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27.02.10 / Es geht um mehr als nur um Düsseldorf / Liberale sehen sich in die Enge gedrängt − Merkel möglicherweise nicht für Bündnis mit FDP

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Es geht um mehr als nur um Düsseldorf
Liberale sehen sich in die Enge gedrängt − Merkel möglicherweise nicht für Bündnis mit FDP

Die Nervosität steigt: In nur zehn Wochen treten die Nordrhein-Westfalen an die Urnen und wählen einen neuen Landtag. Ihre Entscheidung wird die gesamte deutsche Politik bis zur nächsten Bundestagswahl maßgeblich beeinflussen.

Nach den jüngsten Umfragen könnte die schwarz-gelbe Mehrheit in Nordrhein-Westfalen verlorengehen. Was dann? Unklare Koalitionsaussagen haben die Unsicherheit in den vergangen Wochen weiter wachsen lassen. Nachdem Rot-Rot, Schwarz-Grün und „Jamaika“ (Schwarz-Gelb-Grün) andernorts auf Landesebene bereits Realität sind, scheint so gut wie alles möglich in Düsseldorf. NRW wird zum Spielfeld für strategische Manöver aller Art.

Dabei wankt bereits eines der letzten Tabus: Während SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel eine Koalition mit der Linkspartei am Rhein noch einmal in weite Ferne gerückt hat, erklärt sein Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier die Koalitionsfrage kurzerhand zur reinen „Ländersache“. Damit hätte die nordrhein-westfälische SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft freie Hand. Ihr offizielles Hauptziel ist es, um jeden Preis zu verhindern, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland noch einmal eine Landesregierung ohne die SPD gebildet werden kann.

Das schließt von Großer Koalition bis hin zu Rot-Rot-Grün oder gar Rot-Grün unter „Tolerierung“ durch die Ultralinken alles ein – nur ein Bündnis mit der FDP scheint für die Sozialdemokraten derzeit kaum denkbar.

Das ist Guido Westerwelle nicht entgangen. Neben dem aus seiner Sicht enttäuschend unkollegialen Auftreten von Angela Merkel in den ersten Monaten von Schwarz-Gelb im Bund prägt vor allem dieser Befund sein Verhalten. Der Chef-Liberale hat erkannt, dass seine Partei zunehmend ausgegrenzt wird von den übrigen Formationen. Im Unterschied zur Kanzlerin, die sichtlich bemüht ist, sich alle Bündnismöglichkeiten, auch mit SPD und Grünen, offenzuhalten und daher jede polemische Zuspitzung meidet, sucht Westerwelle gerade sie: die Zuspitzung und Abgrenzung. Auf andere zuzugehen, das hieße nach seiner Analyse unterzugehen in einer Parteienmasse, in der mittlerweile nahezu jeder auf jeden zuzugehen scheint.

Die Kanzlerin lässt ihre Präferenzen dagegen im Unklaren. Vom „Wunschpartner FDP“ hört man sie nicht reden. Doch wenn in Düsseldorf ab kommendem Mai CDU und Grüne unter einem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers das Heft in der Hand hielten, dann wäre die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat dahin. „Gemischte“ Landesregierungen enthalten sich traditionell bei strittigen Fragen. Also müsste ein Ende der CDU/FDP-Koalition in Düsseldorf die Kanzlerin schrecken. Doch tut es das auch? Darüber gehen die Meinungen in Berlin erstaunlicherweise völlig auseinander.

Die einen halten Schwarz-Grün am Rhein für den „Albtraum der Kanzlerin“. Dann könne auf Bundesebene vieles nicht mehr durchgesetzt werden, ohne SPD und Grüne ins Boot zu holen.

Andere behaupten hingegen: Genau dies käme Merkel gerade recht. In solch einem Umfeld könne sie jedes liberale Reformvorhaben einfach kurzerhand wegbügeln mit dem Hinweis auf die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer. Merkel könnte dann ungestraft das tun, wofür ihr heute noch „mangelnde Führung“ und „inhaltliche Beliebigkeit“ vorgehalten wird: still aus dem Hintergrund präsidieren, statt lautstark die Richtung vorzugeben.

Für die Liberalen geht es am 9. Mai daher um einiges mehr als für die Union. Selbst wenn sie (entgegen den derzeitigen Umfragen) doch noch ein respektables Ergebnis in NRW einfahren sollten, ist nicht gesagt, ob es für Schwarz-Gelb reichen wird. Als kleiner Koalitionspartner in Berlin, dessen sämtliche Vorhaben mit Blick auf den Bundesrat schon am Kabinettstisch verworfen werden, dürfte sich das Bild eines machtlosen Schreihalses verfestigen, an dem Guido Westerwelle in den vergangenen Wochen bereits emsig gemalt hat.

Allerdings hat der FDP-Chef und Außenminister dieser Tage gelernt, dass sich polemische Angriffe auszahlen. Seit seinen Attacken gegen Fehlentwicklungen bei Hartz IV ist seine zuvor hal-bierte FDP in den Umfragen wieder im Aufwind.

Es steht also zu befürchten, dass sich Union und FDP am Kabinettstisch noch öfter und vielleicht sogar noch heftiger ins Gehege kommen, egal wie NRW ausgeht. Was sich derzeit noch als eine Erstarrung wegen des NRW-Wahlkampfes ausmachen lässt, könnte sich so zum Dauerzustand dieser Regierung bis 2012 auswachsen. Und das angesichts der gewaltigsten wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischen Herausforderungen seit den frühen 50er Jahren.

Der nächste Ärger ist schon programmiert: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird bald nach dem NRW-Urnengang die sparpolitische Folterkammer öffnen, und zwar mit der Botschaft an die FDP: Nichts geht mehr bei Gesundheit oder Steuerpolitik. Die einzigen, die das freuen wird, sitzen in der Opposition. SPD-Chef Gabriel wird zahllose Gelegenheiten bekommen, die Bundesregierung wegen unumgänglicher Sparmaßnahmen als „unsozial“ zu brandmarken.                  Hans Heckel

Foto: Mit verdeckten Karten: Dass Merkel oft nicht Position bezieht, reibt auch Westerwelle auf. Bild: mauritius


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