LO nicht leicht, denn so leicht in der Politik die Wörter Recht, Gerechtigkeit, Wahrheit, Verständigung und Versöhnung über die Lippen gehen, so schwer tut sie sich bei der Anerkennung wie Durchsetzung. Wir erleben fast täglich die Kontroverse zwischen Theorie und Praxis, zwischen der direkten und repräsentativen Demokratie. Direkt geht „alle Staatsgewalt vom Volke aus“. Das Volk ist der alleinige Souverän, doch tatsächlich gibt es nur direkte Wahlen von Repräsentanten des Volkes, die dessen Interessen vertreten sollen. Von diesem idealistischen Modell sind wir meilenweit entfernt. An die Stelle des Gemeinwohls sind die Gruppeninteressen getreten. Politik wurde zum kleinsten gemeinsamen Nenner von Gruppeninteressen und -rivalitäten und das Bundeskanzleramt zur Interessen-Schlichtungsstelle. Wessen Interessen quantitativ nichts wiegen, nicht für Wahlen entscheidend sind, der zieht den Kürzeren, geht leer aus.

Diese latente und offene Unzufriedenheit muss Bundeskanzlerin Angela Merkel gespürt haben, denn in ihrer Regierungserklärung am 10. November 2009 sagte sie: „Wir müssen das Verhältnis der Bügerinnen und Bürger zu ihrem Staat verbessern.“ Nehmen wir die Kanzlerin beim Wort! Dieses Vorhaben wird nur gelingen, wenn wir die ganze Wahrheit erfahren, auch über die deutsche Geschichte. Der Umgang mit der eigenen Geschichte darf nicht beliebig sein und sich in Gefälligkeiten nach außen erschöpfen. Geschichte darf auch nicht so zurechtgebogen werden, bis sie nur noch die Interessen und die Machtpolitik der jeweiligen Machthaber rechtfertigt. Dieses unverantwortliche Jonglieren mit geschichtlichen Tatsachen hat bisher kein deutsches oder internationales Menschenrechtsproblem wirklich gelöst. Es wird mit dem Faktor Zeit, der Gewöhnung an Unrecht wie der „Endlichkeit“ spekuliert.

Schon Reinhold Rehs, Sprecher der LO von 1966 bis 1971, sagte: „Wir werden uns durch Widerstände nicht entmutigen lassen.“ Wir sind der festen Auffassung, dass ein unlösbares Band zwischen Wahrheit und Liebe einerseits und Moral und Kultur andererseits besteht. Wir sind der Auffassung, dass Demokratie und Rechtsstaat Ausdruck der Freiheit sind. Wir Bürger haben in Jahrhunderten den Mächtigen unsere derzeitigen Rechte abgerungen und werden daher die Grundsätze von Recht, Freiheit und Demokratie energisch verteidigen und uns nicht neuen Hörigkeiten durch Bürokratismus und Zentralismus widerspruchslos beugen. Wir nehmen uns die Freiheit zu sagen: Jede Verletzung des Heimatrechts verstößt sowohl gegen die Menschenrechte wie das Völkerrecht. Sie ist völkerrechtswidrig, ganz gleich, ob sie vom Aufenthaltsstaat einseitig veranlasst oder von anderen Staaten vereinbart wurde.

Im Jahre 2010 wird über zwei Ereignisse intensiv recherchiert und berichtet werden. Da ist zum einen der 11. Juli, an dem vor 90 Jahren 1920 im südlichen Ostpreußen eine Volksabstimmung stattfand. Ausgerechnet in Masuren stimmten 97,8 Prozent für den Verbleib bei Deutschland. Am 15. Juli gedenken wir der „Schlacht von Tannenberg“ 1410 vor 600 Jahren. Dieser Angriffskrieg von Polen-Litauen gegen den Ordensstatt war der Anfang von dessen Ende. Der Deutsche Orden war 1225 von Konrad von Masowien zu Hilfe gerufen worden und hatte bis 1410 Polen nie ein Haar gekrümmt. Seine abendländische Aufgabe war die Bekehrung der Prußen wie der heidnischen baltischen Völker. Auch hier gibt es eine blühende Legendenbildung, der wir die historische Wahrheit entgegenstellen müssen.

Zur Aufklärung der geschichtlichen Wahrheit hat ausgerechnet ein polnischer Historiker beigetragen: Tomasz Jasinski und sein Buch „Kruschwitz, Rimini und die Grundlagen des preußischen Ordenslandes“. Insbesondere der Vertrag von Kruschwitz wurde von Polen immer als Fälschung hingestellt. Mit überzeugenden Argumenten, so der Historiker Udo Arnold, weist der Verfasser nach, dass das Privileg, mit dem der polnische Herzog Konrad von Masowien 1230 dem Orden das Kulmerland als Ausgangsbasis seiner Eroberung Preußens schenkte, echt ist. Ebenso echt ist ebenso die Goldene Bulle Kaiser Friedrich II. von Rimini, allerdings nicht 1226 ausgestellt, sondern erst 1235 und rückdatiert. Arnold: „Die Wissenschaft wird nun umdenken müssen.“ Die Politik ebenso.

Der Kampf um Darstellung wie Wahrung der historischen Wahrheit wird in diesem Jahr von uns Aufrichtigkeit und Standfestigkeit erfordern. Wir wissen um die gigantische Macht des relativierenden und die deutsche Geschichte in Negative ziehenden Zeitgeistes. Doch nur wer als Einzelner oder als Nation seine Würde zu wahren und zu verteidigen versteht, dem wird die ihm zustehende Würde zuteil.

Vom Kirchenvater Thomas von Aquin haben wir gelernt, dass der Friede unter Menschen und Völkern unzulänglich bleibt, „wenn nicht die Liebe unter ihnen Wurzeln schlägt“. Das aber setzt Ehrlichkeit, Verstehen und Verständnis auf allen Seiten voraus, die Annahme der eigenen, schönen wie unschönen, Geschichte. Ludwig Börne, ein kluger politischer Denker zu Beginn des 19. Jahrhunderts, schrieb: „Jede Gegenwart ist eine Not-Erbin der Vergangenheit. Sie kann die Erbschaft weder ausschlagen, noch sub beneficio inventarii antreten: sie muss sie, und zwar ganz, übernehmen, mit ihren Schulden und mit ihrer Schuld.“ Dies gilt für alle Seiten, für Besiegte und Sieger.


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