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13.02.10 / Streckennetz seit 1945 fast halbiert / Stilllegung der Eisenbahnstrecken von Königsberg nach Cranz, Rauschen, Tilsit und Preußisch Eylau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Streckennetz seit 1945 fast halbiert
Stilllegung der Eisenbahnstrecken von Königsberg nach Cranz, Rauschen, Tilsit und Preußisch Eylau

Alexander Rolbinow, Verkehrsminister des Königsberger Gebiets, hat Anlass zum Ärger: Zum 15. Februar will die Russische Eisenbahn, deren „Filiale“ die Königsberger Eisenbahn ist, vier Strecken von Königsberg nach Cranz, Rauschen, Tilsit und Preußisch Eylau stilllegen. 600 Millionen Rubel (gut 14.2 Millionen Euro) will die Bahn dadurch einsparen, Löwenanteil der 780 Mio. Rubel (18,5 Millionen Euro), die sie 2010 in die Eisenbahn von Königsberg investieren muss. Hier werde am falschen Ende gespart, finden der Minister und die Abgeordneten der regionalen Duma, die im Februar das russische Kartellamt („Antimonopol-Dienst“) auf die Bahn hetzen wollen.

Zu deutschen Reichsbahn-Zeiten maß das Gleisnetz im nördlichen Ostpreußen 1823 Kilometer, heute nur noch 963 Kilometer. Dennoch hat die Bahn, 1992 aus der „Baltischen Eisenbahn“ verselbständigt, mehrfache Bedeutung: Sie ist das Hauptstück der kürzesten Ost-West-Verbindung Russlands. Ihre Gleise haben sowohl die europäische Breite von 1435 Millimeter, auf welcher der Passagierzug nach Gdingen und Berlin fährt, wie auch die russische von 1520 Millimeter, über die seit über 40 Jahren der Jantar-Express (Bernstein), der beste Zug Russlands, nach Moskau donnert.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist das Königsberger Gebiet eine russische Exklave zwischen Litauen und Polen, die wegen ihrer ungünstigen Lage auf gute Beziehungen zu Nachbarn bedacht sein muss. Die regionalen Eisenbahner sind Meister darin, haben beispielsweise der Russischen Bahn im August 2009 neue Wege nach Litauen gebahnt und streben ähnliches mit Weißrussland an. Wenn sie Erfolg haben, wird Königsberg ab dem Jahr 2025 einen Güterbahnumschlag von jährlich 131,5 Millionen Tonnen aufweisen; im Krisenjahr 2009 waren es nur 12,6 Millionen Tonnen, 32 Prozent weniger als 2008. Erheblich früher will man die Linie von Berlin bis nach Sankt Petersburg verlängern, dabei ein „einmaliges“ System einsetzen, das die Züge von europäischer auf russische Spur umsetzt.

Mit russischen Bordmitteln ist das natürlich nicht zu machen, denn nach Ansicht von Jurij Fjodorow, Leiter des Planungsinstituts der Russischen Bahn, „ist die Königsberger Bahn heute faktisch auf sowjetischem Entwick­lungs­­niveau“. Das wird noch 2010 anders, wenn in Insterburg der Bau des zentralen Steuerungssystems  MSR-32 beginnt, an dem Siemens und andere deutsche Firmen beteiligt sind.

Bis dahin machen die Königsberger Bahner das Beste aus ihrer Lage. Wenn die Russische Bahn lokale Linien stillegen will, so Minister Rolbinow, dann soll sie umgehend ein besseres und preisgünstigeres Busnetz einrichten. Und für die Königsberger Bahn hat Alexander Drosd, Verantwortlicher für regionale Bahn­infrastruktur, eine geradezu revolutionäre Idee: In Königsberg wird die russische Bahngroteske ausgemustert, den gesamten Verkehr nach Moskauer Zeit abzuwickeln, egal wie viele Zeitzonen man von Moskau entfernt ist. Für Königsberger Bahnen gilt Königsberger Zeit, ausgenommen die Fernlinie Königsberg–Stallupönen, die einstweilen nach „Hauptstadtzeit“ verkehrt.                      Wolf Oschlies


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