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06.02.10 / »Jude, reich und talentiert« / Max Liebermann wurde zum führenden deutschen Impressionisten – Zuvor aber empörte er die Bürger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-10 vom 06. Februar 2010

»Jude, reich und talentiert«
Max Liebermann wurde zum führenden deutschen Impressionisten – Zuvor aber empörte er die Bürger

Er hat mit seiner Kunst die Gemüter bewegt, und er hat die Kunst in Deutschland ein Stück weit nach vorn gebracht. Max Liebermann, der Künstler und Kunstpolitiker, starb vor 75 Jahren.

Die Empörung war groß: Der Sohn Gottes ein schmutziger, „naseweiser Juden-Bengel“? Unerhört! Kaum ein Liebermann-Gemälde hat solch einen deutschlandweiten Skandal hervorgerufen wie „Der zwölfjährige Jesus im Tempel“ von 1879. Man entrüstete sich über die ungewohnt naturalistische Darstellung des Jesusknaben. Und überhaupt: Wie konnte er als jüdischer Maler es überhaupt wagen, das christliche Thema zu malen? Die öffentliche Empörung war so groß, dass sich sogar der Bayerische Landtag damit beschäftigte. Liebermann selbst war letzt-endlich so „beeindruckt“, dass er mehr oder weniger Abstand von religiösen Themen nahm. Anerkennung dagegen fand er in der Haltung des Prinzregenten Luitpold aus dem Hause Wittelsbach, der den Maler in seinem Münchner Atelier besuchte. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung der Münchner Sezession, auf der das umstrittene Gemälde zum ersten Mal zu sehen war, bat er um einige Erläuterungen zur Kunstbetrachtung. Liebermanns Kollegen hätten das Bild so hoch gepriesen, dass er dessen künstlerische Besonderheiten kennenlernen wolle.

Eine Ausstellung in der Liebermann-Villa am Berliner Wannsee präsentiert derzeit das Skandalbild erstmals zusammen mit allen erhaltenen Vorarbeiten, Ölstudien, Skizzen und Zeichnungen. Sie gibt Aufschluss über seine Entstehung und zeigt Liebermanns Vorbilder: Werke von Adolf Menzel, Rembrandt und anderen Künstlern. Dokumente und Texttafeln veranschaulichen die historische Kontroverse. Auf außergewöhnliche Art und Weise verbindet die Ausstellung damit Kunst-, Kultur- und Zeitgeschichte.

Es war nicht das erste Bild, mit dem Max Liebermann das Publikum erschreckte. Schon 1872 hatten seine „Gänserupferinnen“ Entrüstung bei den Besuchern einer Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle hervorgerufen. Frauen bei einer solchen Arbeit darzustellen – undenkbar. Liebermann war bald als „Arme-Leute-Maler“ verschrien. Und gar erst das Porträt, das er 1890 im Auftrag des Kunsthallendirektors Alfred Lichtwark von Bürgermeister Carl Friedrich Petersen malte! Die Hamburger Kunstwelt – und auch der Porträtierte – waren derart entsetzt von der Darstellung, dass Liebermanns Werk jahrelang (bis 1905) hinter einem Vorhang in der Kunsthalle verborgen bleiben musste.

Bald aber wuchs das Interesse der Sammler und Kunstfreunde am Schaffen des Malers, hatte Liebermann doch mittlerweile neue Themen und die Sichtweise der Impressionisten für sich entdeckt. Seine Freundschaft mit Alfred Lichtwark, der ihn erst mit der Stadt an der Elbe und ihren Menschen bekanntmachte, tat das ihre. Lichtwark war es, der für seine Sammlung von Bildern aus Hamburg Werke von Max Liebermann einforderte. Im Juli / August 1902 war Liebermann dann auf Einladung Lichtwarks in Hamburg, wo er in dem schon damals vornehmen Hotel Jacobs an der Elbchaussee wohnte. Es entstanden Skizzen und Studien für Arbeiten, die er später in seinem Berliner Atelier ausführte, darunter auch die berühmte Ansicht der Terrasse im Restaurant Jacobs. Insgesamt 23 Arbeiten entstanden, und alle – Gemälde, Pastelle und Zeichnungen – wurden von der Hamburger Kunsthalle angekauft. Lichtwark war froh, „denn dem in Liebermanns Art nicht Eingeweihten erleichtern sie den Zugang, und dem Freunde seiner Kunst gewähren sie den Genuss des Miterlebens“.

Ausgedehnte Studienreisen hatten den 1847 in Berlin geborenen Spross einer großbürgerlichen jüdischen Unternehmerfamilie schon früh nach Frankreich (1873–78) geführt. Holland wurde ihm über 40 Jahre hinweg zur jährlich besuchten „Malheimat“. Statt sozialer Anklage suchte Liebermann unverstellte Natürlichkeit und fand dabei die „Poesie des einfachen Lebens“. Um die Mitte der 1890er Jahre begann Liebermanns aktive Auseinandersetzung mit dem Impressionismus. In den holländischen Seebädern Scheveningen und Noordwijk malte er vor der Weite der unendlichen Dünenlandschaft und des Meeres mit lockeren Pinselstrichen und leuchtenden Kreidefarben, oft nur skizzenhaft angedeutet, die bunte Ferienwelt städtischer Sommerfrischler,  Szenen und Panoramen, die seinen Ruf als führenden deutschen Impressionisten begründen. Der Stellung Liebermanns im Kreise der deutschen Impressionisten kann der Besucher einer Ausstellung im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte nachgehen. Sie zeigt Werke von Mitgliedern der 1898 gegründeten Berliner Sezession aus dem Bestand der Alten Nationalgalerie, darunter solche von Max Slevogt, Lovis Corinth und Walter Leistikow. Bereits 1892 hatte Max Liebermann sich mit dem Bromberger Leistikow zusammengefunden und die „Gruppe der XI“ gegründet, einen Vorläufer der Berliner Sezession. 1899 stand er als Präsident dieser Vereinigung vor, die sich vor allem gegen den akademischen Malbetrieb im Kaiserreich, dominiert von Anton v. Werner, wandte. Unter Liebermanns Leitung wurde die Berliner Sezession mit ihren richtungsweisenden Ausstellungen zur wichtigsten Kraft im Berliner Kunstleben und Liebermann zum „heimlichen Kaiser“ – geachtet und gefürchtet. „Ich hatte zu viele Feinde“, hat der Malerfürst einmal gesagt, „ich bot ja auch drei Angriffsflächen. Ich war erstens Jude, zweitens reich und drittens hatte ich auch Talent. Eines davon hätte doch genügt.“ – Max Liebermann starb am 8. Februar 1935 in Berlin.       Silke Osman

Die Ausstellung in der Liebermann-Villa ist bis zum 1. März täglich außer dienstags von 11 bis 17 Uhr zu sehen, Eintritt 6 / 4 Euro. Die Ausstellung im Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Hansastraße 3, ist bis Mitte April dienstags, mittwochs, freitags und sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags von 10 bis 20 Uhr sowie sonnabends von 12 bis 17 Uhr geöffnet.

Foto: Max Liebermann: Der zwölfjährige Jesus im Tempel (Öl, 1879)       Bild: Archiv


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