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09.01.10 / Los statt Leistung / Das Abgeordnetenhaus entscheidet kommende Woche über umstrittene »Schüler-Lotterie«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-10 vom 09. Januar 2010

Los statt Leistung
Das Abgeordnetenhaus entscheidet kommende Woche über umstrittene »Schüler-Lotterie«

In einer Woche entscheidet das Berliner Landesparlament über eine wichtige Reform des Bildungssystems in der Hauptstadt. Es ist damit zu rechnen, dass die SPD und Linke das Vorhaben mit ihrer Mehrheit absegnen werden. Für die Schulen ist es eine kleine Revolution. Haupt-, Real- und Gesamtschulen wird es danach nicht mehr geben – nur noch die sogenannte Sekundarschule.

Was in Hamburg bereits beschlossene Sache ist und dort für erheblichen Unmut sorgt – ein Volksbegehren ist eingeleitet – soll jetzt auch in Berlin umgesetzt werden: die Zusammenlegung der unterschiedlichen Schulformen mit Ausnahme des Gymnasiums. Die SPD hat das Thema Bildungsreform zur Chefsache aufgewertet. In diesem Jahr soll alles wasserdicht gemacht werden, damit es im Wahljahr 2011 keine störenden Diskussionen um Nachbesserungen oder gar eine Rücknahme des Projekts gibt. Ein Volksbegehren wie in Hamburg kann der SPD/Linke-Senat nicht gebrauchen, zumal sich CDU und FDP wahrscheinlich mit dem Anliegen der Reform-Gegner solidarisieren würden. Laut „Berliner Morgenpost“ erklärte der SPD-Landesvorsitzende Michael Müller: „Deswegen stecken wir viel Geld in diese Reform. Deswegen gibt es zusätzliche Lehrerstellen.“

Schon bald nach Inkrafttreten könnte sich erweisen, ob das Projekt Erfolg hat. In zwei Monaten müssen die Schüler der sechsten Klasse an weiterführenden Schulen angemeldet werden. Es gibt dann für Eltern nur noch die Wahl zwischen Gymnasium und Sekundarschule. Sollte es zu einem Ansturm auf die Gymnasien kommen, weil die Eltern kein Vertrauen in die Sekundarschulen zeigen, dann wäre dies ein folgenreicher Fehlstart. Der Senat hat sich für diesen Fall etwas Ungewöhnliches ausgedacht: Ab 2011 sollen die Schülerplätze an Gymnasien verlost werden. Die Opposition mokiert sich deswegen über eine „Schüler-Lotterie“. Nicht mehr Leistung und Talent, sondern der Zufall einer Lostrommel entscheide über den Bildungsweg junger Menschen, beklagen die bürgerlichen Oppositionsparteien CDU und FDP.

Was will der Senat mit der Reform erreichen? Hinter dem folgenreichen Systemwechsel steht der Gedanke, dass die Schulkinder besser lernten, wenn dies gemeinsam geschieht. Die durchaus begründete Ansicht, dass Schüler mit unterschiedlichen Fähigkeiten auch unterschiedlich gefördert werden müssen, gilt als überholt. Zumindest in Berlins rot-roter Senatskoalition.

Kritiker sagen, dass der Senat nur linke Gleichheitsideale auf das Bildungssystem anwende und daher die problemträchtige Hauptschule beseitigen wolle. Die Hauptschulen Berlins sind zu einer Art Reste-Rampe des Bildungswesens verkommen, deren Abgangszeugnisse kaum etwas wert sind.

Aber werden die Schulabgänger besser gebildet sein, weil sie demnächst von einer Sekundarschule kommen – statt von einer Hauptschule? Das bezweifeln die Kritiker vehement. Mehr noch: Die Gefahr des neuen Systems sehen sie darin, dass künftig auch noch diejenigen Schüler, die heutzutage mit der Mittleren Reife ihre Schulkarriere beendet hätten, nunmehr im Sog der Hauptschüler mit hinab gerissen werden könnten, weil die Schwächeren den Takt angäben. Markus Schleusener


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