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06.03.10 / Der letzte Alte vor Gorbatschow

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

Der letzte Alte vor Gorbatschow

Konstantin Ustinowitsch Tschernenko war ein Apparatschik im Fahrwasser seines Gönners Leonid Breschnew. Seinen Aufstieg bis an die Spitze seines Heimatlandes verdankte er der Partei. Der noch zur Zarenzeit, am 24. September 1911, in Bolschaja Tjes geborene Russe entstammte einer armen Bauernfamilie in Sibirien. Gemäß der offiziellen Biographie verließ er bereits als Zwölfjähriger das Elternhaus, um als Tagelöhner bei einem Kulaken zu arbeiten.

1926 trat er der kommunistischen Jugendorganisation „Komsomol“ bei, in der er drei Jahre darauf auf Rayonebene die Leitung einer Abteilung für Agitprop (Agitation und Propaganda) übernahm. 1931 wurde er Mitglied der Erwachsenenorganisation, der KPdSU, wo er seine Karriere fortsetzte. Nachdem er bei den Truppen an der Grenze zu China unter anderem als Parteisekretär einer Grenzwacheinheit gedient hatte, holte er Bildung nach: Er besuchte Parteischulen und machte per Fernstudium eine Lehrerausbildung.

Über Stationen in der Ukraine und Pensa kam er 1948 in das von seinem Land nach dem Zweiten Weltkrieg von Rumänien annektierte Moldawien. In der dortigen KP übernahm er wieder die Abteilung Agitprop. Erster Parteisekretär war hier seit 1950 Breschnew. Spätestens dort lernten der Mentor und sein Protegé sich kennen, falls sie dies nicht schon vorher bei „Säuberungen“ in der Ukraine getan hatten.

Als Breschnew ab 1956 in Moskau, in Zentralkomitee und Politbüro Karriere machte, 1960 Staatsoberhaupt und 1964 schließlich Parteichef wurde, folgte ihm Tschernenko auf dem Fuße, erst als Agitprop-Sektorenleiter im ZK, dann als Sekretär des Präsidiums des Obersten Sowjet und schließlich als Leiter der Allgemeinen Abteilung beim ZK.

Als am 10. November 1982 sein Gönner starb, ließ Tschernenko es nicht auf eine Kraftprobe mit dem dynamischeren KGB-Mann Juri Andropow ankommen und schlug diesen als neuen Generalsekretär vor, wobei er aber die angeblichen Vorzüge einer kollektiven Führung lobte. Seine Zeit sollte noch kommen. Andropow kann in seiner Reformfreudigkeit als Vorläufer von Michail Gorbatschow betrachtet werden, war aber bei Amtsantritt bereits zu krank, um noch Entscheidendes bewegen und Akzente setzen zu können.

1983 stellte sich Tschernenko dem ZK als Chefideologe vor und als schon am 9. Februar 1984 der verhinderte Reformer Andropow starb, schlug das Pendel noch einmal zurück und brachte Breschnews Protegé an die Spitze der Partei und dann auch des Staates. Strukturkonservativ sowie an zunehmender Herz-Lungen-Insuffizienz und chronischer Hepatitis leidend, bewegte er kaum noch etwas, bevor er vor 25 Jahren nach gerade einmal einem Jahr im Amt am 10. März 1985 in Moskau verstarb. Das Pendel schlug abermals zurück und Gorbatschow trat seine Nachfolge an.           M.R.


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