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20.02.10 / Absage an den Schein / DDR-Jugendlicher sucht sich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Absage an den Schein
DDR-Jugendlicher sucht sich

Der 1971 in Leipzig geborene Jakob Hein ist Arzt in Berlin. Mit seinem neuen Roman „Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“ leistet er seinen Beitrag zu 20 Jahre Wiedervereinigung. Mit einem Augenzwinkern und einer kräftigen Ladung Ironie erzählt der Autor von der Jugend eines in der DDR lebenden jungen Mannes namens Sascha, der auf jegliche und manchmal auch bemitleidenswerte Art und Weise versucht, cool zu sein und „dazu zu gehören“. Bedauerlicherweise nehmen auch die Mädchen, in die sich Sascha verliebt, ihn nur als guten Kumpel.

Hein schreibt viel über die Lebensumstände in der DDR, in denen Sascha lebt, jedoch ohne diese in jeglicher Hinsicht zu bewerten. Diese Beschreibungen dienen lediglich der Veranschaulichung von Saschas Hilflosigkeit und Ohnmacht in bestimmten Situationen. So zum Beispiel dem Kauf von moderner Westkleidung.

„Durch das Fernsehen wussten wir, was wir anziehen wollten, durch die Mauer konnten wir an nichts davon herankommen. Die Einzigen, die mir in dieser Not helfen konnten, waren meine Großeltern. Sie hatten Westgeld, und sie konnten nach West-Berlin fahren … Ich hatte meiner Großmutter im Detail erklärt, wie die Turnschuhe aussahen, die sie mir mitbringen sollte … Ungeduldig hatte ich in der Friedrichstraße neben Dutzenden anderen gestanden, die die Rück-kehr ihrer Großmütter erwarteten … Dramen spielten sich gleich hinter der Grenze ab: ,Das ist ja ein 286er! Ich hatte doch extra gesagt, du solltest einen 386er mitbringen!‘ Meine Großmutter aber strahlte mich an und überreichte mir einen Schuhkarton. Darin lagen weiße Lederturnschuhe mit rosa Netzapplikationen und einer Art grüner Knautschzone im Spannbereich … Ich würde diese Schuhe niemals anziehen.“

Saschas Arglosigkeit und seine Unerfahrenheit werden dem jungen Mann sehr zum Vergnügen des Lesers nicht selten zum Verhängnis. So auch als er bei einer wilden Motorradparty zu seinem eigenen Erstaunen von einer Rockerbraut angebaggert wird. Diese nimmt ihn sogar mit zu sich nach Hause. Das Abenteuer endet jedoch jäh, als diese ihn am nächsten Morgen, nachdem sie ihm ein düsteres Symbol auf den Allerwertesten tätowiert hat, aus ihrer Wohnung hinauskomplimentiert.

„Tausend Freundinnen, aber keine einzige Freundin, wenn du verstehst, was ich meine.“ Diesen Satz scheint sich der unbeholfene Sascha zum Wahlspruch gemacht zu haben. Bis er eines Tages aufhört, sich von den vermeintlich coolen Leuten Dinge abschauen zu wollen, und beginnt, auf sein Inneres zu hören und auf seine innere Stimme zu vertrauen.

„Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“ ist eine wunderbare Geschichte über die Widrigkeiten des Erwachsenwerdens, die Stolpersteine der Pubertät, über Coole und Uncoole und die Suche nach sich selbst.    A. Ney

Jakob Hein: „Liebe ist ein hormonell bedingter Zustand“, Piper, München 2009, broschiert, 171 Seiten, 14,95 Euro


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