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20.02.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

alle reden vom Schnee, wir auch! Denn irgendwie können wir Ostpreußen von Geburt und Geblüt uns nicht verkneifen, an die Winter unserer Kindheit zu denken, wenn der Schnee monatelang das Land in einen weißen Hermelinpelz hüllte. Und auch die Stadt, meine Heimatstadt, die Königsberg hieß, versank manchmal im Schnee, aber niemand sprach von Chaos. Es wurde eben fleißig geschippt nach dem Motto: „Ein jeder schipp’ vor seiner Tür, es find’ sich Schnee genug dafür“, und außerdem war man warm bestiefelt. Und wenn wir eine blanke Eisfläche entdeckten, waren wir selig: wir konnten „schorren“! Leider wurden uns diese Winterfreuden dann bald versalzen, aber irgendwie scharrten wir wieder eine neue Schorrbahn frei. Auf die verzichte ich jetzt allerdings lieber und kann heute verstehen, wenn uns damals die Erwachsenen drohten: „Fallt auf euern Podex, ihr dammlichen Kräten!“ Die Königsberger Fischfrauen, berühmt und berüchtigt wegen ihres eigenen deftigen Vokabulars, wurden da noch drastischer. Fiel da mal eine der nicht gerade zierlichen Frauen auf dem vereisten Fischmarkt hin und landete recht unsanft auf dem Allerwertesten. Das sah eine Marktbesucherin und schrie erschrocken auf. Die Fischfrau reagierte erbost: „Wat kriesche Se dänn, full eck dänn op Ehrem …“ Es folgte ein sehr drastisches Wort. Übrigens fiel die Fischfrau weich, denn sie hatte wegen der Kälte mindestens acht Röcke an, so eine Art Urform des heute so modischen „Zwiebellook“!

So, das ist heute mal – nach den vielen schicksalsschweren Suchfragen – ein heiterer Einstieg in unsere „Ostpreußische Familie“, und ich habe auch allen Grund dazu, denn ich kann Erfreuliches berichten und jede Menge Dank weitergeben. Zuerst den von Herrn Frank Schneidewind aus Olpe, der seiner Mutter einen lang gehegten Wunsch erfüllen wollte, als er uns ein altes Bild zur Veröffentlichung übergab, das seine Mutter mit ihren Freundinnen in ihrem Flüchtlingsdomizil in der Wilstermarsch zeigte. Was ihm trotz eigener Bedenken auch voll gelungen ist, wie er uns mitteilt:

„Am Mittwoch nach dem Erhalt der PAZ Folge 3 erhielt ich einen Brief mit dem Absender: Scheffler, Wilster! Mein erster Gedanke: Welche Mitteilung wird der Brief enthalten – ich konnte kaum die Nachricht erwarten. Ich öffnete den Umschlag und las: ,Wir lesen die Preußische Allgemeine Zeitung. Ich habe das Bild mit den drei Marjellen gesehen und die Mittlere erkannt, es ist Ischen Schwark. Sie heißt heute Arentewisch und wohnt in St. Margarethen. Die Lydia wohnt in Wilster. Vielleicht hilft Ihnen dies weiter. Herzlichen Gruß, Frau Scheffler‘. Ich bin noch immer aufgeregt über diese spontane Mitteilung, hatten wir doch überhaupt nicht mit einer Nachricht gerechnet, da wir nicht die Heimatorte wussten. Frau Scheffler ist Holsteinerin, ihr Ehemann stammt aus dem Kreis Schlossberg. Wir telefonierten inzwischen, er kannte sogar die Bauernfamilie in Dammfleth. Meine Mutter war völlig sprachlos, ich bemerkte ihre innere Bewegung. Manchmal kann man die Erfolge kaum in Worte fassen.“

Ja, so gibt es ein Wiederfinden, Wiederhören, vielleicht auch ein Wiedersehen nach Jahren, denn inzwischen hat Herr Schneidewind zu den einstigen „Marjellen“ Verbindung aufgenommen, von denen eine allerdings genau genommen nicht so bezeichnet werden kann, denn auch „Ischen“ Schwark ist Holsteinerin. Herr Schneidewind wünscht jedenfalls unserer Ostpreußischen Familie weiterhin solch „tolle Erfolge!

Und die kann auch Frau Karola Sartor melden. Die Oberstudienrätin aus Gifhorn will in den Heimatort ihres Vaters reisen, und das ist Serteggen, Kreis Goldap. Da ihr Vater früh verstorben ist, weiß sie fast nichts über dieses kleine Dorf und hoffte, dass sie über unsere Ostpreußische Familie einige Informationen über die Lage des großelterlichen Grundstückes erhalten könnte. Die bekommt sie und nicht nur das, denn Landsleute werden ihr bei der Spurensuche an Ort und Stelle helfen. Frau Sartor schreibt:

„Das Telefon stand für mehrere Tage kaum still. Nicht nur die Geschäftsleitung der Kreisgemeinschaft Goldap sowie die Leitung des Museums in Stade konnten fachkundige Auskunft erteilen und mir mit dem ,Ortsatlas des Kirchspiels Szittkehmen Kreis Goldap in Ostpreußen‘ einen genauen Lageplan des gesuchten Grundstücks liefern – mein besonderer Dank gilt Frau Trucewitz und Frau Karow –, auch andere Goldaper und Serteggener meldeten sich und lieferten gute Auskünfte. Und meine geplante Fahrt habe ich gleich buchungsreif vorgelegt bekommen: Ich reise mit der Kreisgemeinschaft nach Goldap im kommenden Juli. Hierauf freue ich mich schon ganz besonders.“

Ja, da bin ich auch erstaunt, denn ich hatte bezweifelt, ob sich überhaupt frühere Einwohner von Serteggen melden würden, denn es war ja nur ein kleiner Ort mit rund 100 Seelen. Ein großer Erfolg also, wie Frau Sartor bekundet. Und sie will ihrerseits zur Dokumentation ihrer Väterheimat beitragen, denn sie besitzt noch alte Aufnahmen aus Serteggen und der Familie, die sie dem Museum überlassen will. Geben und Nehmen – wie so oft in unserer Ostpreußischen Familie.

Dass wir Ostpreußen eben eine große Familie sind und deshalb unsere Kolumne mit Recht so genannt werden kann, beweist ein Brief von Herrn Gerd Lau aus Tornesch. Angeregt hatte ihn meine Feststellung, dass – wenn Landsleute sich treffen – man sehr schnell einige gemeinsame Bekannte und dann immer mehr hat und schließlich auch noch verwandt ist. Aber auch im Alltag kann uns das passieren, immer wieder begegnen uns Landsleute oder Freunde aus der Heimat. Gerd Lau listet nun acht Fälle aus eigenem Erleben auf, die das bestätigen.

Fall 1: Im Jahr 1953 suchte der junge Gerd Lau, damals in Mallinghausen, Kreis Diepholz wohnhaft, eine Lehrstelle und fand sie im benachbarten Siedenburg. Der Meister hieß Walter Kater. Seine Mutter stutzte bei der Nennung und fragte: „Das ist doch nicht unser Walter Kater aus Baumgardt?“ Er stammte tatsächlich aus Mutters Geburtsort und war über einige Ecken noch mit der Familie verwandt. Fall 2 spielt im Sommer 1958 in Cuxhaven. Gerd Lau, damals beim Grenzschutz und zur Bewachung eines Munitionsdepots abkommandiert, lernte ein nettes Mädchen kennen, und als er sich ihr vorstellte, sagte sie: „Meine Nachbarn heißen auch Lau!“ Wie es sich herausstellte, war es sein Onkel mit seiner Familie, die nach der Flucht dort gelandet waren! Fall 3 geschah etwa 1967. Gerd Lau war damals bei der Polizei in Hamburg. Bei einem Einsatz seines Streifenwagens bei einem Brand in einer Kleingartenkolonie stutzte er, als er den Besitzer des brennenden Gartenhauses sah: Den kenne ich doch! Das ist doch der ostpreußische Vermieter meiner Mutter im niedersächsischen Sulingen. War er aber nicht, sondern – sein Zwillingsbruder! Fall 4: Anfang der 80er Jahre war Herr Lau in Pinneberg wohnhaft und Mitglied in einem Gesangsverein. Auf einer Wanderung kam er mit einem älteren Chormitglied ins Gespräch und war plötzlich in seiner Heimat! Denn der Sangesbruder – kein Ostpreuße – war während des Krieges zur Bewachung des Flugplatzes in Preußisch Königsdorf bei Marienburg abgestellt worden, ganz in der Nähe des Geburtsortes von Gerd Lau. Da gab es viel zu erzählen, zumal beide Töchter des Sangesbruders Ostpreußen heirateten. Fall 5: 1987, inzwischen geschieden, lernt Gerd Lau eine Ostpreußin kennen, die als Kind nach dem frühen Tod der Eltern in Himbergen in der Lüneburger Heide bei Onkel und Tante aufwuchs. Dort wohnte auch ein Vetter von Herrn Lau und siehe da: Die beiden Männer waren befreundet gewesen. Das erleichterte natürlich die Annäherung sehr! Fall 6: In den 90er Jahren zieht ein neuer Nachbar in das Haus in Tornesch-Uetersen ein, das an den Garten von Herrn Lau grenzt. Der ältere Herr kommt ihm gleich bekannt vor, als er sich vorstellt: Es ist sein ehemaliger Stellvertretender Abteilungs-Kommandeur beim BGS in Uelzen und – wie könnte es anders sein – Ostpreuße! Fall 7: Auf einer Kreuzfahrt Bremerhaven–Norwegen im Jahr 2001 lernt Gerd Lau ein Hamburger Ehepaar kennen, der Mann stammt aus Ostpreußen, aus Rechenberg, Kreis Sensburg. Dort hat Herr Lau einmal Urlaub gemacht und kennt den Cousin des Mannes, der noch heute dort lebt. Man blieb bis heute freundschaftlich verbunden. Fall 8 spielt im vergangenen Jahr beim Heimattreffen der Marienburger in Magdeburg. Eine Teilnehmerin bedauerte, als sie den Wohnort von Herrn Lau erfuhr, dass nach dem Tod ihres Mannes der Kontakt zu einem dort wohnenden befreundeten Landsmann abgerissen war. Herrn Lau gelang es, die beiden ehemals befreundeten Familien wieder zusammenzubringen. – So, das war leider nur ein Kurzauszug aus dem von ostpreußischen Spuren gezeichneten Lebensbericht von Herrn Lau. Wir warten auf Fall 9, der sich vielleicht nach dem Lesen dieser kleinen Abhandlung ergeben könnte!

Unser Foto zeigt eine Großveranstaltung mit exakt 449 festlich gekleideten Teilnehmern, die 1931 als Vereinsfest in Tilsit stattfand. Es könnte sich um ein Treffen der Evangelischen Freikirchlichen Gemeinde handeln, denn das Bild stammt aus dem Nachlass des 1910 in Labiau geborenen Erich Arndt, der ihr angehörte. Sein Neffe Jürgen Druske möchte nun gerne wissen, wo dieses Fest stattgefunden hat und wer es veranstaltete. Es geht weniger um das Erkennen von darauf abgebildeten Personen – was natürlich wünschenswert wäre, aber kaum denkbar ist – sondern um nähere Angaben zu dieser Veranstaltung, die durch die hohe Teilnehmerzahl sicherlich in Tilsit für Aufsehen sorgte. Daran ist auch als Übermittler der Aufnahme Herr Alfred Pipien interessiert, der mittels Netzgitters die Teilnehmerzahl auslotete. (Zuschriften an Jürgen Druske, Muschelweg 15 in 30455 Hannover.)

Eigentlich hatte ich damit unsere heutige Kolumne beenden wollen, aber da kam eine E-Mail mit einer ganz großen Überraschung, so dass ich beschloss, diese sofort an unsere Leserinnen und Leser weiterzugeben. Denn es ist das eingetreten, was der Absender auf Familiensuche nicht erwartet, aber erhofft hatte: Er hat endlich Angehörige gefunden. Und das, obgleich die Angaben mehr als dürftig waren. Dazu geschah alles blitzschnell, denn den Suchwunsch von Herrn Claus Ostaschinski aus Saara hatte ich in der Folge 2 vom 16. Januar veröffentlicht, und am 11. Februar erreichte mich die Erfolgsmitteilung. Herr Ostaschin­skli suchte Verwandte oder Bekannte seiner schon 1978 verstorbenen Mutter. Es handelte sich um die Familie Grübner aus Warschlegen, namentlich bekannt waren die Brüder seiner Mutter Franz und August Grübner. Da noch einige Fotos existieren, konnten wir ein Bild veröffentlichen, das Franz Grübner mit seinem Sohn Hans-Dieter zeigen sollte. Was sich als nicht ganz richtig erwies, aber dafür gab es nun eine genaue Identifizierung der Personen. Herr Ostaschinski berichtet, was nach der Veröffentlichung geschah:

„Zuerst kam ein Anruf von einer Dame, die eine Frau, eine geborene Grübner, kannte und mir deren Adresse gab. Sie war mit ihr zur Schule gegangen. Der zweite Anruf war der Treffer! Es meldete sich die Enkelin von Franz Grübner, die in Jena wohnt – zirka 90 Kilometer von uns! Deren Mutter, also die Tochter von Franz, lebt in Mecklenburg. Der Junge auf dem Foto ist der Sohn eines weiteren Bruders meiner Mutter. Er lebt in Göttingen. Es sind noch mehrere Verwandte vorhanden. Wir, meine Familie und ich, sind glücklich und werden im Sommer ein Familientreffen durchführen“.

Ja, so gut und so schnell arbeitet unsere Ostpreußische Familie. Die Herr Ostaschinski erst kürzlich in seinem Probeabonnement der PAZ entdeckt hatte! Da können wir nur gratulieren.

Eure Ruth Geede

Foto: Vereinsfest (der Freikirchlichen Evangelischen Gemeinde?) in Tilsit 1931: Bild aus dem Nachlass des 1910 in Labiau geborenen Erich Arndt  Bild: privat


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