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06.03.10 / Wenn Kinder lärmen / Neues Gesetz für Berlin: Der Krach der Kleinen ist hinzunehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

Wenn Kinder lärmen
Neues Gesetz für Berlin: Der Krach der Kleinen ist hinzunehmen

Kinder machen Lärm. Wie viel erlaubt ist, hat die Gerichte schon oft beschäftigt – bis zum Bundesgerichtshof. Jetzt hat Berlin ein Landes-Immissionsschutzgesetz verabschiedet, wonach Kindergeräusche grundsätzlich hinzunehmen sind.

Beschwerdemöglichkeiten über zu lauten Nachwuchs gehören damit bald der Vergangenheit an. So lobenswert das Ansinnen erscheint: Es ist vor allem symbolpolitisch zu verstehen, wenn Parteien wie die SPD in Berlin, aber auch CDU und Grüne in Hamburg sich auf diese Weise für Kinder stark machen – eine Initiative, die wenig kostet. Sie könnte zudem überflüssig sein: „Kinder als solche sind keine Störung“, stellte  schon 2001 das Landgericht Bad Kreuznach fest (AZ: 1 S 21/01) und wies damit eine Klage in einem Mehrfamilienhaus zurück.

Geräusche seien „künftig auch juristisch als sozial adäquat und damit zumutbar zu beurteilen“, zitierte die Berliner Umweltbehörde jetzt ihre neue Richtlinie – wenig Unterschied. Meist fordern Gegner lautstarker kindlicher Ausdrucksformen per Unterlassungsverpflichtung (Paragraph 1004, Abs. 1, BGB) Ruhe. In der Praxis entschieden Richter aber meist zugunsten der Kinder. So auch der Bundesgerichtshof, der 1991 dem „Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung“ den Vorrang einräumte – zum Ärger der Hausbesitzer, die gegen einen Jugendzeltplatz vorgegangen waren (AZ: V ZR 62/91).

Letztlich haben Einzelurteile gegen Hamburger Kindertagesstätten den aktuellen Gesetzgebungsbedarf erst ausgelöst. Ist das Bürgerliche Gesetzbuch als Werkzeug gegen Kinderlärm stumpf, so sind es gerade die Landesgesetze, die mit Appellen an gegenseitige Rück­sichtnahme offenbar nicht mehr wirken. Gerade in Städten kämpfen Kindertagesstätten in Prozessen. Vermieter und Anwohner beschweren sich, Kinder seien heute lauter, die Erziehung zur Rücksichtnahme, die in manchen alten Verordnungen noch gleichberechtigt neben dem kindlichen Recht auf Entfaltung steht, sei nicht mehr gegeben.

Es geht bei den aktuellen Initiativen also nicht um einen Kampf um mehr Kinderfreundlichkeit. Der Vorstoß offenbart vielmehr allgemeine Unfähigkeit zu einem Mindestmaß an gegenseitigem Verständnis – war früher Lärm zu bestimmten Zeiten verboten, ist dies heute genauso wenig mehr selbstverständlich, wie die Tatsache, dass Kinder zum Leben dazugehören.             SV


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