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06.03.10 / Vor neuen Gewittern / Verrenkungen um Hartz IV – Bei der Gesundheit droht ein bitterer Streit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

Vor neuen Gewittern
Verrenkungen um Hartz IV – Bei der Gesundheit droht ein bitterer Streit

Der zähe koalitionsinterne Streit geht weiter. In Sachen Hartz IV wurde ein bitterer Zwist, bei dem es um Milliarden geht, rhetorisch verklausuliert ausgetragen. Beim sich abzeichnenden Konflikt um die Gesundheitsprämie wird dagegen bereits Klartext gesprochen.

Fast 30 Jahre muss man zurückblicken, in die Spätphase der Regierung Schmidt/Genscher, um einen ähnlich intensiven öffentlichen Zwist zwischen Kanzler und Vizekanzler zu finden. Seit Wochen trampelt ein sichtlich angeschlagener FDP-Chef auf den Nerven seines Koalitionspartners herum. Zwar fehlen persönlich verletztende Worte, doch die Ausführlichkeit des Schlagabtausches ist beispiellos: Zuletzt verging kaum ein Tag, an dem Westerwelle und Merkel einander nicht in großen Zeitungsbeiträgen, Interviews und sogar im Bundestag erklärten, was bei Hartz IV schiefläuft. Genauer: Westerwelle verlangt Reformen, Merkel hingegen versucht, ohne echten Widerspruch in der Sache dagegenzuhalten.

Mit drastischen Formulierungen erweckt Westerwelle dabei den Eindruck, Arbeit lohne sich nicht mehr, es sei „dekadent“, wenn der Staat in großem Stil Erwerbsfähige alimentiere. Merkel entgegnet, das Gebot des „Lohnabstandes“ sei doch ganz unstrittig.

Hier sagen im Grunde beide die Halbwahrheit: Nur in seltenen Fällen hat heute der Hartz-IV-Empfänger tatsächlich mehr in der Tasche als der Erwerbstätige. Die Gretchenfrage ist nur, ob dieser Abstand groß genug ist, damit möglichst kein Arbeitsfähiger ohne Not zuhause bleibt und das ganze System unfinanzierbar wird. Die FDP meint, der Abstand müsse größer werden, Teile der SPD und die Linke wollen ihn sogar noch verkleinern, und Merkel hält sich bedeckt, indem sie die eine Floskel mit der anderen kontert: Schattenboxen in Berlin.

Bemerkenswert ist, dass Westerwelle von seinem Konfliktkurs bisher kaum Nutzen hat. Seit seinem größten Umfragetief im Februar hat seine Partei nur einen Prozentpunkt zurückgewonnen. In der öffentlichen Wahrnehmung hat er den Bogen überspannt, vor allem fehlen bürgerlichen Wählern konkrete Lösungsvorschläge.

Genüsslich stochert die Regierungschefin in den dünnen Stellen der Liberalen. Auf die Frage, ob diese denn überhaupt voll regierungsfähig seien, erwiderte sie giftig-süß: „Also ich glaube schon, dass die FDP regierungswillig vor allen Dingen ist und auch regierungsfähig.“ Drastischer sagt es das Satiremagazin Titanic: „Toyota ruft Westerwelle zurück“ ätzt das Blatt und begründet bissig: „Kopfdichtung defekt − Schraube locker − nicht zu bremsen“.

Angesichts der Konfliktfreude des FDP-Chefs könnte der nächste große Krach, der um die Gesundheitsreform, heftig ausfallen. Auch hier ist der Koalitionsvertrag wenig eindeutig und gibt die heiße Kartoffel an eine erst noch einzusetzende Kommission weiter. Die CSU hat sich bereits auf ein grundsätzliches Nein zur „Kopfprämie“ festgelegt. Das große Hängen und Würgen dürfte also weitergehen.           Konrad Badenheuer


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