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23.01.10 / Krieg statt Unabhängigkeit? / Anstehendes Referendum im Südsudan macht Khartum nervös

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Krieg statt Unabhängigkeit?
Anstehendes Referendum im Südsudan macht Khartum nervös

Seit der Unterzeichnung des Autonomie-Abkommens am 9. Januar 2005, das einen 22 Jahre dauernden Sezessionskrieg mit über zwei Millionen Toten „beendete“, ist dieses Datum im Südsudan eine Art Nationalfeiertag. Das fünfjährige Jubiläum nahmen nun aber mehrere Hilfsorganisationen zum Anlass, vor einem neuen Kriegsausbruch zu warnen. Tatsächlich besteht Grund zu erhöhter Besorgnis – und der Konflikt lässt sich beileibe nicht auf „arabischer Norden gegen schwarzen Süden“ oder „Muslime gegen Christen“ reduzieren.

Etwa 70 Prozent der rund 40 Millionen Sudanesen sind Muslime, 25 Prozent Animisten und fünf Prozent Christen. Die leben – abgesehen von einigen Kopten – durchwegs im Süden, auf den ein Viertel der Gesamtbevölkerung entfällt.

Nur sehr wenige Sudanesen sind arabischer Herkunft. Die meisten sind Schwarzafrikaner oder arabisierte Mischlinge. So unterscheiden sich etwa die berüchtigten „arabischen Reitermilizen“ genetisch und religiös kaum von der terrorisierten Bevölkerung in Darfur, und die im Abkommen festgelegte Grenze zwischen Norden und Süden folgt den in der Kolonialzeit gezogenen willkürlichen Provinzgrenzen.

Zur Zuspitzung der Lage beigetragen hat einerseits die wachsende Unzufriedenheit im Süden, denn das Autonomie-Abkommen wurde bisher nur teilweise umgesetzt – und auch die seither hausgemachten Probleme werden gerne der Zentralregierung angelastet.

Andererseits hat die im Norden schon seit der Kolonialzeit bestehende antiwestliche und christenfeindliche Stimmung in den letzten Jahren kräftige Impulse erhalten, vor allem durch das militärische Eingreifen des Westens in islamischen Ländern. Dazu kommt die Missionstätigkeit amerikanischer evangelikaler Sekten im Süden. Und der Internationale Strafgerichtshof hat mit dem 2008 gegen Staatspräsident Omar Al-Baschir verhängten Haftbefehl – ähnlich wie mit anderen Entscheiden, die ebenfalls juristisch begründet sein mochten – zu weiterer Verhärtung beigetragen.

Das Abkommen von 2005 war überhaupt nur zustande gekommen, weil es dem Süden für 2011 ein Plebiszit über die volle Unabhängigkeit zugesteht und weil Khartum davon ausging, dass dieses zugunsten des Staatserhalts ausfallen würde. Heute, ein Jahr vor dem Stichtag, zeichnet sich allerdings das gegenteilige Ergebnis ab. Und die Zentralregierung wird das nicht einfach hinnehmen – wenn es überhaupt zur Abstimmung kommt. Denn es geht um den Großteil der sudanesischen Ölreserven und um andere Bodenschätze.

Dabei hat Al-Baschir gute Karten. Denn China deckt ein Zehntel seines Ölbedarfs aus dem Sudan, ist der größte Investor und Waffenlieferant und wird gegebenenfalls auch UN-Resolutionen blockieren. Die USA hingegen können es sich kaum leisten, in einen weiteren Stellvertreterkrieg hineingezogen zu werden, und die Völker des Südsudan, die zum Teil in uralter Fehde um Weiderechte liegen, lassen sich leicht gegeneinander ausspielen. Richard G. Kerschhofer


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