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13.03.10 / Medwedew entlässt die »fetten Kater« / Verschärfte Reden deuten auf ein Ende des »Putinismus« hin – Vergleiche mit Gorbatschow

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Medwedew entlässt die »fetten Kater«
Verschärfte Reden deuten auf ein Ende des »Putinismus« hin – Vergleiche mit Gorbatschow

Zwei Jahre ist Dmitrij Medwedew im Amt, zwei Jahre hat er noch vor sich bis zur nächsten Präsidentenwahl. Er hatte vor allem die Reform des Justizsystem angekündigt und von der Modernisierung des Landes gesprochen, bislang jedoch wenig davon umgesetzt. Dies könnte sich in der verbleibenden Amtszeit ändern.

Verschärfte Reden des Präsidenten, die jüngsten Personalentscheidungen und seine Forderungen nach einer Demokratisierung des Landes, die nur mit „frei denkenden Menschen“ zu schaffen sei, führten in letzter Zeit zu Vergleichen mit Michail Gorbatschow, dem letzten Staatsoberhaupt der Sowjetunion, der mit den Schlagwörtern „Glasnost“ und „Perestrojka“ einen Demokratisierungsprozess in Gang setzte, der letztlich zum Zusammenbruch der Sowjetunion führte. Anlässlich seines 79. Geburtstages und der Verleihung des deutschen „Dresden-Preises“ wurde Gorbatschow in russischen Medien und im Fernsehen vielfach interviewt. Hört man im Westen Gorbatschows Worten gerne zu, ist dies für Russland recht ungewöhnlich, da er bisher vielen als Verräter galt. Heute nimmt Gorbatschow als Leiter der sozialdemokratischen „Gorbatschow-Gesellschaft“ und des Grünen Kreuzes wieder am gesellschaftlichen Leben Russlands teil.

Präsident Medwedew gab spätestens in seiner viel beachteten Rede „Vorwärts Russland“, in der er  erstmals die Politik seines Vorgängers Wladimir Putin öffentlich kritisierte, deutlich zu erkennen, dass er etwas anderes als dieser will. Seit die Folgen der Wirtschaftskrise auch im Alltag immer deutlicher werden, kam es verstärkt zu sozialen Protesten. Der Polizeiskandal in Moskau und dann das katastrophale Abschneiden der russischen Olympioniken in Vancouver veranlassten den Präsidenten, Funktionärs-Köpfe rollen zu lassen. Er forderte „die fetten Kater“ auf, freiwillig zurückzutreten.

Medwedew entließ 17 hohe Polizeibeamte und kündigte darüber hinaus eine Milizreform bis 2012 und eine Stellen-Kürzung für Polizisten um 20 Prozent an. Die frei gewordenen Posten werden mit Leuten aus Medwedews „Kaderreserve“ besetzt. Mit der Milizreform stärkt Medwedew zudem seine Position gegenüber Putin.

Außenpolitisch propagiert der Präsident die umfassende Modernisierung Russlands, wie jüngst auf der Paris-Visite gegenüber seinem französischen Amtskollegen Nicolas Sarkozy. Bei dieser Reise durften ihn 80 führende Wirtschaftsvertreter (wie der Vorsitzende des russischen Wirtschaftsverbands Alexander Scholochin) begleiten. Hatte Putin bei seinem Frankreich-Besuch im November erfolgreich vorverhandelt, konnte Medwedew in Paris nun wichtige Verträge wie die Beteiligung der Gaz de France am Nord-Stream-Projekt unterzeichnen.

Als Signal des Präsidenten für die Liberalisierung gilt die Auswahl der bislang 23 von ihm berufenen Gouverneure. Medwedew bevorzugt meist junge, wirtschaftsfreundliche Technokraten. Oppositionelle bindet er ein: Nikita Belych, Anhänger von Garri Kasparows Demokratie-Bewegung „Solidarnost“, wurde vor zwei Jahren noch bei einer Protestaktion festgenommen. Heute ist der studierte Ökonom mit 34 Jahren als Verwaltungschef des Gebiets Kirow der jüngste Gouverneur. Er fördert die Eigeninitiative der Menschen und kann erste Erfolge vorweisen.

Ob Medwedews Demokratisierungsprozess von Erfolg gekrönt sein wird, hängt von Putin ab, der bislang auf jedwede Kritik nicht reagierte, aber zum Gegenschlag ausholen könnte. Manuela Rosenthal-Kappi


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