29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.02.10 / Italienisch an der Spree / Der Berlin-Tourismus wächst weiter: Ein Lichtblick für die schwache Wirtschaft der Hauptstadt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Italienisch an der Spree
Der Berlin-Tourismus wächst weiter: Ein Lichtblick für die schwache Wirtschaft der Hauptstadt

Trotz etlicher Rekorde in den vergangenen Jahren und trotz globaler Wirtschaftskrise wächst der Berlin-Tourismus kräftig weiter. Auf der Internationalen Tourismusbörse Mitte März wird die Metropole zum weltweiten Treffpunkt der Reisebranche.

Irgendwie war es zu spüren, dass die Italiener sich an die Spitze gesetzt haben. Immer öfter ist in der Bahn, im Restaurant und auf der Straße in Berlin Italienisch zu hören gewesen. Jetzt ist es amtlich: Italien gehört zu den wichtigsten Herkunftsländern der ausländischen Berlinbesucher, vor allem seit England, Amerika und Spanien so stark von der Wirtschaftskrise betroffen sind. In den ersten elf Monaten 2009 kamen 226000 Besucher von der Apenninhalbinsel und buchten 647000 Übernachtungen. Damit hat sich die Zahl der Italiener seit dem Jahr 2000 mehr als verdreifacht.

Billigfluggesellschaften machen es möglich: Den Flug nach Deutschland kann sich jeder leisten. Aus Rom, Mailand, Neapel, Pisa, Bergamo, Venedig, Turin oder Olbia wird Berlin inzwischen direkt angeflogen, oft zum Preis eines Abendessens. Bei Städtereisen hat die Hauptstadt die Nase vorn. Mit 6,1 Millionen Gästen lag Berlin 2009 weit vor München (3,7 Millionen) und Hamburg (3,3 Millionen).

Das zahlt sich aus für die klamme Hauptstadt. Nur in Mecklenburg-Vorpommern ist der Beitrag der Touristen zum Volkseinkommen noch größer als in Berlin. Das Überraschendste angesichts von Berlins Ruf als billiges Reiseziel: Der Durchschnittsgast gibt in der deutschen Hauptstadt 197 Euro pro Tag aus. Das ist ein Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt. Schätzungen zufolge geht schon ein Viertel des gesamten Umsatzes im Einzelhandel auf Touristen zurück. Deutsche und ausländische Gäste zusammen brachten es 2009 auf 19 Millionen Übernachtungen, dieses Jahr sollen es 20 Millionen werden.

Alle naselang werden neue Hotels eröffnet, um den wachsenden Zustrom bewältigen zu können – wie das „Intercity Hotel Berlin-Brandenburg Airport“, das in Kürze am Flughafen Schönefeld aufmacht. Die ganze Branche ist seit Jahren im Aufwind. „Chinesische Wachstumszahlen“, schwärmen Marktbeobachter angesichts des jährlichen Mehrs an Gästen und Umsätzen. Wenn in zwei Wochen vom 10. bis zum            14. März die Internationale Tourismusbörse (ITB) mit 11000 Ausstellern aus 180 Ländern in Berlin ihre Pforten öffnet, dann geht es immer auch um die Gastgeberstadt der Ausstellung.

Auf dem Arbeitsmarkt einer Millionenstadt, die kaum über Industrie verfügt, deren Finanz- und Handelsbranche ebenfalls nicht mithalten kann mit der vergleichbar großer Metropolen, ist der Fremdenverkehrsboom für viele die letzte Rettung. Hotels suchen insbesondere geringqualifizierte Arbeitskräfte, und von denen hat Berlin mehr als genug zu liefern. Das „Intercity Hotel“ vom Flughafen zum Beispiel sucht auch Lehrlinge, die es in der Branche zu etwas bringen wollen. Auch andere Hotels brauchen ständig Personal. Die Stellenanzeige für „Zimmermädchen/Roomboys“ fehlt in kaum einem Stellenteil.

Aber wird es immer so weitergehen? Es kursieren bereits Ängste, dass der Boom irgendwann ein jähes Ende nehmen könnte. Derzeit setzt alles auf die Fertigstellung des Großflughafens Schönefeld, der angeblich die internationale Erreichbarkeit erhöht. Schon jetzt ist Berlin über den alten Flughafen Schönefeld und über Tegel ausgezeichnet aus ganz Europa zu erreichen, wie das Beispiel der Italiener zeigt. Dass der neue Flughafen noch mehr Gäste bringt, erscheint da fraglich.

Wenn sich die hohen Erwartungen nicht erfüllen, dann könnte es zumindest vorübergehend bergab gehen mit der Berliner Fremdenverkehrswirtschaft. Kein Wirtschaftszweig bewegt sich immer nur in eine einzige Richtung. Schon jetzt gilt der Berliner Markt als „schwer umkämpft“. So jedenfalls der Chef von „Scandic“ Frank Fiskers. Die skandinavische Hotelgruppe will noch in diesem Jahr ihr Haus am Potsdamer Platz einweihen, wo sie eines der letzten leeren Baugrundstücke ergattert hat. Vor drei Monaten war Richtfest, Ende 2010 soll das 110-Millionen-Euro-Projekt mit 565 Zimmern in Betrieb genommen werden. Es wird dann Berlins viertgrößtes Hotel sein. Die Betreiber stellen 250 Arbeitsplätze in Aussicht.

2010 kommen weitere spektakuläre Neueröffnungen dazu: Die NH-Gruppe wird ein Hotel am Osthafen einweihen, die Ramada-Kette eines am      Alexanderplatz. Noch mehr Luxushotels – beispielsweise ein Haus der Kette Waldorf Astoria − sind in Planung. Viele Bauprojekte haben aber eines gemeinsam: Sie liegen im Zeitplan einige Monate zurück. Es sieht so aus, als habe es seitens der Investoren in der Planungsphase vor ein, zwei Jahren, als die Finanzwelt unter Schock stand, ein kollektives Innehalten gegeben. Abgesagt wurde aber keines der großen Projekte.

Dafür ist etwas über die Geschäftsstrategie des Neulings Scandic durchgesickert: Die Skandinavier wollen mit Kampfpreisen ihre Konkurrenz das Fürchten lehren: Zimmer ab 99 Euro. Das ist günstig für ein Vier-Sterne-Haus, insbesondere direkt am Potsdamer Platz. Das unbequem abseits liegende „Maritim“ mit ebenfalls vier Sternen verlangt 135 Euro. Da kommt ein Preiskrieg auf die Branche zu. Und im Krieg gibt es immer auch Tote und Verletzte.       Markus Schleusener

Internationale Tourismusbörse: 13. bis 14. März, Eintritt 14 Euro, Öffnungszeiten 10 bis 18 Uhr, Messegelände Berlin.

Foto: Arbeit und Einnahmen für die wirtschaftlich schwache  Hauptstadt:  Berlin-Touristen vor dem Reichstag. Bild: Getty


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren