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23.01.10 / Als die FDP noch nationalbewusst war / Vor 50 Jahren wurde Erich Mende Vorsitzender der Liberalen – Kontrast zu Genscher und Westerwelle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Als die FDP noch nationalbewusst war
Vor 50 Jahren wurde Erich Mende Vorsitzender der Liberalen – Kontrast zu Genscher und Westerwelle

Der Preuße Erich Mende repräsentiert wie kein anderer FDP-Chef den nationalen Flügel der Nachkriegsliberalen. Am 29. Januar 1960 wählten die Freidemokraten ihn auf ihrem 11. Parteitag in Stuttgart zum Bundesvorsitzenden.

Bereits Erich Mendes Vater, ein Volksschullehrer, wird als streng nationalbewusst beschrieben. Nach dem Abitur trat der am 28. Oktober 1916 im oberschlesischen Groß Strehlitz geborene Sohn in die Wehrmacht ein. Dort brachte er es bis zum stellvertretenden Kommandeur eines Infanterie-Regimentes im Range eines Majors. In Polen erhielt er die 2. Klasse und in Frankreich die 1. Klasse des Eisernen Kreuzes sowie in der Sowjetunion das Deutsche Kreuz in Gold. Des Weiteren wurde er mit der Nahkampfspange in Bronze und schließlich mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet. Kurz vor Kriegsende gelang es ihm, die letzten 400 Mann seiner Division per Schiff nach Swinemünde zu bringen.

Mende zahlte für seinen Einsatz einen hohen Preis. Dreimal wurde er verwundet. Mit 30 Prozent Kriegsbeschädigung ging er aus dem Zweiten Weltkrieg heraus. Aber gebrochen ist er nicht. Im von den Siegern beherrschten Nachkriegsdeutschland gehört er zu den ersten, die sich zu ihrem Ritterkreuz bekennen, indem sie es tragen. Seine Solidarität mit den Kriegskameraden wie mit den Schickalsgenossen endet nicht mit dem Kriegsende. Mit besonderem Nachdruck setzt er sich im Deutschen Bundestag für die Kriegsgefangenen und -verurteilten sowie die Vertriebenen ein. Die Verteidigung der Ehre der Soldaten war ihm ebenso ein Anliegen wie die Wiedervereinigung. Für seine Verdienste um die Verhinderung der Sprengung des Marineehrenmals in Laboe verlieh ihm der Deutsche Marinebund 1983 das Goldene Eichenblatt. Im Gegensatz zu Konrad Adenauer und Walter Ulbricht, die eine starke Bindung ihres Teilstaates an die Besatzungsmächte erstrebten, trat er 1959 mit einem Deutschlandplan an die Öffentlichkeit, der ein souveränes, neutrales Gesamtdeutschland vorsah. Die sozialliberale Ostpolitik ab 1969 mit ihrer Annäherung an das SED-Regime und die Vertreiberstaaten ließ den Ostdeutschen so sehr eine Zementierung der deutschen Teilung fürchten, dass er deswegen 1970 sogar die Partei wechselte. Der Kontrast zu den Positionen von Genscher und heute Westerwelle ist augenfällig.

Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges hatte für den Berufssoldaten zur Folge, dass ihm neben der Rückkehr in die Heimat auch die Fortführung seines Berufes versagt war. Ab 1945 studierte er Rechts- und politische Wissenschaften. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen promovierte er 1949 über ein politologisches Thema: „Das parlamentarische Immunitätsrecht in der Bundesrepublik Deutschland und ihren Ländern“. Mende wurde Dozent für politische Wissenschaften.

Der Politologe beschäftigte sich jedoch nicht nur wissenschaftlich mit der Politik, sondern er betrieb sie auch. Da der westdeutsche Staat bundespolitische Arbeit faktisch nur in Parteien ermöglicht, stand Mende nun vor der Qual der Wahl. Das Vaterhaus hätte die CDU nahegelegt. Der Vater war Stadtverordneter des Zentrums gewesen und Erich selber hatte sich schon früh im katholischen Jugendbund „Quickborn“ betätigt. Warum er nach dem Krieg trotzdem statt in die Union in die FDP eintrat, begründete er selbst: „In meiner Heimat Schlesien gab’s kaum Liberale. Da war immer das Zentrum sehr stark. Ich neigte auch eher in diese Richtung. Franz Meyers, den ich gut kannte, wollte mir in Köln bei der CDU eine Anstellung verschaffen. Doch dann wurde Adenauer, der Kölner Oberbürgermeister, von den Briten abgesetzt. Ich sollte Organisator der CDU in Düsseldorf werden. Aber bevor es dazu kam, brachte mich ein Kriegskamerad in Verbindung mit Middelhauve. Das war reiner Zufall, dass ich im Februar 1946 bei der FDP war und nicht bei der CDU. Das war keine Überzeugung. Das war, wenn Sie so wollen, ein Stück Opportunismus.“

Als 1949 das Grundgesetz in Kraft trat, wurde Mende in den Bundestag gewählt und Fraktionsgeschäftsführer. Acht Jahre später, 1957, trat Thomas Dehler – Jüngeren oft nur durch die nach ihm benannte FDP-Parteizentrale in Bonn und Berlin bekannt – als Partei- und Fraktionsvorsitzender der FDP zurück. Während Reinhold Maier den Parteivorsitz übernahm, trat der bisherige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Erich Mende an die Spitze der Bundestagsfraktion. Drei Jahre später, am 29. Januar 1960, wurde Mende auch zum Vorsitzenden der Partei gewählt. Erstmals führte die bundesdeutschen Liberalen damit ein Ostelbier und Altpreuße.

Bei der vierten Bundestagswahl im Jahr darauf setzte der neue Mann an der Spitze der FDP auf das Wählerklientel, das eine bürgerliche Regierung, aber nicht (mehr) den „Alten aus Rhöndorf“ wollte. Mit der Wahlparole „Mit der CDU ohne Adenauer“ holte Mendes Partei nach der Schlappe von 1957 mit weiland 7,7 Prozent diesmal 12,8 Prozent. Das war das bis dahin beste Ergebnis. Die FDP konnte die harten Oppositionsbänke wieder verlassen.

Allerdings standen die Liberalen ähnlich wie heute vor der schweren Aufgabe, ihr Wahlversprechen einzulösen. Sie verzichteten auf einen Sturz Adenauers und ließen sich auf einen Kompromiss ein. Eine halbe Legislaturperiode lang stützte die FDP entgegen ihrer Wahlkampfparole Adenauer an der Spitze einer christlich-liberalen Regierung. Als Feigenblatt verzichtete Mende während dieser Zeit auf einen Posten in der Regierung.

1963 löste dann Ludwig Erhardt Adenauer als Kanzler ab und Mende trat als Vizekanzler in die Regierung ein. Entsprechend seinem Interesse an der deutschen Frage wurde er Minister für gesamtdeutsche Fragen. Diese Ämter behielt Mende auch nach der Bundestagswahl von 1965, wo die in den Augen vieler „umgefallene“ FDP auf 9,5 Prozent zurückfiel. Allerdings ist der Wahlverlust nicht nur auf die Verlängerung der Kanzlerschaft Adenauers mit Unterstützung der FDP zurückzuführen. Vielmehr hatte die CDU mit dem Wirtschaftspolitiker Ehrhardt nun einen Spitzenkandidat, der auch für die wirtschaftsliberale FDP-Klientel attraktiv war.

Trotz der Beliebtheit des Kanzlers bei Unions- wie FDP-Wählern scheiterte er 1966. Der Höhepunkt des „Wirtschaftswunders“ war überschritten und die Verteilungskämpfe begannen. Vor dem Hintergrund, dass 1966 US-Präsident Lyndon B. Johnson hohe zusätzliche Zahlungen für Besatzungskosten und den Vietnamkrieg einforderte sowie eine Rezession mit drastisch steigenden Arbeitslosenzahlen einsetzte, erwog Ehrhardt Steuerhöhungen. Aus Protest hiergegen ließ Mende die christlich-liberale Regierungskoalition platzen.

Es ist eine Ironie des Schicksals, um nicht von einer Tragik zu sprechen, dass Mende mit seinem entschiedenen Widerstand gegen eine wirtschaftspolitisch linke Maßnahme, nämlich eine Steuerhöhung, den Linksruck in der Bundesrepublik befördert hat. Der christlich-liberalen Koalition von Ehrhardt und ihm folgte nämlich die Regierungsbeteiligung der SPD in der Großen Koalition und schließlich 1969 eine SPD-geführte Koalition mit einer zwischenzeitlich nach links gerückten FDP. Diesen Linksruck seiner Partei anzuführen, war Mende der falsche Mann. 1968 wurde er zur Niederlegung des Parteivorsitzes gezwungen, 1970 wechselte er zur CDU, 1980 schied er aus dem Bundestag aus. Am 6. Mai 1998 starb er in Bonn. Manuel Ruoff

Foto: Erich Mende: Vorsitzender der Freien Demokraten bis 1968


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