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16.01.2010 / Die eigene Sprache der Fotos / Sie reden noch - wenn ihre Erschaffer schon lange tot sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Die eigene Sprache der Fotos
Sie reden noch - wenn ihre Erschaffer schon lange tot sind

Heimatliche Traditionen, Lebensgewohnheiten und Bräuche sind Marksteine eines Menschen. Sie können einmal schriftlich niedergeschrieben oder als Fotos dokumentarisch festgehalten werden. Beides sind Beweise der heimatlichen Sitten. Sie vermitteln uns, wie es einmal gewesen ist, und erleichtern uns so die gedankliche Spurensuche! Wir Ostpreußen, die wir 1945 die Heimat verlassen mussten und sie bis 1972 und später nicht besuchen durften, können kaum ermessen, um wie viel wir ärmer gewesen wären und um wie viel wir schwerer an unserem Schicksal getragen hätten, wenn wir vom Buch und von der Fotografie nichts gewusst hätten.

Für die zurückliegende Zeit bis 1945 war für uns Flüchtlinge und Vertriebene des Ostens außer dem Wort, Gedicht und Lied vor allem das Foto sehr wichtig, wenn es um die Erinnerungen der Vergangenheit ging. Wir waren kindlich beglückt, wenn wir in der ersten Zeit nach der Flucht und Vertreibung noch eine Fotografie unserer Angehörigen besaßen. Oft wurde das Foto zu einem kostbaren Geschenk, wenn Angehörige und Freunde nicht mehr lebten. Viele von uns haben auf dem monatelangen Fluchtweg alles verloren. Schickten uns dann Freunde oder Bekannte ein derartiges Foto, dann war es für uns ein Schatz von unermesslichem Wert. Damals kostete eine Aufnahme in der Heimat nur wenige Pfennige. Doch auf einmal ist dieses Bild für uns unbezahlbar geworden. Es besaß einen ungeheuren ideellen Wert, weil es einfach unersetzbar war.

Fotos drücken etwas aus! Sie haben ihre eigene Sprache und lassen Vergessenes wieder auferstehen. Sie erleichtern uns den Einstieg in Vergangenes. Oft wird das Wiedersehen mit dem Heimatbild zu einer Begegnung mit uns selbst. Der graue Alltag wird plötzlich zur Festlichkeit. Das auf dem Foto Dargestellte wird irgendwie zur Bühne, auf der auch wir in irgendeiner Weise mitgespielt haben.

Fotos haben für mich eine ungeheure Aussagekraft, ganz gleich, ob es sich auf dem Bild um Personen, Gebäude oder Landschaften handelt. Sie regen meine Phantasie und Gedanken an. Vor allem sind sie einmalige Beweisstücke der Vergangenheit, das es so und nicht anders war. Meine Familie hat nach 1945 nach einem Foto meines als Soldat verschollenen Vaters gesucht, weil wir keines von ihm besaßen. Sowohl meine Mutter als auch ich haben alle Papiere auf der Flucht verloren. Dabei sind alle Fotos abhanden gekommen. Uns ist es dann gelungen, unseren Vater auf einem Gruppenfoto zu finden. Die Dame war bereit, meinen Vater von einem Gruppenfoto als Einzelperson fotografieren zu lassen. Es ist das einzige Bild, das wir von unserem Vater besitzen. Ich habe jahrelang die Dorfzusammenkünfte besucht und immer wieder nach Fotos gefragt, auf denen mein Vater abgebildet ist. Leider waren bisher alle meine Bemühungen vergebens! Fotos sind Dokumente von ungeheurer Aussagekraft im Hinblick auf die Vergangenheit. Ich habe ihren unermesslichen Wert und Verlust selbst kennengelernt. Sie sind eine wunderbare Ergänzung zum Buch und lassen das Geschriebene viel verständlicher erscheinen!             Günter Schiwy


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