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13.02.10 / Bismarcks »Gegenminister«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Bismarcks »Gegenminister«

Alexander Gustav Adolf Graf von Schleinitz war nicht nur ein Liberaler, sondern auch ein Wahlpreuße. Geboren wurde er in einem anderen Königreich, und zwar in Westfalen. Der am 29. Dezember 1807 im Blankenburg am Harz geborene Spross eines alten meißnischen Adelsgeschlechts, das bereits im 16. Jahrhundert in den Reichsfreiherrnstand erhoben worden war, studierte im hannoverschen Göttingen und im preußischen Berlin. Im Gegensatz zu seinem Vater Karl Ferdinand Freiherr von Schleinitz und dem Bruder Wilhelm, die dem braunschweigischen Landesherren dienten, wählte er wie sein Bruder Julius den preußischen Staatsdienst.

Sieben Jahre später wurde er Gesandtschaftsattaché, weitere sechs darauf Vortragender Rat im Ministerium des Auswärtigen. Nach dem Ausbruch der liberalen 48er Revolution übernahm Schleinitz zweimal das Außenministerium, zog sich jedoch 1850 enttäuscht ins Privatleben zurück, nachdem Preußens König Fried­rich Wilhelm IV. seine nationalen Eini­gungspläne auf österreichischen Druck hin aufgegeben hatte.

Der Privatier pendelte nun zwischen Schloss Gebesee nahe seiner mitteldeutschen Heimat und Koblenz, wo er am Hofe des späteren Prinzen Wilhelm verkehrte, dessen Vertrauen er gewann. Als dieser 1858 in Preußen die Regentschaft übernahm, berief er noch im selben Jahr seinen engen Vertrauten als Außenminister in sein liberales Ministerium der „Neuen Ära“. In ganz klassischer liberaler Manier suchte Schleinitz in dieser Position die Allianz mit dem liberalen England und dem diesem nahestehenden Österreich und unterstütze die britische Politik des Gleichgewichts auf dem Kontinent.

Ein zweites Mal wurden die Hoffnungen der preußischen Liberalen enttäuscht. Als die liberale „Neue Ära“ endete, schied auch Schleinitz aus dem Amt. Allerdings zog er sich diesmal nicht ins Privatleben zurück, sondern wechselte auf den Posten des Ministers des königlichen Hauses. Diese Lösung hatte für Wilhelm I. den Vorteil, dass er trotz seines antiliberalen Schwenks weg von den Liberalen der „Neuen Ära“ hin zu Otto von Bismarck als neuem Regierungschef den liberalen Vertrauten Schleinitz in ehrenvoller Stellung an seinem Hofe halten konnte. In Ungnade gefallen war Schleinitz bei seinem König nämlich nicht. Das zeigt beispielhaft seine Erhebung in den Grafenstand anlässlich der Goldenen Hochzeit des Kaiser- und Königpaares 1879. Politische Freunde wie Feinde des Liberalen betrachteten sein Ministerium ob seiner Vertrauensstellung am Hofe gar zeitweise als „Gegenministerium“ der liberalen Königin Augusta zu der von Bismarck geführten Regierung ihres Ehemannes.

Vor 150 Jahren, am 19. Februar 1885, starb Schleinitz in Berlin. Er blieb zwar kinderlos, hinterließ mit Marie („Mimi“) jedoch eine ebenso liberale wie Bismarck-kritische Ehefrau, die als einflussreiche Berliner Salonnière einen eigenen Artikel wert wäre.            M.R.


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