19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.02.10 / Ohne Angst vor dem Gauleiter / Pfalzgraf war einer der Aktivsten in der Bekennenden Kirche – PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 6)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Ohne Angst vor dem Gauleiter
Pfalzgraf war einer der Aktivsten in der Bekennenden Kirche – PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 6)

Wenn von mutigen Männern und tapferen Frauen der Bekennenden Kirche in Ostpreußen einer besonders hervorgehoben werden muss, ist es der promovierte Studienrat Andreas Pfalzgraf. Im Buch „Die Insterburger Jahre“ setzte der Arzt Hans Graf von Lehndorff diesem bekennenden Christen ein besonderes Denkmal. Zwar ist Pfalzgraf wohl kein Märtyrer im engeren Sinn, weil wir nicht wissen, ob er letztlich für den Glauben starb. Doch seine Risikobereitschaft und sein Mut kannten keine Angst vor einem Martyrium.

Ein vollständiger Lebenslauf ist von diesem unerschrockenen Lehrer nicht überliefert. Neben Graf Lehndorff berichtet Hugo Link in seinem Werk „Kirchenkampf in Ostpreußen“ in sporadischen Notizen von Pfalzgraf. Mitten im Krieg riskierte er mehrmals sein Leben, um die christliche Botschaft zu verbreiten. Aufgrund seiner privaten Situation wäre der Studienrat eigentlich zu größter Zurückhaltung gegenüber dem nationalsozialistischen Regime angehalten gewesen. In seinem Hause waren seine behinderte Frau und sechs Kinder zu versorgen. Früh am Morgen, lange vor Beginn seines Schuldienstes, erhob sich daher Pfalzgraf, um zuerst seinen Pflichten im Haushalt nachzukommen. Jede Minute war auf das Genaueste eingeplant, berichtet er. Gründe genug für „Feigheit vor dem Feind“ hätte er also allemal gehabt. Doch seine an den Rollstuhl gefesselte Frau ermutigte ihn immer wieder, keine Kompromisse zu machen, wenn die nationalsozialistischen Herrscher beispielsweise den Religions- und Konfirmandenunterricht zu unterbinden versuchten.

Die Gestapo in Tilsit belegte 1942 Pfalzgraf wegen dieses – vermeintlich widerrechtlich – erteilten Unterrichtes mit einem „Sicherheitsgeld“ von 1000 Reichsmark. Da der Studienrat diese hohe Summe nicht zahlen konnte und wollte, wurde er am 23. Februar 1943 verhaftet. Furchtlos schrieb daraufhin Frau Pfalzgraf dem berüchtigten Gauleiter Erich Koch einen langen Brief und schilderte den Fall. Der Brief der „tapferen Frau“ beeindruckte den Gauleiter derart, dass er – zur Überraschung aller – die Freilassung ihres Mann nach drei Monaten Haft veranlasste. In Abstimmung mit dem zuständigen Superintendenten wurde Pfalzgraf sogar die Aufnahme der kirchlichen Arbeit wieder erlaubt.

Die Bibelstunde und der Männerkreis in Insterburg entstanden schon in der Gründungszeit der Bekennenden Kirche (BK) im Jahr 1934 nach einem Vortrag von Bischof Kessel. Darauf berief der zuständige Superintendent Federmann eine Versammlung aller interessierten Christen ein. In der Folge trafen sich die Christen der BK jeden Donnerstag zu einem Gottesdienst mit anschließendem Bericht über die Lage der evangelischen Christenheit, die unter den Vereinnahmungsversuchen der regimetreuen „Deutschen Christen“ zu leiden hatten. So schrieb der Insterburger Gemeindekirchenrat in dieser Zeit beispielsweise über Pfalzgraf, dass er die Gemeinde „durch sein Verhalten verwirrt und beunruhigt“.

Nach der Verhaftung des Superintendenten Federmann 1937, dessen Erkrankung und Versetzung in den Ruhestand 1938, wurde eine Neuorganisation der Arbeit der BK notwendig. Dazu berief Federmann im Oktober 1938 rund 100 Männer in der Lutherkirche zusammen und betraute zwölf von ihnen mit besonderen Verantwortungen, darunter auch Pfalzgraf. Im Hause des Kaufmanns Duscheleit wurde eine 14-tägige Bibelstunde abgehalten, ein in dieser Zeit brisanter Vorgang. Schon die Nennung des Namens von inhaftierten Pfarrern wie Martin Niemöller konnte die Verhaftung und einen mehrjährigen Aufenthalt im Konzentrationslager nach sich ziehen.

Doch davon ließ sich Pfalzgraf nicht beeindrucken. Nachdem 1938 der Religionsunterricht an Schulen verboten worden war, schrieb er an die Eltern seiner Schüler und bot für die oberen Klassen die freiwillige „Christenlehre“ an. Ab 1940 erteilte er auch Konfirmandenunterricht in Sprindt für die jüngeren Kinder. Nebenbei übte Pfalzgraf eine rege Vortragstätigkeit in Bibelstunden  aus. Durch solch einen Vortrag kam auch Graf Lehndorff Ende 1941 mit Pfalzgraf in Berührung. Der Arzt war von dieser ersten Begegnung und der schlichten, vollmächtigen Art der Bibelauslegung dieses theologischen Laien so beeindruckt, dass er hinfort nicht nur die Bibelstunde besuchte, sondern zu den tragenden Personen der BK Ostpreußen wurde.

Ostern 1942, mitten im Krieg, als viele Pfarrstellen Ostpreußens bereits verwaist sind, wird Pfalzgraf vom Bruderrat gefragt, ob er sich zum „Prediger des Evangeliums“ ordinieren lassen würde. Er sagt zu und hält am 31. Mai die übliche Probepredigt in der Löbenichtschen Kirche in Königsberg. Unter größter Geheimhaltung und Tarnung wird er dann in Aulenbach zum Dienst eines Laienpredigers ordiniert. Er wirkt bis zum Kriegsende in verschiedenen Kirchen Ostpreußens, nimmt an Synoden teil und hat über Graf Lehndorff und dessen Vetter, Heinrich Graf Lehndorff-Steinort, wohl auch Kontakt zu den Kreisen um die Verschwörer des 20. Juli. Die Spur dieses mutigen Bekenners und seiner Familie verliert sich mit dem Kriegsende im Dunkeln.            H.E. Bues


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren