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06.03.10 / EKD geschockt und gespalten / Das Rennen um die Käßmann-Nachfolge ist offen – Schneider oder Friedrich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

EKD geschockt und gespalten
Das Rennen um die Käßmann-Nachfolge ist offen – Schneider oder Friedrich?

Noch unter dem Schock des Rücktritts von Margot Käßmann als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat die Suche nach einem Nachfolger begonnen. Von „einem noch gar nicht ermessenen Verlust“ sprach die Präsidentin der EKD-Synode Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Allein auf dem ökumenischen Kirchentag im Mai sollte Frau Käßmann 16 Mal auftreten. Im Jahr 2017, beim 500-jährigen Reformationsjubiläum, wäre sie die entscheidende Repräsentantin gewesen. Die Alkoholfahrt Käßmanns durchkreuzte jäh alle Planungen.

Bis zum Herbst wird nun Nikolaus Schneider, Präses der Rheinischen Landeskirche und bisheriger Stellvertreter Käßmanns, die Geschäfte der EKD führen. Auf der turnusmäßigen Sitzung des Rates am vergangenen Wochenende erhielt Schneider „fast einmütig“, wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtete, eine Empfehlung als zukünftiger Ratsvorsitzender, den die EKD-Synode im kommenden Herbst wählen muss.

Indes beeilten sich Schneider, Göring-Eckardt und der einflussreiche bayrische Landesbischof Johannes Friedrich zu erklären, man wolle dem Synoden-Votum nicht vorgreifen.

Alle Voten oder Spekulationen über den neuen obersten Repräsentanten der evangelischen Landeskirchen stehen derzeit unter starkem Vorbehalt. Der EKD-Rat gilt trotz aller äußerlichen Harmonie als ausgesprochenes Haifischbecken. Nach der jetzt bekannten Lage der Dinge hat sich Margot Käßmann, die eigentlich zum Bleiben in ihren Ämtern entschlossen war, erst am Dienstagabend – und zwar noch nach dem Votum des EKD-Rates – zum Rücktritt entschlossen. Das kam nur für viele Beobachter überraschend, die den feinen Unterschied von „einmütig“ und „einstimmig“ übersehen hatten. Denn offenbar hatten sich bei der Solidaritätserklärung viele Ratsmitglieder der Stimme enthalten. Bei dem Votum für Schneider als zukünftigen EKD-Chef heißt es nun „fast einmütig“. Dies deutet auf bedeutende Meinungsverschiedenheiten innerhalb des EKD-Rates, Enthaltungen und sogar Gegenstimmen hin.

Die beiden herausragenden Repräsentanten innerhalb des gegenwärtigen Rates sind Nikolaus Schneider und Johannes Fried-rich. Sie sind jedoch in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Im Lichte der Medien-Präsenz von Käßmann galten sie sogar als ausgesprochene „Schattenmänner“. Beide Kandidaten haben um 1968 mit ihrem Theologiestudium begonnen, sind über 60 Jahre alt und werden bald in den Ruhestand gehen. Schneider leitet das Präsidium der uniert-reformierten Landeskirchen (UEK), Friedrich das Gegenstück bei den Lutheranern (VELKD).

Nikolaus Schneider kommt aus dem Ruhrgebiet und gilt als jovialer Mann. Er positionierte sich am Wochenende klar als Kandidat der Linksliberalen und plädierte für Friedenspolitik in Afghanistan im Sinne Käßmanns, den Reformprozess der EKD sowie für Solidarität und Gerechtigkeit.

Vor kurzem sorgte er allerdings  für energische Proteste konservativer Kirchenkreise und Stirnrunzeln bei vielen Theologen, als er den Versöhnungstod Jesu in Frage stellte. Er meinte, dass Gott sich schließlich nicht selber „besänftigen“ müsse.

Der bayrische Landesbischof Johannes Friedrich leitet seit 1999 die relativ große lutherische Landeskirche. Promoviert wurde Friedrich in neutestamentlicher Theologie. Er hat in den letzten zehn Jahren viel publiziert, vor allen Dingen über ökumenische Themen.

Sechs Jahre war Friedrich zudem Propst der evangelischen Gemeinde in Jerusalem und kennt daher die Probleme des jüdisch-christlichen und christlich-islamischen Dialoges. Bereits seit acht Jahren ist der 62-Jährige im EKD-Rat präsent und daher bestens mit den Interna vertraut. Er gilt als Brückenbauer.

Einen offenen Wahlkampf werden die beiden Kandidaten nicht führen. Wie schon bei der letzten Wahl kommt es für Friedrich und Schneider in den nächsten Monaten darauf an, im Hintergrund die notwendigen Allianzen zwischen den Landeskirchen zu schmieden, um im Herbst die Mehrheit in der EKD-Synode zu gewinnen. Als mediale Bühne für die Kandidaten bietet sich in idealer Weise der Ökumenische Kirchentag im Mai an, der in der Heimatstadt des bayrischen Landesbischofs stattfindet. Hier hat Johannes Friedrich als Mitveranstalter die Fäden in der Hand.          Hinrich E. Bues


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