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20.02.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Bei uns in Rom / Warum Westerwelle richtig liegt, wie die Deutschen Griechenland ruinierten, und wann wir nur noch auf die »Barbaren« hoffen können
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Da hat uns der Westerwelle aber ganz schön einen eingeschenkt: In „spätrömischer Dekadenz“ seien wir geendet mit unserem Sozialsystem, welches arme Geringverdiener nicht besser stelle als Stütze-Empfänger. Das Echo des Aufschreis gegen diese Frechheit des FDP-Chefs schallt von allen Wänden: Esel! Brandstifter!

Was denkt der sich eigentlich? Was bitte hat das dürftige Dasein eines Hartz-IV-Empfängers mit „spätrömischer Dekadenz“ gemein? Wir haben eine recht plastische Vorstellung vom Leben in der erlöschenden Antike: Fette Schmerbäuche, gut betucht und fein gewandet, fläzen sich auf ihren Nobelpritschen und schieben Leckereien in sich hinein, bis sie brechen können. Können, nicht müssen, denn sie kitzeln sich absichtlich mit Pfauenfedern am Gaumen, um den Auswurf herbeizuführen. Danach stopfen sie ihre geschundenen Mägen abermals voll.

Dass draußen das Imperium in die Grütze geht, quittieren die orgienverseuchten Fressmaschinen  mit lakonischen Witzchen oder einem Rülpser. Was sollen die uns  anhaben, diese barbarischen Hüttenbewohner hinterm Rhein? Uns, die wir doch die Herrlichkeit der Welt sind!

Ja, so toll trieben es die alten Römer. Bis ihnen irgendwann die Rechnung präsentiert wurde. Das besorgten die Germanen, lauter junge, sportliche Siegfrieds, die sich von Bärenfleisch und Müsli ernährt hatten und daher genug Fitness mitbrachten für die nächsten anderthalbtausend Jahre.

So muss es gewesen sein, also meilenweit weg vom tristen Alltag in unseren Mietskasernen, wo die Hartzer wohnen. Tja, so war es aber nicht, behaupten Historiker. Wer ihnen folgt, den muss in der Tat der Verdacht beschleichen, dass wir den Spätrömern dichter auf den dekadenten Fersen sind als uns lieb sein kann.

Danach liest sich die Geschichte nämlich so: Zur Blütezeit unter Kaiser Augustus lief alles blendend. Die Wirtschaft florierte, das Geld war stabil, die Steuer niedrig und dennoch blieb dem Staat genug Geld, um die erwerbslosen Unterschichtler mit kostenlosem Weizenmehl zu versorgen, damit sie sich Brot backen konnten. Zudem wurden auf Staatskosten spannende Gladiatorenkämpfe, Lustspiele und anspruchsvolle Dramen aufgeführt, auf dass sich das Volk zerstreue.

Nach und nach aber stieg die Zahl der arbeitslosen Brot-und-Spiele-Empfänger immer rascher an. Die Staatskasse leerte sich. Um sie zu füllen, wurden die Steuern angehoben. Erst für die Reichen. Die gingen dazu über, ihr Geld zu verstecken oder hauten ganz ab. Danach musste die Mittelschicht dran glauben.

Die Unterschicht jedoch, die in trostlosen Mietskasernen auf ihre Zuteilungen wartete, wuchs weiter und drohte mit sozialen Unruhen. Um sie von den Mühen des Backens zu befreien, wurde bald Brot statt Mehl verteilt. Irgendwann wuchsen die Steuern auch für die Mittelschicht bedrohlich, gleichzeitig stieg die Inflation, das Geld wurde immer schlechter. Der Staat, einst das vergötterte Imperium, das jedes noch so kleine Römerlein mit Stolz erfüllte, wurde erst lästig, später zum Feind.

Und das Ende? Das stellen wir uns dramatisch vor, mit grollenden Barbaren, schreienden Frauen und schlotternden Männern. In Wahrheit, so behaupten Historiker, hätten die (West-)Römer den Schlussstrich unter ihr Reich im Jahre 476 eher mit einem Achselzucken, wenn nicht gar mit Erleichterung aufgenommen: Die Germanen haben die gierige Blase um den ahnungslosen, erst 16-jährigen letzten Kaiser zum Teufel gejagt? Bravo! Hoffentlich haben sie auch das Finanzamt niedergebrannt.

Seien wir ehrlich: So weit ist das wirklich nicht entfernt von uns. Wer hätte nicht schon mal davon geträumt, dass eine Horde fremder Wüstlinge ins Land schwappt und ihre Fackeln an den Fiskus hält? Na? Eine Mixtur aus Volksbelustigung und Wegelagerei, aus Unfähigkeit und Anmaßung, das war Roms „politische Klasse“ in der Dämmerung ihres Reiches. Das geht solange gut, wie genug Leute da sind, die man blechen lassen kann. Für die Bundesrepublik ist das derzeit noch kein Problem. In anderen Ecken des Heiligen Europäischen Reiches deutscher Kasse wird es da bekanntlich schon enger. Wir müssen nicht extra erwähnen, auf wen hier angespielt wird. Steht ja täglich in der Presse.

Doch Europa ist eine „Solidargemeinschaft“, weshalb auch hier die Gesetze der sozialen Gerechtigkeit zu gelten haben: Wer Geld erwirtschaftet hat, ist privilegiert, wer keines hat, ist sozial benachteiligt. Dabei ist ohne Belang, ob der Benachteiligte gar keine Chance auf Erwerb besaß oder einfach nur alles zum Fenster rausgeworfen hat. Benachteiligt ist benachteiligt. Keine Frage, wer hier wem etwas abgeben muss.

Ärgerlich ist nur die Gönnerpose, in die sich so mancher Geber wirft. Das demütigt die Nehmer. Vor langer Zeit schon haben kluge Köpfe daher ein System erdacht, in dem es erst gar nicht zu solchen „Ungleichgewichten“ bei der Güterverteilung kommt, welche die Menschen sozial spaltet in „Geber“ und „Nehmer“. Sie nannten es „Sozialismus“.

Der neue ständige Ratspräsident der EU, Herman van Rompuy, hat den „Ungleichgewichten“ bei der Wirtschaftsstärke der einzelnen EU-Länder den Kampf angesagt. Vor allem die „unkooperativen“ Deutschen will er wirtschaftspolitisch an die Leine legen, droht der Belgier. Die hätten durch ihre „Exportorientierung“, sprich: Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit, das Ungleichgewicht auf die Spitze getrieben und damit die Krise in anderen Ländern angefacht.

Eine straffere „Governance“ soll dem dauerhaft ein Ende setzen. Laut Lissabon-Vertrag kann die EU einzelnen Mitgliedstaaten „Grundzüge der Wirtschaftspolitik“ befehlen und den Befehl durchsetzen. Ein Veto-Recht wie früher hat Deutschland dagegen nicht mehr.

Was wohl auf uns zukommt? Wie will Brüssel die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zügeln? Durch Strafsteuern auf alles, was „Made in Germany“ ist? Per Demontagen? Eine neue Ruhrbesetzung?

Egal, zu den Einzelheiten kommt Rompuy später. Jedenfalls hat er die bewährte Grundthese des Sozialismus ganz und gar verinnerlicht, die da lautet: Wer die Schwachen stärken will, der muss zuallererst einmal die Starken schwächen.

Die Erfahrung lehrt indes, dass  die biestige Praxis stets eine andere Richtung einschlug, als es die sozialistische Theorie wissenschaftlich ermittelt hatte: Die Starken wurden zwar erfolgreich geschwächt, die Schwachen aber gewannen dadurch kein Stück an Stärke. Im Gegenteil: Im alten Rom bekamen, wie ausgeführt, die Stützeempfänger zum Schluss buchstäblich überhaupt nichts mehr gebacken.

Daher haben die, welche die Wahrheit des Sozialismus nach wie vor hartnäckig leugnen, eine recht genaue Vorstellung davon, was die EU-Hilfe für Griechenland auslösen wird in anderen Wackelländern. Ja, wenn das so geht, wozu denn anstrengen?, werden sie sich sagen.

Außerdem ist nach Rompuys Eingaben nun klar, dass die Schuld an den Kalamitäten nicht etwa die Griechen, Portugiesen oder Spanier trifft, sondern die Deutschen. Noch brennen in Athen bloß die blauen EU-Fahnen. Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass dort demnächst auch Schwarz-Rot-Gold, die Flagge der sozial Privilegierten, in Rauch aufgeht. Mit jedem Euro, den der deutsche Steuerzahler für Athen entbehrt, wird der Hass wachsen.

Doch es glimmt Licht am Ende des Tunnels. Wenn Brüssel mit uns fertig ist, wird in Deutschland nichts mehr zu holen sein. Dann dürfen wir selber mal um Hilfe bitten, falsch: unser soziales Recht einklagen. Die Frage ist nur, bei wem? Wer wird unser Deutschland sein, wenn wir Griechenland sind? Niemand, steht zu befürchten, weshalb wir dann nur noch auf „Barbaren“ hoffen können, die den Laden hier einfach dichtmachen.


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