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20.02.10 / John Bull muss den Plumpudding teilen / Auf der Berliner Kongokonferenz setzten die Kontinentaleuropäer ihre Gleichberechtigung im »Herzen Afrikas« durch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

John Bull muss den Plumpudding teilen
Auf der Berliner Kongokonferenz setzten die Kontinentaleuropäer ihre Gleichberechtigung im »Herzen Afrikas« durch

Vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 tagte die Berliner Kongokonferenz. Großbritanniens Anspruch auf die noch nicht verteilten Gebiete der Erde wurde dort von der internationalen Staatengemeinschaft zurückgewiesen.

Bis zu seiner Ernüchterung durch die Berliner Kongokonferenz betrachtete John Bull (Großbritanniens Personifikation), wenn auch nicht das gesamte Erdenrund, so doch den Teil, der noch nicht unter den anderen Mächten verteilt war, als seinen Plumpudding – um es mit der Metapher einer zeitgenössischen englischen Karikatur zu sagen. Dieses betraf insbesondere das von den Europäern noch wenig erschlossene Innere Afrikas mit dem zentralafrikanischen Kongobecken.

Reichskanzler Otto von Bismarck war bei allem grundsätzlichen Bemühen um einen Ausgleich mit den Briten nicht bereit, diesen Anspruch anzuerkennen. Er vertrat vielmehr die Ansicht, dass Eigentum auch Staaten verpflichte. Zu diesen Pflichten zählte er die Sorge für Ruhe und Ordnung im Allgemeinen und den Schutz deutscher Unternehmer im Besonderen. Das Deutsche Reich verfügte über keine nennenswerten Kolonien, aber über eine aufstrebende, wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Berlin hatte deshalb ein ureigenes Interesse am Freihandel. Diese Interessenlage deck­te sich mit jener der Vereinigten Staaten, und so hatte der deutsche Kanzler in dieser Frage in der aufstrebenden außereuropäischen Großmacht einen wichtigen Verbündeten. Doch auch in der Abwehr von John Bulls Anspruch auf den gesamten „Plumpudding“ hatte der Michel mächtige Verbündete, sogar die ihm sonst eher feindlich gesonnene Marianne.

Einigkeit macht stark und so kam die internationale Staatengemeinschaft überein, Englands Anspruch auf alles herrenlose Gebiet in einer internationalen Konferenz entgegenzutreten, wo insbesondere die Zukunft des „Herzens Afrikas“, des Kongobeckens, verbindlich geregelt werden sollte. Auf entsprechende Anregungen Portugals und Leopolds II. von Belgien, der im Kongogebiet eigene unternehmerische Interessen hatte, reagierte Kaiser Wilhelm I. mit Datum vom 19. Oktober 1884: „Deutschland ist jetzt als Kolonialmacht zu betrachten und damit in der Lage, eine Konferenz in Berlin vorzuschlagen. Man wird unser Land hören auf diesem wichtigen Kongress, der darauf zielt, die Grundlagen der zukünftigen Regierung für diese weiten Gebiete zu legen.“

Zu diesem Kongress traten am 15. November 1884 auf Einladung des Hausherren Gesandte aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich, Portugal, Russland, Spanien, Schweden, der USA und dem Gastgeberland im Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße zusammen. Es wurden kontinuierlich tätige Arbeitsausschüsse eingerichtet, deren Ergebnisse auf regelmäßigen Konferenzsitzungen besprochen werden sollten. Zehnmal trafen sich die Gesandten zu derartigen Konferenzsitzungen. Bismarck nahm nur an der Eröffnungs- und der Abschlusssitzung der Konferenz teil. Trotzdem trägt ihr Ergebnis, die Berliner Kongoakte, vor allem seine Handschrift.

So gelang es ihm gegen Englands Interessen eine „effektive Besetzung“ als Voraussetzung für Ansprüche durchzusetzen. Für das Kongobecken wurde der Grundsatz der Handelsfreiheit beschlossen. Abgesehen von dieser Vorgabe wurde den Eigentumsansprüchen des belgischen Königs auf den Kongofreistaat entsprochen, und zwar als Privatperson und nicht als Personifizierung seines Königreiches. Die Überlassung des umstrittenen Gebietes an eine Privatperson, die zudem mit Belgien auch noch einer vergleichsweise kleinen Nation angehörte, war von dem Willen getragen, einen Herrscher beziehungsweise Eigentümer zu finden, der zu schwach war, um das Gebiet wider die Kongoakte gegen die Signatarstaaten protektionistisch abzuschotten.

Für das Nigergebiet hätten Deutschland und Frankreich gerne eine vergleichbare, auf dem Prinzip der Gleichberechtigung der Signatarstaaten fußende Lösung durchgesetzt. Angesichts des britischen Widerstandes gelang hier allerdings nur ein Kompromiss in der Form, dass die dortigen Flüsse für die internationale Schifffahrt freigegeben wurden.

Vollends setzte sich England mit seiner Forderung nach dem Verbot des Sklavenhandels durch. Ähnlich wie heute bei der Forderung der Industriestaaten nach internationalen Mindeststandards bei den Arbeitnehmerrechten oder dem Verbot der Kinderarbeit in weniger entwickelten Staaten ist auch bei dieser damaligen britischen Forderung umstritten, ob die Motivation altruistisch-humanistisch war, oder ob egoistisch weniger industrialisierte Konkurrenz behindert werden sollte.

Schließlich verpflichteten sich die Signatarstaaten im Geiste weißer Solidarität, sich im Kongobecken nicht zu bekriegen und keine farbigen Truppen auf europäischen Kriegsschauplätzen einzusetzen – eine Verpflichtung, welche die Entente im Ersten Weltkrieg zum Leidwesen ihrer deutschen Gegner brechen sollte. Manuel Ruoff

Foto: Bismarck stiehlt John Bulls Plumpudding: Zeitgenössische englische Karikatur


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