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23.01.10 / »Schaff Gold, Böttger!« / 300 Jahre Meißener Porzellan: Die Kostbarkeiten mit den zwei gekreuzten blauen Schwertern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

 

»Schaff Gold, Böttger!«
300 Jahre Meißener Porzellan: Die Kostbarkeiten mit den zwei gekreuzten blauen Schwertern

Auf Geheiß des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I., vom Volksmund „August der Starke“ genannt, wurde am 23. Januar 1710 die Porzellan-Manufaktur Meißen gegründet. In einem „allerhöchsten Dekret“ verfügte der Monarch die Fertigung des „Ost-Indianischen Porcellain“, das dem Original aus dem Fernen Osten in nichts nachstehen sollte. 2010 feiert diese deutsche Luxusmarke – übrigens die Nummer Zwei gleich hinter Porsche – ihren 300. Geburtstag.

Meißen! Welche Magie geht von diesem Namen aus. Wenn auch viele Ausländer – zumal Amerikaner – häufig nicht einmal wissen, wo diese von der mächtigen Albrechtsburg und dem spätgotischen Rathaus beherrschte Stadt liegt, so ist ihnen eines bekannt: Hier wird das schönste und kostbarste Porzellan der Welt hergestellt. Doch das ist noch nicht alles. Meißen – oder genauer gesagt – die hoch über der Elbe thronende Albrechtsburg ist die Geburtsstätte des europäischen Porzellans. Hinter ihren dicken Mauern wurde 1708 das erste Porzellan auf dem Alten Kontinent erfunden. Zuvor war Europa auf die teuren Importe aus China angewiesen.

Die Europäer versuchten zwar, an das Rezept seiner Herstellung heranzukommen. Aber die Herren im Reich der Mitte hüteten das Geheimnis wie ihren Augapfel.  Eigentlich war die Erfindung des „weißen Goldes“ in Meißen ein genialer Irrtum. Denn August der Starke, der mächtige Kurfürst von Sachsen, hatte den selbsternannten, etwas großmäuligen Alchimisten Johann Friedrich Böttger aus dem Vogtland vor den Häschern des preußischen Königs Friedrich I. gerettet, damit er ihm Gold mache. Der Prunk liebende Mo-narch benötigte für seine ehrgeizigen Bauprojekte jede Menge davon. Und damit der Bursche ihm nicht entkam, setzte er ihn kurzerhand auf der Albrechtsburg fest. Unter der Aufsicht martialischer Wachen gab es kein Entkommen. Die ständige Ausstellung auf der Albrechtsburg „Schaff Gold, Böttger“ demonstriert, unter welchen Bedingungen Böttger unter Anleitung des Naturforschers und Philosophen Ehrenfried von Tschirnhaus seine Versuche durchführen musste. Eine Reihe von Gerätschaften sind auf der „Bühne“ ausgestellt – Kolben, Zangen, Tiegel sowie ein großer Blasebalg. Mit diesen einfachen Mitteln wollte man seinerzeit die Herstellung des Edelmetalls erreichen. Ein Fanfarenstoß verkündet den Beginn der Schau. Das Licht erlischt, Funken sprühen, Rauchschwaden steigen auf. Der staunende Besucher nimmt teil an einer faszinierenden Versuchsreihe und Brennprozessen, die schließlich im Jahre 1708 per Zufall in der Produktion des ersten strahlend weißen Porzellans auf europäischem Boden endeten. Für den Monarchen erwies sich die Erfindung des „weißen“ Goldes als noch einträglicher, als es das blanke Metall gewesen wäre. Denn was in Europa Rang und Namen hatte, riss sich von Stund’ an um das Porzellan aus Meißen. Die Manufaktur konnte der Nachfrage kaum Herr werden. August der Starke hielt übrigens sein Versprechen, Johann Friedrich Böttger nach getaner Arbeit aus der „Haft“ zu entlassen.

Durch die ungesunden chemischen Dünste, die er in seinem Laboratorium jahrelang einatmen musste, war der geniale Erfinder gesundheitlich schwer angeschlagen. Dennoch leitete er die am 23. Januar 1710 qua königlichem Dekret offiziell gegründete Meißener Porzellanmanufaktur bis zu seinem Tode mit großer Umsicht.

Wer die schönsten Objekte der Meißener Porzellanmanufaktur in der Ausstellung vermutet, wird enttäuscht. Stattdessen klären den Besucher in Vitrinen ausgestellte Objekte über verschiedene Besonderheiten der Herstellung des kostbaren Materials auf. Wer weiß schon, dass beim Brennvorgang 16 Prozent der Masse verloren gehen? Für den „Glattbrand“ wird die Temperatur auf 1450 Grad hochgefahren. Früher nannte man die mit Holz befeuerten

Brennöfen „Glückstöpfe“, weil man nie sicher sein konnte, was bei dem Brennprozess herauskommen würde.

Das Holz gelangte bequem von Böhmen über die Elbe nach Meißen. Und 150 Jahre lang war die Albrechtsburg Produktionsstätte des Porzellans. Das für die Herstellung notwendige Kaolin (Porzellanerde) wurde aus dem 80 Kilometer entfernten Aue herangeschafft. Später fand man eine wesentlich bessere Qualität beim Bau eines Hauses ganz in der Nähe. Wenn auch die modernen Öfen mit Gas beheizt werden, ergeben sich heute auch noch gelegentlich „Missbildungen“. Da kleben etwa mehrere Porzellanlöffel zusammen, ein Teller weist eine bizarre durchgebogene Form auf, und eine anmutige chinesische Vase in strahlendem Mingblau ist so schief wie der Turm von Pisa. Wie es zu diesen Fehlern kommen konnte, verraten Schilder neben den Vitrinen.

Den Zauber einer intakten Porzellanwelt erlebt der Besucher in den Schauräumen der Meißener Porzellanmanufaktur an der Talstraße 9. Dort sind die kostbarsten Produkte aus 300 Jahren ausgestellt: Die filigranen, elegant bemalten und reich mit Gold verzierten Teller und Tassen sowie Tafelaufsätze und anmutige Figurinen, Chinoiserien und „indische“ Muster aus dem 18. Jahrhundert begeistern jeden Besucher.

Doch Meißen stellt auch erlesenes modernes Geschirr her, entworfen von bekannten Designern. Jedes Stück wird wie eh und je vollständig von Hand gefertigt und mit den gekreuzten Klingen des berühmten kobaltblauen Schwertes versehen. Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen erhielt 2008 den „KulturPreis Europa“. Eine ideelle Auszeichnung, mit der hervorragende kulturelle Leistungen geehrt werden.             Uta Buhr

Die Jubiläumsausstellung im Porzellan-Museum läuft bis 31. Dezember montags bis sonntags von 9 bis 18 Uhr (1. Mai bis 31. Oktober) und von 9 bis 17 Uhr (1. November bis 30. April) unter dem Titel „All Nations are Wel-come“, Eintritt 8,50 / 4,50 Euro.

Foto: Meißen feiert: Barock-Figurinen wurden zu einer vergnügten Gesellschaft dekorativ zusammengestellt.            Bild: Porzellanmanufaktur Meißen


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