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16.01.2010 / Lauter Krisentreffen / Der Rundblick auf die Neujahrstreffen der Parteien erinnert an den Gang durch ein Lazarett

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Lauter Krisentreffen
Der Rundblick auf die Neujahrstreffen der Parteien erinnert an den Gang durch ein Lazarett

Wie in jedem Januar versuchen  die Parteien, mit Klausuren oder Großveranstaltungen Akzente zu setzen und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Am besten gelingt das unfreiwillig – wenn die Medien die Veranstaltungen mit „Krisentreffen“ überschreiben. Dafür gab es in diesem Jahr reichlich Gelegenheit.

Am tiefsten in der Krise steckt derzeit wohl die Linkspartei. Nun rächt sich, dass sich da zwei komplett unterschiedliche Truppen ohne gemeinsames Programm zusammengetan haben und rein auf Protest bauten: Die westdeutsche WASG aus von der SPD enttäuschten Links-Gewerkschaftlern und allen Arten linksradikaler Spinner, Utopisten und verhinderten Revoluzzern sowie die aus der straff geführten SED hervorgegangene PDS mit ihrem kühl-professionellen Verhältnis zur Macht.

Das Erfolgsgeheimnis der Linkspartei im Westen hieß und heißt Oskar Lafontaine, der als Wahlkampflokomotive enttäuschte SPD-Anhänger auf die Seite der SED-Erben zog. Tödlich für eine solche Partei, die ihren tiefen inneren Zweispalt anfangs nur notdürftig übertünchte, ist es, wenn durch Misstrauen und Illoyalität innerhalb der Führung der alte Ost-West-Graben wieder aufbricht. Lafontaine ist aus gesundheitlichen Gründen außer Gefecht und der Co-Vorsitzende Bisky in Brüssel, so versuchte der pragmatische Ost-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, in das Vakuum zu stoßen und streute gezielt Indiskretionen, um selbst als Liebling der Medien und Strahlemann an die Spitze aufzusteigen. Blöd, wenn so etwas ruchbar wird oder zumindest der entsprechende, kaum zu entkräftende Verdacht aufkommt. Auf der Linken-Klausur meierte Fraktionschef Gysi Bartsch ungewohnt scharf ab und deutete dessen Entmachtung an – gut möglich, dass sich Gysi selbst als Vorsitzender in Stellung bringen will.

Ganz anders, aber auch alles andere als optimal verlief die traditionelle CSU-Klausur im schneesicheren Wildbad Kreuth. Die gesetzten Themen – Vorwärts zu einer bürgernahen EU, Rück-kehr zu einer verantwortungsvollen sozialen Marktwirtschaft – interessierten nur am Rande. Auch der neue EU-Ratspräsident Herman van Rompuy trug nicht zu guter Stimmung unter den Journalisten bei – wortlos eilte er an ihnen vorbei, sehr zum Ärger speziell der Vertreter der elektronischen Medien, denen schriftliche Stellungnahmen nichts nützen, sondern die auf O-Töne angewiesen sind. Souverän sieht anders aus. Auch das trug dazu bei, dass die Journalisten wenig andere Themen behandelten als die schlechten Umfragewerte der CSU, ihr Abstieg von der 50- zur 40-Prozent-Partei, bald vielleicht sogar darunter, sowie den 3,7-Milliarden-Verlust der BayernLB durch den Kauf der Hypo Group Alpe Adria (HGAA). Über diesen Skandal-Deal scheint der tote Jörg Haider noch im Jenseits hämisch zu grinsen.

Die FDP machte auf ihrem Dreikönigstreffen die schlechteste Figur seit Jahren. Ob es daran lag, dass die Liberalen nun erstmals in der Regierung sitzen und ihre Rezepte erst in konkrete Politik umsetzen müssen, die dann den Praxistest bestehen muss? Der abgedroschene Dauergesang „Steuersenkungen“ beginnt allmählich zu leiern, speziell in Zeiten der drohenden Überschuldung. Hier hat die CSU noch so gerade die Kurve gekratzt und fordert nunmehr, vor weiteren Steuerdiskussionen erst einmal die nordrhein-westfälische Landtagswahl, pardon: die Steuerschätzung, im Mai abzuwarten. Auch wenn die FDP wütend immer wieder auf die Senkungsversprechen im Koalitionsvertrag hinweist: Alle derartigen Verheißungen stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Es muss sich zeigen, ob das Krisengespräch zwischen Kanzlerin Merkel, CSU-Chef Seehofer und FDP-Chef Westerwelle am Sonntag mehr als einen Waffenstillstand bringt.

Wobei wir bei der heftigen Debatte um Profil und Führungsstil an der Spitze der Regierung und der CDU wären, die deren Vorstandsklausur überschattete. Für viele Stammwähler der CDU heißt die Inkarnation von Profillosigkeit und Mangel an Gespür für konservative Themen Angela Merkel. Sie führe nicht, klagen ihre Kritiker, sondern moderiere nur. So lange sich die Kontrahenten in der Großen Koalition – CSU und SPD – in den Haaren lagen und Merkel sich nur zurück-lehnen musste, um zu moderieren, funktionierte das einigermaßen. Nun aber erwarteten Millionen Wähler klare bürgerliche, christlich-liberale Politik. Das profillose, taktisch begründete Weiter-nach-links-Gleiten der CDU müsste ein Ende haben.

Auch der Führungsstab, den Merkel um sich versammelt hat – Hermann Gröhe, Ronald Pofalla, Thomas de Maizère und Ursula von der Leyen – lässt nicht auf eine konservative Renaissance der CDU hoffen. Gut möglich, dass die Krise der CDU die Partei noch in eine Zerreißprobe stürzt, trotz aller Treueschwüre der Herren Koch, Carstensen, Böhmer. Die zweite Reihe, vor allem in den konservativen CDU-Verbänden der Süd- und Südwestländer, ist aufgewacht und wartet nur darauf, der ungeliebten Ost-„Mutti“ ein Bein zu stellen. Das dürfte sich noch verstärken, wenn erst Stefan Mappus, der klar als Merkel-Gegner und Exponent der CDU-Konservativen gilt, in Stuttgart die Nachfolge von Günther Oettinger angetreten hat.

Bei alldem gerät die größte Oppositionspartei SPD leicht aus dem Blick. Außer ein paar raunzigen Interview-Sprüchen des Vorsitzenden Gabriel ist momentan in der Tat wenig von ihr zu hören. Sie scheint darauf zu warten, dass die Linkspartei sich zerlegt, und bereitet schon den programmatischen Linksschwenk vor, um enttäuschte Lafontaine-Jünger wieder heimzuholen in den Schoß der „alten Tante“ SPD. Zumindest lassen die jüngsten Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz eine scharfe Abkehr von der einstigen eigenen Regierungslinie befürchten.             Anton Heinrich

Foto: Genervt von der Kritik aus der eigenen Regierung: Angela Merkel soll Führung zeigen.


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