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27.02.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Der Sommer ist da! / Wovor uns Denglisch schützt, wo die echten Südländer wohnen, und wie Westerwelle die Parlamentsferien vorgezogen hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wenn du nur sehr wenig zu sagen hast, dann sag’s auf Englisch, lautet die Devise der Wichtigtuer. Dann klingt alles viel schicker und nach mehr, glauben sie. Darunter zu leiden haben vor allem die Englischkundigen, weil sie das Geplapper besonders schmerzhaft heraushören. Da wird dann geworben für ein „Ereignis mit Event-Charakter“ (Event = Ereignis), das auf einem „Höhepunkt gipfelt, der ein echtes Highlight ist“ (Highlight = Höhepunkt), wobei sich der Gast nicht mal anstrengen müsse. Im Gegenteil könne er dort sogar „richtig entspannen und relaxen“ (to relax = sich entspannen).

Doch längst wird die trübe Sprachbrühe als „Denglisch“ verhöhnt und gilt als Ausdruck einer niederen Kulturstufe, was sich bis zur Deutschen Bahn herumgetratscht hat. Die will nun wieder zu den alphabetisierten Mitteleuropäern aufschließen und den Sprachmatsch in den Mülleimer für gescheiterte Angeberei stopfen. Das wird Folgen haben: Ausländische Reisende blieben den „Countern“ bislang fern, weil sie sich unter einem „Service Point“ alles Mögliche, also gar nichts vorstellen konnten. So hatten die Bahnangestellten Ruhe vor ihnen. Die demnächst so genannten „Informationsstellen“ hingegen werden sie problemlos als Auskunft erkennen und mit Fragen nerven.

Das ist es doch: Denglisch reden wir am liebsten, wenn wir gar nicht wollen, dass die anderen herausbekommen, was wir sagen. Es bietet jedermann einen Schutz vor dem Verstandenwerden, den früher nur gebildete Leute genossen, die sich umständlicher Fachvokabeln bedienen konnten, um uns an der Nase herumzuführen. Denglisch dagegen kann jeder, der sich nicht schämt.

Parteien schämen sich eher selten, verbergen indes gern mal etwas, wie beispielsweise ihre „Parteispenden“. Das Wort allein hat  einen geradezu neapolitanischen Klang. Wir denken an geheime Einflussnahme, an Briefumschläge und schwarze Koffer und merkwürdige Konten und so was alles. Schweinkram eben. Deshalb haben die Parteien beschlossen, lieber von „Parteitags-Sponsoring“ zu denglischen. Das hat sowas Dynamisches, es klingt nach Sport und jungen Talenten. Das heißt: Es klang so, bis die Woche kam, in welcher der Generalsekretär der NRW-CDU gehen muss­te. Nun ist auch diese Schöpfung den Weg alles Denglischen gegangen: Sobald die Leute raushaben, was es wirklich bedeutet, ist das Wort verbrannt.

Nun wird wieder allerorten die Furcht geäußert, die Affäre, die wie alle Affären natürlich gar keine war, könne das „Vertrauen in die Politik untergraben“. Das ... was? Na, na – jetzt nicht zickig werden! Und überhaupt: Es ist doch ein ganz außergewöhnlicher Vertrauensbeweis, wenn Unternehmer Zigtausende hinblättern, nur um ein paar Minuten mit einem Ministerpräsidenten zu plaudern! Wobei es ihnen nicht etwa um materielle Vorteile für ihre Firma geht, wie ja alle Beteiligten versichern, sondern nur darum, der weisen Eingebungen ihres Landesvaters teilhaftig zu werden. Das hat doch was. Und was hat es? Den strengen Geruch von Pizza Napolitana.

Aber was haben wir denn gegen Neapel? Wunderschöne Gegend, nette, temperamentvolle Menschen. So etwas mögen wir doch eigentlich. Und grämen uns immer, wenn wir bemerken, dass wir so ganz anders sind, so spießig, so pedantisch, so hektisch. Das trifft aber nicht auf alle Teutonen zu, es gibt heitere Ausnahmen. Das schöne Köln brüstet sich ob seiner rheinischen Frohnatur damit, die „nördlichste Stadt Italiens“ zu sein. Das übrige Deutschland schmunzelte bislang über diese pittoreske Selbstbeschreibung. Aus der U-Bahn-Perspektive betrachtet erkennen wir  jedoch, wie ernst es die Kölner damit meinten.

Anders als jene peinlichen deutschen Touristen, die im Süden ungelenk einen auf Südländer machen, haben es die Kölner wirklich drauf mit der mediterranen Lebensart. Selbst nach der Katastrophe mit dem Stadtarchiv und dem Anblick eines Kirchturms, der sich bedenklich neigte, ließen die Verantwortlichen der Domstadt munter weiter schludern und pfuschen. Soviel Sorglosigkeit kann man gar nicht spielen, die muss echt sein. Rispetto!

Deshalb machen wir ja so gern Urlaub am Mittelmeer. Möge die Gelassenheit der Menschen dort auf uns übergreifen. Alles mal ganz locker auf sich zukommen lassen, statt jede Sache voller Ungeduld voranzutreiben und straff durchzuorganisieren. Morgen? Ach, sehen wir mal.

Wieder zu Hause indes schlägt die Stimmung jäh um. Was wir eben noch erhofften, macht uns plötzlich Angst. Unser Quadratschädel fürchtet, dass der südliche Schlendrian unser Land schon infiziert hat: „So was gab es hier früher nicht!“, bemäkeln wir jede Abweichung von der preußischen Norm. Da ist sie wieder, die Ungeduld, die Hast, die Pedanterie.

Ist die Furcht berechtigt? Zumindest was Hast und Ungeduld angeht, brauchen wir keine Bange zu haben, solange Guido Westerwelle unter uns weilt. Der kann keine Sekunde still sitzen, ohne in Panik zu geraten. Da schmilzt gerade erst der Schnee weg, und der FDP-Chef lüftet schon den Vorhang zum Sommertheater.

Er hat alle Requisiten mitgebracht: Das Aufreger-Thema, den bellenden Text, selbst das aufgebrachte Publikum hat sich der Außenminister höchstpersönlich organisiert. Er wusste, wie gierig sich die Opposition auf das Stück „Hartz-IV-Schmarotzer“ stürzen würde. Nun tanzt das ganze Land vor seiner Bühne.

Wobei sich auf unsere Begeisterung ein kleiner Schatten legt. Natürlicherweise startet das Sommertheater erst zum Beginn der Parlamentsferien und endet abrupt, wenn alle wieder da sind. Die Westerwelle-Aufführung hält sich beim Starttermin offensichtlich nicht an das traditionelle Datum. Was, wenn auch der Schluss­tag unbestimmt ist? Wenn der Schwank gar überhaupt kein Ende nehmen sollte? Da werden die stärksten Koalitionsbeine lahm. Die CSU stöhnt in allen Tonlagen, von kollegial bis gallig. Und die CDU? Die vertritt, wie in letzter Zeit immer häufiger, alle Meinungen gleichzeitig. Man sei halt eine „lebendige Partei“, verteidigen schwarze Spitzenpolitiker die Zustände bei Merkels unterm Sofa, wo die Atomkraftwerke lustig an- und ausgeknipst werden.

Wir wollen hoffen, dass sich die Deutschen nicht allzu sehr für Politik interessieren und ihre Wahl allein danach treffen, wer ihnen sympathisch ist. Politische Wähler wollen nämlich nicht nur wissen, für wen sie stimmen, sondern obendrein, was sie sich damit einhandeln.

Nervige Leute sind das, unter denen sich, was die „CDU-Klientel“ angeht, jede Menge Kernkraft-Befürworter tummeln. Die gucken über die deutschen Grenzen und sehen, dass überall neue Meiler gebaut oder geplant werden. Warum steigen wir dann so schnell es geht aus? Nun will sogar Venezuelas Hugo Chávez ein eigenes Atomprogramm anleiern. Sein Grund: Der Marxist hat es tatsächlich geschafft, sein ölreiches Land in eine Energiekrise zu stürzen.

Nein, nein, das waren nicht er und seine atemberaubende Misswirtschaft, das waren die USA und der Kapitalismus, wie Chávez sagt. Und zwar weil die Amis erstens viel zu viel Öl verbrauchten, was die Klimakatastrophe ausgelöst habe, deretwegen die Stauseen seiner Wasserkraftwerke  leer seien. Und zweitens, weil die Amis immer weniger Öl verbrauchten, was die Einnahmen Venezuelas beim Ölexport (Hauptabnehmer: USA) habe einbrechen lassen, weshalb jetzt neben Energie auch alles andere knapp werde. Ja, diese Teufel!

Was da ein Atomprogramm nützen soll, weiß keiner genau. Vielleicht hat Chávez auch nur in die Zukunft geblickt und dabei entdeckt, wie sein Land aussehen wird, wenn er in 20 Jahren fertig ist mit seinem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ – nämlich so ähnlich wie Nordkorea. Da ist so ein bisschen Nuklearzeugs ganz nützlich, um sich Hilfslieferungen zu erpressen.


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