25.04.2024

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27.02.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

es geschieht immer wieder, dass ich, wenn ich in einer Gesprächsrunde auf die Ostpreußische Familie und ihre Erfolge zu sprechen komme, auf Ungläubigkeit und sogar Unverständnis stoße. Die Frage steht dann im Raum: Was soll die Suche nach so langer Zeit? Und die daraus gezogene Konsequenz: Lasst doch die Vergangenheit ruhen. Gut, das kann jeder für sich entscheiden. Die vielen Zuschriften, die ich von jüngeren Schreibern erhalte, beweisen das Gegenteil. Sie suchen bewusst ihre Wurzeln, vielleicht gerade deshalb, weil sie aus Familien stammen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Hab und Gut, oft in Jahrhunderten erarbeitet und bewahrt, ging verloren, die Familien wurden auseinander gerissen – aber ist man deshalb entwurzelt? Auch wenn Eltern und Großeltern nicht darüber sprechen konnten oder wollten, die Fragen blieben bestehen und werden drängender. Und verwirrender. Wie bei Frau Marianne J., die auf der Suche nach den Spuren ihres Großvaters Paul Freitag ist. Von dem sie erst spät erfahren hat, weil er in ihrer Kindheit einfach nicht vorhanden war. „Ich wusste nicht, dass ich einen richtigen Großvater habe. Erst nach dem Tod meiner Großmutter wurde mir gesagt, dass er den Krieg überlebt hatte und ein Jahr vor meiner Geburt verstarb. So weit, so gut. Nun möchte ich mehr über ihn erfahren und stoße an bürokratische Hürden, die ein Weitersuchen unmöglich machen.“ Und deshalb wendet sich Frau  J. an unsere Ostpreußische Familie, denn „ich will nicht einfach aufgeben. Das hat mein Großvater nicht verdient und mein Vater auch nicht. Können Sie helfen?“

Ja, können wir? Zumindestens die Suchfrage weitergeben und hoffen, dass sich brauchbare Spuren finden, die ihre Großmutter getilgt hatte. Denn die gravierenden Ereignisse jener Zeit – Krieg, Flucht und Gefangenschaft – hatte das ostpreußische Ehepaar nicht bewältigen können, die Ehe wurde 1948 geschieden. Beide heirateten erneut und hatten wohl trotz ihrer drei gemeinsamen Kinder keinen Kontakt mehr zueinander. Als die Großmutter verstorben war, tauchte auf einmal der Name ihres ersten Mannes auf. Und da es sich ja um ihren leiblichen Großvater handelte, den Vater ihres Vaters, begann Marianne J. intensiv zu forschen. Die Gestalt des bis dahin nicht existierenden Großvaters nahm langsam Konturen an, aber sie sind noch sehr verschwommen. Und das betrifft schon seine Herkunft. Paul Freitag soll in Langenau, Kreis Rosenberg am 3. April 1908 geboren sein. Es gibt aber im Taufbuch keine Hinweise, wie Pfarrer Rafinski aus Langenau (Legewo) Frau J. bestätigt hat. Auch in der Sterbeurkunde des Großvaters steht, dass Geburtsdatum und -ort nicht beurkundet seien. Der Pfarrer hat in älteren Kirchenbüchern in Langenau beziehungsweise Rosenberg eine Familie Freitag/Freytag gefunden, ob hier Verbindungen bestanden haben, konnte nicht geklärt werden. 1934 heiratete Paul Freitag die aus Hirschberg, Kreis Osterode stammende Anna Marie Sottke. Im Familienbuch des Ehepaares ist als Mutter des Mannes eine Martha Freitag eingetragen, ein Vater wird nicht genannt. Das Ehepaar bekam drei Kinder – Horst, Willi und Edeltraut –, als Wohnort wird bis 1945 Gröben, später Osterode genannt. Paul Freitag war bereits 1939 eingezogen worden und wahrscheinlich in Königsberg stationiert. Belegt ist seine Einheit: 2.Komp.H.Pl.745, aufgestellt 1941 in Prag, aufgerieben im Februar 1944 beim Unternehmen „Zitadelle“. Er kam in russische Gefangenschaft, wurde erst 1948 in die Bundesrepublik Deutschland entlassen. Nach seiner noch in jenem Jahr erfolgten Scheidung lebte Paul Freitag in Hildesheim. 1953 heiratete er die aus dieser Stadt stammende Ursula Komor geborene Krages, für beide Partner war es die zweite Ehe. Sie währte nicht lange: Paul Freitag verstarb bereits im März 1963, seine Frau Ursula 1974. Aus dieser Ehe muss ein Sohn stammen, wie nun die Enkelin in akribischer Suche ermitteln konnte. Sie machte nämlich die Todesanzeigen der Eheleute ausfindig, in denen sich ein Wilfried Freitag bei Vater und Mutter bedankt. „Das heißt also, dass ich einen Onkel habe“, schreibt Frau J.. Nur – sie kann ihn nicht finden, obwohl sie alle im deutschen Telefonbuch verzeichneten Teilnehmer dieses Namens angerufen hat. Auch eine Bewohnerbefragung in Hildesheim erbrachte nichts. Es könnte sein, dass Wilfried Freitag, Geburtsdatum unbekannt, zeitweilig in der Steinbergstraße 65 in Hildesheim gewohnt hat. Weitere Angehörige ließen sich weder beim Einwohnermeldeamt noch bei anderen Behörden ermitteln.

Nun ist also unsere Ostpreußische Familie gefragt! Wer kennt einen Wilfried Freitag aus Hildesheim, dessen Vater aus Westpreußen beziehungsweise Ostpreußen stammte? Wer von ehemaligen Bewohnern von Langenau, Kreis Rosenberg kann etwas über eine dort wohnhaft gewesene Familie Freitag sagen? Wer kannte das Ehepaar Paul und Anna Marie Freitag aus Gröben, Kreis Osterode? Wer war mit Paul Freitag während des Krieges oder in Gefangenschaft zusammen? Hier liefen alle Nachforschungen über die zuständigen Infostellen wie die WASt ins Leere. Auf Informationen aus Moskau über die Kriegsgefangenschaft wartet Frau J. bereits ein Jahr. Vom Standesamt 1 in Berlin wurde ihr mitgeteilt, dass das Ermitteln der Daten mit Randvermerken mindestens zweieinhalb Jahre dauert! „Das hinterlässt ein Gefühl der Ohnmacht“, sagt Frau J.. Ich habe diesen Suchwunsch deshalb so eingehend behandelt, weil er deutlich macht, warum unsere Ostpreußische Familie für viele bisher vergeblich Suchende der letzte Hoffnungsträger ist.

Das veranlasst auch Frau Ursula Gehlhaar an uns zu schreiben, denn auch die Suche ihrer Pflegeschwester nach deren leiblicher Mutter war bisher vergeblich. „Da ich die Zusammenführung suchender Ostpreußen, die oft gelingt, wöchentlich im Ostpreußenblatt verfolge, keimt in meiner Schwester und mir der Gedanke auf, dass Sie vielleicht helfen könnten“, schreibt Frau Gehlhaar und übermittelt uns ihre knapp und klar formulierte Suchfrage, die ich fast wörtlich übernehmen kann.

„Ingrid Hartlehnert wurde am 14. August 1941 in der Universitätsklinik Königsberg als Ingrid Sabine Heise geboren. Ihre Mutter ist Erna Heise, * 1919 laut Angaben aus dem Geburtsregister der Klinik, in dem auch deren Heimatadresse – Königsberg, Tragheimer Pulverstraße 27 – eingetragen ist. Frau Heise war damals ledig. Den Vater des Kindes habe ich einmal kurz gesehen, er hieß Walter Manus und war ehemaliger Soldat bei der Flak. Er hatte die Vaterschaft anerkannt. Der 1915 in Königsberg Geborene hat nach Kriegsende bis zu seinem Tod in Bielefeld gewohnt. Erna Heise war in einer Konditorei auf dem Steindamm beschäftigt. Ich habe sie selber dort einmal aufgesucht, der Name ist mir aber entfallen. Ingrid kam im Dezember 1941 als Pflegekind zu meinen Eltern Max und Therese Funk in Königsberg, Speichersdorferstraße 121B. Vielleicht hat jemand Erna Heise gekannt und weiß etwas über ihren Verbleib? Wir hoffen, keine Fehlbitte getan zu haben.“

Das hoffen wir auch, liebe Frau Gehlhaar. Vielleicht erinnern sich ehemalige Bekannte oder Nachbarn an Erna Heise, haben mit ihr in einer Konditorei auf dem Steindamm (Alhambra, Alt-Wien, Café Dreblow, Erich Steiner?) zusammen gearbeitet, können wenigstens über einige Strecken des Lebensweges von Erna Heise, der von Krieg, Flucht, russischer Besatzung, Gefangenschaft, aber auch von Heirat markiert sein könnte, etwas aussagen. Die Tochter wartet sehr darauf. (Ingrid Hartlehnert, Hebelweg 7 in 79771 Klettgau-Erzingen, Telefon 07742 / 6971.)

Die Erinnerungen an die Musiklehrerin des Bismarck-Oberlyzeums in Königsberg, Eva Maraun, hat weitere geweckt, so bei unserm Landsmann Peter Perrey. Zwar ist er als Junge nicht von ihr unterrichtet worden – ich weiß auch nicht, ob das bei dieser sehr eigenwilligen Musikpädagogin auch gut gegangen wäre –, aber seine Mutter Charlotte Perrey, die sogar bei ihr Klavierunterricht gehabt haben soll. Was mir eher unwahrscheinlich erscheint, denn Eva Maraun war Gesanglehrerin, die in Zusammenarbeit mit Hugo Hartung junge musikalische Talente förderte und forderte. Herr Perrey nimmt diese Erinnerungen zum Anlass, um nach ehemaligen Mitschülerinnen seiner Mutter und ihrer Cousinen zu suchen, um alte Klassenfotos zu finden, auf denen sie abgebildet sind. Seine 1914 geborene Mutter hieß damals Lotti Bogatz, die Cousinen Käte, Hildegard und Selma Reck. Zu ihnen gehörte auch die im Hause Reck aufgewachsene Gerda Reimer. In Zusammenhang mit der Familie Bogatz gibt es noch weitere Fragen. Charlotte Bogatz war die einzige Tochter des Regierungsoberinspektors Franz Bogatz, * 1883 in Groß Stürlack, Kreis Lötzen, und seiner Ehefrau Martha geborene Jaeckel, * 1890 in Pillau. Die Familie wohnte in ihrem Haus Gottschedstr. 36a in Juditten. Dort hat auch Peter Perrey die ersten vier Jahre seines Lebens verbracht. Die Urgroßeltern Johann Borgatz, * 1857 in Carlsdorf/Nikolaiken, und Elisabeth geborene Meyer, * 1860 in Theerwisch, Kreis Ortelsburg, bewirtschafteten nach 1910 einen Bauernhof in Pötschendorf-Abbau, Kreis Rastenburg. Da es dort mehrere Abbauten gab, würde Herr Perrey gerne wissen, welcher im Besitz der Familie war. Johann Bogatz hatte noch einen Bruder Friedrich, * 1852 in Grabnick, es dürften aber mehrere Geschwister gewesen sein. Deren Eltern waren Gottlieb Bogatz und Frau Mine geborene Nadolny, * in Carlshof, sowie Christian Meyer und Frau Louise geborene Tempenau, * in Theerwisch. Da der Familienname Bogatz in der Gegend um Nikolaiken häufig vorkam, erhofft sich Herr Perrey genealogische Hinweise aus unserer Leserschaft und wünscht sich das Glück, „das schon so viele vor mir hatten!“ (Peter Perrey, Virchowweg 22 in 31535 Neustadt, Telefon 05032 / 94670.)

Das so anheimelnde Bild einer ostdeutschen Stadt, mit dem unsere Kolumne diesmal bebildert ist, wird bei manchen Leserinnen und Lesern Erinnerungen erwecken, vor allem, wenn es sich um deren Heimatstadt handelt. Es ist mit einer Frage verbunden, die sich nicht auf den Künstler bezieht, sondern auf das Sujet: Wer kann etwas über diese Stadt und die Stelle sagen, die den Künstler zu dieser handkolorierten Radierung angeregt hat? (Traute Grensing)

Eure Ruth Geede

Foto: Eine ostdeutsche Stadt: Wer kann etwas über diese Stadt und die Stelle sagen, die den Künstler zu dieser handkolorierten Radierung angeregt hat?           Bild: privat


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