20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.02.10 / Der unsichtbare Wirtschaftsminister / Auf der Regierungsbank hat Rainer Brüderle noch nicht wirklich Platz genommen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Der unsichtbare Wirtschaftsminister
Auf der Regierungsbank hat Rainer Brüderle noch nicht wirklich Platz genommen

Irritiert fragen Manager, was Rainer Brüderle (FDP) als Bundeswirtschaftsminister eigentlich tut. Zu aktuell brennenden Themen wie der Opel-Sanierung oder der Laufzeitenverlängerung der Kernkraftwerke hört man fast nichts von dem gemütlichen Pfälzer. Spötter nennen ihn bereits den „Anti-Guttenberg“.

Sein Vorgänger verhalf dem Ministerium innerhalb weniger Monate zu neuem Glanz. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CSU) brillierte mit ökonomischem Wissen, bezog klare Positionen und machte die deutsche Stimme im europäischen Konzert hörbar.

Anders Brüderle. Nach zehn harten Jahren auf der Oppositionsbank wähnte sich der 64-jährige Diplom-Volkswirt im Okotber 2009 am Ziel seiner Karriere; er nahm auf dem Sessel des Bundeswirtschaftsministers Platz. Energisch reklamierte er für seine Behörde die Zuständigkeit für die Kernkraftwerke. Doch als Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) unlängst die im Koalitionsvertrag verankerte deutliche Laufzeitenverlängerung in Frage stellte, sagte Brüderle: „Jetzt müssen wir diskutieren, wie lange die Brücke bei dieser Brückentechnologie sein soll.“ Gefragt, ob er schon mit dem Umweltminister in dieser Sache gesprochen habe, musste er zugeben, dass es in den letzten Tagen noch kein Gespräch mit Röttgen gegeben habe.

Fast die gleiche Szene beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos, wo Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner neuen Eigenschaft als Verteidigungsminister mit 20 wichtigen Wirtschaftsführern bei einem Frühstück konferierte. Es ging offiziell um die Zusammenhänge von Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Erbost beklagte sich Brüderle, dass solche Treffen eigentlich in die Zuständigkeit des Wirtschaftsministers fallen würden.

Von Brüderle ist bekannt, dass er ab und zu poltert, gerne Weinköniginnen in seiner Pfälzer Heimat küsst und ansonsten recht altbacken daherkommt. Mit dem Opel-Standort Rüsselsheim, der recht nahe bei seinem heimatlichen Mainz liegt, sollte er eigentlich vertraut sein. Brüderle kokettiert damit, dass sein erstes Auto ein „Kadett“ gewesen sei. Dennoch ist er in der brisanten Frage der Opel-Sanierung merkwürdig meinungslos.

Als der Opel-Mutterkonzern General Motors um Staatshilfen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro nachsuchte, gab er sich zugeknöpft. Erst als die EU-Kommission ihn aufforderte, das Sanierungskonzept für Opel / Vauxhall zu prüfen, nahm er sich auch öffentlich sichtbar der Sache an.

Dabei hat der Zickzackkurs von General Motors in den vergangenen Monaten das Vertrauen der Verbraucher in die Marke nicht gerade erhöht. In einer ersten Bewertung des Sanierungskonzepts äußerte das Bundeswirtschaftsministerium zudem den Verdacht, dass europäische Staatshilfen leicht, als Lizensgebühren getarnt, in die USA umgeleitet werden könnten. Gegen einen solchen Missbrauch hätten die Amerikaner kein „Abschottungsprinzip“ vorgelegt, bemängeln die Mitarbeiter des Ministeriums.

Doch solche Bedenken trägt der Minister nicht in die Öffentlichkeit. Eine eigene Meinung wolle er erst äußern, wenn die EU-Kommission sich geäußert habe. Soll also Brüssel darüber bestimmten, wie viel Geld der deutsche Steuerzahler für die umstrittene Sanierung der Opel-Werke zahlen muss?

Woher diese Meinungslosigkeit des Bundeswirtschaftsministers in den zentralsten Feldern seines Amtes kommt, darüber darf gerätselt werden. Als studierter Volkswirt sollte er die Grundlagen des Wirtschaftslebens kennen. Auch an ministerialer Erfahrung fehlt es ihm nicht. Immerhin elf Jahre lang (1987−1998) war Brüderle Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Doch heute wirkt Brüderle für viele wie einer, der sich innerlich schon im Ruhestand befindet. Er legt seine Hände in den Schoß, klagen selbst Manager und Wirtschaftsführer, die traditionell eine positive Meinung von liberalen Wirtschaftsministern haben.

Die kleine Schar von Bewunderern Brüderles behauptet, so das „Handelsblatt“, der liberale Wirtschaftsminister genieße sein Amt; er sei eine „kleine Lichtgestalt“ im Kabinett Merkel und versuche durchaus seine persönliche Präsenz in die Waagschale „zu wuchten“.

Anfang Dezember, auf seiner ersten längeren Auslandsreise nach China, fachsimpelt der Minister im Flugzeug mit Journalisten ein bisschen über das Reich der Mitte, über Klimaschutz und Welthandel. Auch chinesischer Rotwein lasse sich inzwischen ganz passabel trinken. Schon 15 Mal sei er in China gewesen. Bei den ihn begleitenden Mittelständlern, die in China Türen oder Schokolade verkaufen wollen, kommt der Minister gut an. Er sei bodenständig und nicht so wie der „Umfrage-König“, womit sein Vorgänger gemeint ist. Der habe sich in seiner (kurzen) Amtszeit, trotz vieler Anfragen und Einladungen, nie in China blicken lassen.

Dort erinnern sich noch manche an das ungelenke Auftreten von zu Guttenbergs Vorgänger Michael Glos (CSU) und fürchten heute ähnliches bei Brüderle; der ernetete beim Handelskammer-Frühstück mit dem Satz „Ich kenne die Welt hinter der Theke, nicht nur an der Theke“,   unfreiwillige Lacher. Dabei wollte der Minister nur an seinen Vater erinnern, der ein kleiner Einzelhändler war.

Beim Antrittsbesuch in Wa-shington erhielt Brüderle Toptermine bei US-Finanzminister Timothy Geithner und Barack Obamas Wirtschaftsberater Larry Summers. Mit ihnen parlierte er in fließendem Englisch. Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) zeigte sich davon wenig überzeugt und meinte scharfzüngig: „Brüderle ist eine Fußnote der Zeitgeschichte“.      Hinrich E. Bues

Foto: Jovialer Beobachter: Rainer Brüderle genießt sein Amt offenbar wie einen guten Wein im kleinen Kreis.     Bild: pa


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren