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23.01.10 / Wahl ohne Sieger / Politische Grabenkämpfe führten die Ukraine in die Pleite – Zukunft ungewiss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Wahl ohne Sieger
Politische Grabenkämpfe führten die Ukraine in die Pleite – Zukunft ungewiss

Die Ukraine hat gewählt. Dass am 17. Januar keiner der 18 Kandidaten die erforderliche Mehrheit erringen konnte, verwundert niemanden. Wahlforscher hatten vorausgesagt, dass sich erst bei der zweiten Wahlrunde am 7. Februar entscheiden würde, wer neuer Präsident der Ukraine wird. Sicher ist, dass Viktor Juschtschenko - und mit ihm die Westorientierung der Ukraine - verloren hat. 

„Die ukrainische Politik interessiert mich überhaupt nicht. Mir ist völlig egal, wer Präsident wird. Und Patriot bin ich auch nicht“, so der 25-jährige Bauarbeiter Wadim aus Kiew. Seine Stimme hat er im Internet zum Verkauf angeboten. So wie ihm geht es vielen in der Ukraine. Sie verkaufen ihre Stimmen meistbietend. Der Durchschnittserlös liegt bei umgerechnet 75 Euro.

Der Politikexperte Wolodimir Fesenko hält den Stimmenverkauf für einen Ausdruck von Enttäuschung und einer immer zynischer werdenden Haltung der Wähler gegenüber der Politik und den handelnden Personen. „Die Ukrainer haben kein Vertrauen in die große Mehrheit der Kandidaten“, lautet sein Urteil.

Gebrochene Wahlversprechen, der Gasstreit mit Russland, die Instabilität der Regierung, die schwindende Wirtschaftsleistung des Landes und das ständige Hin- und Her zwischen West- oder Ostorientierung der Ukraine haben die Menschen zermürbt. Politikverdrossenheit und Gleichgültigkeit sind die Folge.

Nie habe es in den 20 Jahren seit der Unabhängigkeit der Ukraine einen schmutzigeren, zynischeren und verlogeneren politischen Wahlkampf gegeben, so das Resümee der Presse. Die Spitzenkandidaten, allen voran der amtierende Präsident Viktor Juschtschenko und Premierministerin Julia Timoschenko ließen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig mit Intrigen und kompromittierenden Veröffentlichungen Schaden zuzufügen. Ausgezahlt hat sich die Dauerfehde indes für keinen der beiden.

Der 55-jährige Viktor Juschtschenko, der 2004 als Sieger aus der Orangenen Revolution hervorgegangen war und mit einer Amerikanerin verheiratet ist, galt als Hoffnungsträger für einen Demokratisierungsprozess in der Ukraine. Seine Forderung nach mehr Rechtsstaatlichkeit und eine schnelle Anbindung an die EU konnte er nicht umsetzen. Hatte der Westen nach der erfolgreichen  Revolution seine Direktinvestitionen in der Ukraine auf das Fünffache gesteigert, wanderten inzwischen über 30 Milliarden Dollar wieder ab. Der Export ukrainischer Waren in die USA brach 2009 um 90 Prozent ein. Durch die wiederholten Gasstreitigkeiten mit Russland, unter denen zeitweilig auch die Abnehmer der EU zu leiden hatten, hat Juschtschenko auch dort Zustimmung verloren. Die EU fordert die Umsetzung der Reformversprechen ein, der IWF hielt deshalb bereits Kredite zurück. Statt sich um die Sorgen des Volkes zu kümmern, hat Juschtschenko aus dieser schwachen Position heraus die Wahl zur Abstimmung über die Hinwendung der Ukraine zum Westen deklariert. Mit nur sechs Prozent der Stimmen ist er klarer Verlierer.

Julia Timoschenko, die 49-jährige Ex-Unternehmerin, erreichte 25 Prozent der Stimmen. Ihr wird ein Hang zur Rücksichtslosigkeit nachgesagt, sie plant jeden Schritt bis ins Detail. Perfekt gestylt und die Symbolik ihrer folkloristischen Zopffrisur gezielt einsetzend, hat sie ein perfektes Gespür dafür, wann sie volksnah, etwa bei Wahlveranstaltungen in Bergarbeitersiedlungen im Osten des Landes, oder als Grande Dame aufzutreten hat. Im Wahlkampf kündigte sie an, im Falle eines Wahlsieges noch 2010 mit der EU ein politisches Assoziierungsabkommen zu verhandeln und zu unterzeichnen. Gleichzeitig ist sie um eine Annäherung an Russland bemüht. Im November stellte Timoschenko ihr Verhandlungsgeschick unter Beweis, als sie bei einem Treffen mit ihrem russischen Amtskollegen Wladimir Putin auf Jalta die empfindlichen Strafzahlungen für nicht abgenommenes Gas abwenden und die Zustimmung Gazproms zur Erhöhung der Transitgebühren um 60 Prozent einholen konnte. Vor der Stichwahl werden sowohl Timoschenko als auch ihr Gegenspieler Janukowitsch Russland Hoffnungen auf eine Annäherung beider Staaten machen.

Als Sieger der ersten Runde lässt sich der pro-russische Viktor Janukowitsch, 59, feiern, der mit 35 Prozent die meisten Stimmen sammeln konnte, aber nicht die erforderliche Mehrheit bekam. Er steht für die Rückkehr zu Gesetz und Ordnung, seine „Partei der Regionen“ hat in der kommunistischen Wählerschaft viele Anhänger gefunden, die gegen Marktreformen und Westorientierung sind. Er steht wie Timoschenko einem Nato-Beitritt der Ukraine kritisch gegenüber. Bei der letzten Wahl galt er als bevorzugter Kandidat Russlands.

Zünglein an der Wage wird der politische Neuling Sergej Tigipko sein, der 13 Prozent der Stimmen erhielt. Der 49-jährige Ex-Banker positioniert sich mit seiner Partei „Starke Ukraine“ zwischen dem pro-russischen Kurs Janukowitschs und der national und europaorientierten Ausrichtung Timoschenkos. Der Ausgang der zweiten Wahlrunde wird davon abhängen, für wen seine Anhänger stimmen werden. Tigipko lehnt es bislang  jedoch ab,  eine Empfehlung für einen der Kandidaten abzugeben. Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Wahlplakat in Kiew: Die Menschen sind enttäuscht von ihrer Regierung, deren Fehler sie ausbaden müssen.


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