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30.01.10 / In der Falle des künstlichen Wachstums / Zwar ist Chinas Wirtschaft offiziell um 8,5 Prozent gewachsen, doch der Preis hierfür ist hoch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-10 vom 30. Januar 2010

In der Falle des künstlichen Wachstums
Zwar ist Chinas Wirtschaft offiziell um 8,5 Prozent gewachsen, doch der Preis hierfür ist hoch

Droht 2010 ein China-Crash? Den sagt der US-Hedgefondsmanager James Chanos voraus, der bereits die Enron-Pleite vorhersah. Oder ist das von ihm entworfene Szenario absurd, wie der US-Investmentguru Jim Rogers behauptet? Fakt ist, dass die chinesische Wirtschaft zahlreiche Risiken aufweist. Das hat auch Peking erkannt.

Nur wenige Tage nachdem die Medien vermeldet hatten, dass die chinesische Wirtschaft trotz Weltwirtschaftskrise um 8,5 Prozent gewachsen sei, war den Wirtschaftsspalten der seriösen Blätter folgende Randnotiz zu entnehmen: „Die chinesische Zentralbank möchte Liquidität aus dem Bankensystem nehmen, um das Tempo des Kreditwachstums zu verlangsamen und erhöht den Mindestreservesatz.“ Dies zeigt an, dass Peking eine Überhitzung seiner Wirtschaft sowie das Platzen fauler Kredite befürchtet und nun Gegenmaßnahmen ergreift. Wenige Tage später wurde bekannt, dass die Regierung in Peking die Banken in ihrem Land angewiesen hat, im Januar keine weiteren Kredite mehr zu gewähren. Auch ordnete die Zentralbank an, dass 2010 maximal Kredite in Höhe von umgerechnet 800 Milliarden Euro ausgegeben werden dürften. 2009 waren es noch über eine Billion Euro.

Diese Eingriffe der kommunistischen Regierung im Reich der Mitte sind ein eindeutiges Indiz dafür, dass die vom US-Hedgefondsmanager James Chanos prophezeite China-Blase nicht aus der Luft gegriffen ist. Doch anders als bei der Bankenkrise in den USA interveniert hier die Regierung möglicherweise noch rechtzeitig. Denn auch wenn China an hohen Wachstumsraten gelegen ist, so ist ein wie auch immer gearteter Crash nicht hinnehmbar. Allerdings ist Peking im letzten und vorletzten Jahr, als der Export in den Westen − vor allem in die USA − wegen der Banken- und der ihr folgenden Wirtschaftskrise massiv einbrach, gleich mehrere Risiken eingegangen, um trotz Krise den Export insgesamt zu steigern.

So hielt das Land den Yuan künstlich niedrig, um die Exportwaren zu verbilligen. Hierfür musste die Zentralbank immer mehr im Wert sinkende Dollar kaufen. Zudem verärgern Chinas verbilligte Exporte zahlreiche Staaten. Bis jetzt begehren andere Staaten erst vereinzelt gegen Pekings Währungspolitik auf − so hat Indien bereits bei der Welthandelsorganisation eine Dumpingklage eingereicht −, doch früher oder später drohen Handelskriege. Das weiß auch die kommunistische Führung, doch in dem Moment, in dem der Yuan auch nur um wenige Prozente aufgewertet wird, können viele Hersteller nicht mehr wirtschaftlich produzieren. Firmenpleiten drohen. Zudem kann das Land seine vielen Waren auch nur absetzen, weil sie zu Dumping-Preisen die Märkte überschwemmen. Nähern sich die Preise jedoch den realen Produktionskosten an, produzieren andere Länder oft billiger und die Chinesen bleiben auf ihren Waren sitzen, was ebenfalls Unternehmenspleiten mit sich brächte.

Als aufgrund der Krise bereits Ende 2008 viele Fabriken schließen mussten, musste ein Ersatz für die wegfallenden Arbeitsplätze her. Die Regierung legte ein Konjunkturpaket in Höhe von 400 Milliarden Euro auf, die Provinzregierungen legten 1,6 Billionen Euro drauf. So konnten alleine bei dem Ausbau des 16000 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsbahnnetzes Hundertausende arbeitslos gewordene Wanderarbeiter beschäftigt werden. Überall schießen im Land monströse Betonpfeiler aus dem Boden, es werden Millionen Eisenbahnschienen verlegt und zig Brücken gebaut. Das dazu benötigte Material kommt aus zumeist unrentablen Staatsbetrieben. Diese bleiben so künstlich ausgelastet. Gleichzeitig werden neue Werke aus dem Boden gestampft, wohlwissend, dass hier weitere Überkapazitäten entstehen.

Der größte Investor bei allem ist der Staat. Seine Investitionsquote lag im ersten Halbjahr 2009 bei 45 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Doch China braucht Wachstum, um dem Streben seiner 1,3 Milliarden Einwohner nach steigendem Wohlstand entgegenzukommen. Und so waren Kredite − zumindest bis vor kurzem − für alle billig zu haben. „Die Unternehmen sind so vollgestopft mit billigem Geld, dass sie gar nicht wissen, wohin damit“, gibt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in Peking, zu bedenken. Und wer das billige Geld nicht direkt in Unternehmen investiere, spekuliere stattdessen an der Börse oder auf dem Immobiliensektor. „Das Kreditwachstum ist exzessiv und führt zu Blasen im Immobilien- und Aktienmarkt“, warnte im August 2009 Wu Xiaoling, die bis 2008 stellvertretende Gouverneurin der chinesischen Zentralbank gewesen ist. Das billige Geld führt dazu, dass über Bedarf Wohnungen und Büros gebaut werden. Doch inzwischen steigen die Preise nicht mehr, sondern sinken, da viele Häuser keine Mieter finden.

Auch führt die Tatsache, dass viele Bezirksregierungen defizitären Betrieben lieber einen weiteren Kredit beschaffen, als dessen Schließung zu riskieren und durch ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit die Bevölkerung gegen sich aufzubringen, dazu, dass viele Kredite bereits vom Moment der Vergabe an „faul“ sind. Experten schätzen, dass bei 30 bis 40 Prozent der laufenden Kredite keine Chance auf vollständige Rückzahlung besteht. Dies schließt auch die neuerdings in China immer beliebter werdenden Konsumkredite ein. Peking will, dass endlich ein nachfragestarker Binnemarkt entsteht, und subventioniert sogar den Kauf von Elektrogeräten direkt.

Ob Währungsabwertung, billiges Geld, Ausbau von Überkapazitäten oder die Entstehung von Spekulationsblasen: Experten hoffen, dass Peking genügend gegensteuert, bevor auch nur eines dieser Risiken zum befürchteten Crash führt. Der erste Schritt wurde immerhin mit dem Zurück-fahren der Kreditvergabe getan.

Rebecca Bellano

Foto: Infrastrukturprogramm: Hunderttausende der entlassenen Wanderarbeiter setzen jetzt Schienen.            Bild: pa


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