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27.02.10 / Merkel – halb entrückt / Die Niederungen dieser Welt scheinen die Kanzlerin kaum mehr zu berühren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Merkel – halb entrückt
Die Niederungen dieser Welt scheinen die Kanzlerin kaum mehr zu berühren

Drei große Streitthemen prägten zuletzt die politische Debatte: Hartz IV, die Kernkraft und das Vertriebenenzentrum. Die Kanzlerin erlaubt es sich, nur mit von ihren Sprechern vorgetragenen Halbsätzen daran teilzunehmen. Sie wirkt zunehmend entrückt.

Dass Schweigen ein Führungsmittel sein kann, wussten schon die alten Römer. Auch der eine oder andere Papst zog es vor, zurückgezogen von den Niederungen der Welt öffentliche Auftritte auf ein Minimum zu beschränken.

Allerdings waren weder römische Kaiser noch kirchliche Oberhäupter auf Wahlerfolg angewiesen, und so überrascht es schon, wie konsequent die Bundeskanzlerin sich aus allen aktuellen Debatten ausgeklinkt hat. Beispiel Hartz IV: Seit Wochen schon läuft ein Streit mitten durch die Koalition hindurch, ja mitten durch die Reihen der CDU, aber die Kanzlerin und Parteichefin begnügte sich zunächst mit zwei Halbsätzen einer stelllvertretenden Regierungssprecherin. Westerwelle habe da wohl als FDP-Vorsitzender gesprochen, und so wie er das gesagt habe, sei das nicht „die Sprache der Kanzlerin“, lässt sie über ihr Denken wissen. Wenig später wiederholte sie diese Floskel zwar persönlich, doch bei genauerem Hinsehen ist das eine Null-Aussage, denn womöglich ist Merkel mit Westerwelle sogar völlig einig und würde nur die selben Inhalte lieber in andere Worte kleiden.

Auch die Debatte um die Kernenergie bestätigt die extreme Zurückhaltung der Regierungschefin. Hierzu gibt es ziemlich eindeutige Wortmeldungen Merkels, doch die sind mehrere Jahre alt. Seitdem sind die Kernkraftwerke noch sicherer und die Klimasorgen eher größer geworden. Nur ein klares Wort der Kanzlerin fehlt. Als der offene Dissens zwischen ihren Ministern Norbert Röttgen (Umwelt) und Rainer Brüderle (Wirtschaft) gar zu groß wurde, nahm sie nicht etwa klärend Stellung, sondern ließ wiederum nur einen Sprecher erklären, eine Festlegung auf diese oder jene Laufzeitverlängerung sei „verfrüht“. Auch hier hält sich Merkel also alle Optionen offen.

Dass noch radikaleres Schweigen möglich ist, zeigt die „Haltung“ Merkels in Sachen Vertriebenenzentrum. Noch nicht einmal eine Formulierung wie „vernünftiger Kompromiss“ war von ihr zu vernehmen, als kürzlich der monatelange Streit bereinigt wurde – sondern einfach nichts.

Nachdem Merkel bereits auf CDU-Parteitage vor und nach der Bundestagswahl verzichtet hatte, fragt der eine oder andere schon nach dem Befinden der Regierungschefin. Erinnerungen an Willy Brandt werden kolportiert, der als Kanzler immer wieder tagelang von der Bildfläche verschwand, um sich – so jedenfalls die hartnäckige Fama – in wiederkehrenden Depressionen mit Weib und Whisky zu trösten. Ähnliche Abstürze sagt der ziemlich asketischen Kanzlerin freilich niemand nach, und so ist die Abstinenz von sichtbarer politischer Aktivität die bisher einzige Parallele im Führungsstil der beiden.             Konrad Badenheuer


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