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13.02.10 / Gerechte Strafe oder Justizirrtum?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Gerechte Strafe oder Justizirrtum?

Ob Bruno Richard Hauptmann 1932 den damals einjährigen Charles Lindbergh III., den Sohn des Luftfahrtpioniers Charles Lindbergh und dessen Ehefrau Anne Spencer Morrow, tatsächlich erst entführt und dann trotz Lösegeldzahlung ermordet hat, ist zweifelhaft. Unzweifelhaft ist hingegen, dass er zum Sündenbock geradezu prädestiniert war. Der 1899 in Kamenz geborene Sachse hatte eine kriminelle Vergangenheit, war deutscher Herkunft und konnte seine Einwanderung weder mit rassistischer noch politischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten legitimieren, denn er war bereits 1924 (illegal) immigriert.

Die Justiz wurde auf ihn aufmerksam, weil er am 18. September 1934 an einer Tankstelle mit einem Zehn-Dollar-Schein zahlte, der aus dem Lösegeld stammte, das die Lindberghs für ihren am 1. März 1932 entführten Sohn gezahlt hatten. Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung wurden weitere 14600 US-Dollar der erpressten 50000 Dollar in Hauptmanns Garage gefunden. Des Weiteren fanden die Fahnder auf der Rückwand eines Schrankes Name und Telefonnummer des ehemaligen Lehrers Francis Condon, der das Lösegeld als Vermittler übergeben hatte. Hauptmann wurde von Condon als derjenige identifiziert, dem er auf einem Friedhof das Geld gegeben hatte und von Lindbergh als derjenige Entführer, der mit ihm telefonisch in Kontakt getreten war. Auch meinte ein Graphologe feststellen zu können, dass alle eingegangenen schriftlichen Lösegeldforderungen von Hauptmann geschrieben worden seien. Als belastend erwies sich auch der Nachweis, dass eine bei der Entführung des Kindes aus seinem Zimmer im zweiten Stockwerk des Elternhauses benutzte Holzleiter in Hauptmanns Tischlerwerkstatt angefertigt worden war.

Gegen diese belastenden Indizien hatte Hauptmann einen schweren Stand. Da nützte es ihm nichts, dass ein Reporter noch vor dem Schuldspruch gestand, Condons Name und Telefonnummer auf die Schrankrückwand geschrieben zu haben. Die Stichhaltigkeit von Hauptmanns Angaben für die Tatzeit wurde nicht hinlänglich überprüft. Und schließlich wurde Hauptmanns Erklärung, die Scheine aus dem Lösegeld von einem Isidor Fish erhalten zu haben, um sie für ihn aufzubewahren, nicht überprüft. Dabei hat es diesen Mann nicht nur tatsächlich gegeben, sondern er hat sich auch mit einer Flucht nach Europa sowie damit, dass er die Fahrkarte hierfür mit Goldzertifikatnoten wie aus dem Lösegeld bezahlt hat, verdächtig gemacht.

Vor 75 Jahren, am 13. Februar 1935, wurde Hauptmann trotz Unschuldsbeteuerungen in einem Indizienprozess schuldig gesprochen. Nach dreimaligem Aufschub und Ablehnung eines Begnadigungsantrags wurde das Todesurteil am 3. April 1936 vollstreckt. Am Vorabend hatte der 36-Jährige den Behörden einen Brief überbringen lassen mit der Anklage: „Sie wissen, dass man nicht die Wahrheit gesagt hat ... Gott wird über mich und Sie richten!“          Manuel Ruoff


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