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06.02.10 / Furcht vor dem Gitterblick / Europa: Politiker, Publizisten und Menschenrechtler streiten über die Burka

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-10 vom 06. Februar 2010

Furcht vor dem Gitterblick
Europa: Politiker, Publizisten und Menschenrechtler streiten über die Burka

Die Burka, Symbol der Unterordnung der Frau, ist nicht mehr nur im Straßenbild Afghanistans auszumachen, gänzlich Verschleierte flanieren zunehmend auch durch europäische Städte. Ein kommunistischer Bürgermeister brachte das Thema in Frankreich in die Nationalversammlung. Von der Grande Nation inspiriert streiten jetzt Politiker, Publizisten und Menschenrechtler europaweit, ob oder wie solche Gewänder aus dem öffentlichen Raum verbannt werden können. Dabei entstehen ungewohnte Parteibündnisse. Studien über die Zahl der Burkaträgerinnen werden erstmals von nationalen Regierungen in Auftrag gegeben und – im Fall Dänemarks – wieder verworfen. Die Frage ist jedoch keine symbolische oder verfassungstheoretische mehr, wie der Fall zweier Bonner Schülerinnen zeigt. Sie gingen nach den Osterferien in der Burka zur Schule, wurden dafür zwei Wochen vom Unterricht suspendiert. Eine der beiden, eine 18-jährige Deutsch-Türkin, meldete sich jetzt von der Gesamtschule ab, um das Gewand weiter tragen zu können.

Als vermeintlicher Kulturkampf gegen den Islam eignet sich der aktuelle Burka-Streit nicht – das zeigt das Bonner Beispiel. Die Eltern beider Mädchen lehnen deren Burka-Faible ab. Gerade muslimische Mitschüler stritten mit den zweien, während die deutschen verstört reagierten, so die zuständige Bezirksregierung. In der deutschen Bundespolitik ist dagegen keineswegs Konsens, dass es im Sinne gelingender Integration geboten wäre, einer Radikalisierung, wie sie durch Tragen der Burka sichtbar wird, vor allem im Sinne weltlich-westlicher hiesiger Muslime zu bekämpfen. Das zeigt die Haltung der SPD: Burka-Verbot – nein, irgendwie zurückdrängen – ja. Doch wie? Niederländische Sozialdemokraten wie Job Cohen, Bürgermeister von Amsterdam, schlagen bereits die Kürzung von Arbeitslosengeld vor, sollten Burka-Trägerinnen keinen Job finden und sich weigern, diese Kleidung aufzugeben.

Über den neuen Trend, dass Euro-Muslimas mitunter selbst zu Burka, Nikab und Tschador greifen, als Zeichen freiwilliger Diskriminierung im Sinne bewusster Unterscheidung, empört sich Europa. So zitiert das polnische Nachrichten-Portal „Polskaweb“ den Rektor der Thomas-Morus-Hauptschule in Berlin Neukölln. Dort käme es zu Übergriffen durch verschleierte Mädchen. Opfer seien „meist Polinnen“ – der Grund: blonde Haare und katholische Gesinnung. In Großbritannien provozierte der britische Staatsbürger und Anwalt Anjem Choudary, Führer mehrerer inzwischen teils verbotener islamistischer Gruppen, schon im März 2009 mit der Forderung, alle Britinnen müssten gezwungen werden, die Burka zu tragen, ob gläubig oder nicht. Trotz Debatte um seine Ausweisung blieb das für Choudary folgenlos. Nun bildet Frankreichs vom Parlament berufene Enquete-Kommission zur Verschleierung die Speerspitze der Diskussion. Die lehnt ein gesetzliches Burka-Verbot auf der Straße mehrheitlich ab. Stattdessen empfiehlt sie einen gesetzlichen Bann für Bus und Bahn. Wer die Burka mit ihrem Gitterblick oder eine andere Form des Vollschleiers, beispielsweise den Nikab, trägt, erhält dann keinen Zugang zum Nahverkehr mehr – so die Idee. Es ist eine Initiative, die für Ballungsräume wie Paris Folgen haben könnte. Der Wille zu konsequenter Umsetzung erlahmt jedoch in Frankreich wie in anderen Staaten aufgrund rechtlich-freiheitlicher Bedenken zur Wahl der Mittel. Busfahrer sollen nach der Kommissionsidee die Betreffenden einfach nicht befördern. Folge: Der Bus müsste mit allen Fahrgästen warten, bis die Verschleierte von allein aussteigt. Statt Strafe setze man auf Einsicht, so Kommissionschef André Gerin. Der kommunistische Abgeordnete sagt: „Es geht nicht darum, die Frauen zu bestrafen, sondern wir wollen den Fundamentalismus zurückdrängen.“ In seinem Buch „Les ghettos de la République“ setzte sich Gerin damit auseinander, wie islamische Fundamentalisten seit den 80er Jahren in von Gerins Partei traditionell bedienten Vorstädten immer mehr Raum einnehmen.

Eine schleichende Landnahme, gegen die viele Europäer sich ohnmächtig fühlen. Die in Dänemark regierende Koalition aus Links-Liberalen, Konservativen und Dänischer Volkspartei prüft gesetzliche Beschränkungen intensiver Verschleierung. Ein ursprünglich interner Bericht spricht von 100 bis 200 Frauen landesweit.

In der Schweiz bedauert die Präsidentin des „Forums für einen fortschrittlichen Islam“, Saida Keller-Messahli, dass eine politische Burka-Auseinandersetzung wie in Frankreich durch den Schweizer Bundesrat abgewürgt worden sei. So wird es wohl in den meisten Ländern beim theoretischen „Ächten“ bleiben.         Sverre Gutschmidt


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