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27.02.10 / Noch droht der Bankrott / Isländer wollen nicht mehr in die EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Noch droht der Bankrott
Isländer wollen nicht mehr in die EU

Island ist eine Insel der Extreme – eisige Winter, vulkanische Hitze, einst hohes Wachstum, jetzt eine Krise, die das Leben des rund 320000 Einwohner zählenden Landes nachhaltig verändert – auf Kosten seiner Steuerzahler. Zugleich wächst der Einfluss der Gläubiger-Staaten, allen voran der der EU. Der finanzielle Paria-Status drohe, warnt der britische Finanzstaatssekretär Lord Paul Myners. Island ist ohne fremde Hilfe zahlungsunfähig.

Allein Briten und Niederländer fordern 3,8 Milliarden Euro. Grund sind Geldanlagen ihrer Sparer in Island – das Geld ist verloren, Großbritannien entschädigte selbst und will nun Island haftbar machen. Vor allem der Zusammenbruch der Internetbank Icesave verbreitet nach der Verstaatlichung der wichtigsten isländischen Banken eisige Stimmung in den Beziehungen zu Europa. Die Briten aktivierten kurzerhand für den Anti-Terror-Kampf verabschiedete Gesetze, um Islands Banken am Abzug von Geld aus Großbritannien zu hindern – ein Faustpfand. Die Rückzahlung der Einlagen britischer Sparer hat das Parlament in Reykjavik zwar bewilligt, doch in der Bevölkerung gärt es seither – sie muss die Rechnung begleichen. Jeder zehnte Isländer hat gegen die Rückzahlung unterschrieben. Politiker, die im Dezember dafür stimmten, werden als „Verräter“ beschimpft. Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson verweigerte seine für den Beschluss nötige Unterschrift, erzwang so, dass die Isländer in einem Referendum über die Rückzahlung abstimmen dürfen. Dies will die EU verhindern. Im Fall eines „Nein“, steht Island der Ausstieg aus dem internationalen Finanzsystem bevor, aber auch das Veto einzelner EU-Mitglieder gegen eine Mitgliedschaft der Insel in der Gemeinschaft. Zumindest könnten die Niederlande und Großbritannien die Bedingungen diktieren.

Laut Meinungsumfragen hat sich die Stimmung der Isländer daher längst gedreht: Über die Hälfte der Wahlberechtigten könnte gegen einen EU-Beitritt stimmen. Der sozialdemokratischen Regierung unter Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir steht neben Demütigungen auf internationalem Parkett jetzt das Versiegen fremder Geldquellen bevor. Sie hatte sich gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) als Haupt-Kreditgeber als Voraussetzung weiterer Kredite verpflichtet, die Icesave-Krise mit einer Einigung zu beenden. Noch hält Sigurdardóttir am EU-Kurs fest, doch längst sind es nicht mehr nur Fischerei-Beschränkungen aus Brüssel, die den Isländern den Geschmack am Beitritt verderben. In den vorgezogenen Neuwahlen im Mai entscheiden die Bürger indirekt über den Beitritt. Zusätzlich wird es nach dem Willen der Sozialdemokraten eine Volksabstimmung zur EU-Frage geben. Schnell solle Island sich jetzt bewerben, sagt EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn – der Finne sieht die Chancen auf Island als künftigen EU-Netto-Zahler schwinden. Manchem Isländer wäre es lieber, angesichts der Inflation von 6,6 Prozent stattdessen den Euro mit dem Rest Europas gemeinsam zu haben. Die EU lehnt derartige Pläne jedoch ab. Ob Islands Politik den Beitritt dem eigenen Volk noch vermitteln kann, ist daher fraglich.       SV


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