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13.03.10 / Es wird still um Wowereit / Ist der Regierende nach neun Jahren amtsmüde? Bundesambitionen in weite Ferne gerückt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Es wird still um Wowereit
Ist der Regierende nach neun Jahren amtsmüde? Bundesambitionen in weite Ferne gerückt

Er war der Hoffnungsträger der SPD. viele sahen ihn bereits als künftigen Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten. Doch seit kurzem sinkt der Stern des Klaus Wowereit scheinbar unaufhaltsam.

Es ist ruhig um Berlins Regierenden Bürgermeister geworden. Vorbei sind die schrillen Auftritte, die energischen Kampfansagen. Vorbei auch der ständig mitschwingende Anspruch auf eine größere Karriere, auf den Sprung in die Bundespolitik. In den vergangenen Jahren war demonstrativer Ehrgeiz Wowereits ständiger Begleiter. Er betrieb seine eigene Außenpolitik, als er die Bürgermeister von London, Paris und Moskau zusammentrommelte, er mischte über den Bundesrat kräftig in der deutschen Politik mit. Nie widersprach er Meldungen, dass er sein Amt als Regierender Bürgermeister nur als  Stufe auf der Karriereleiter ansehe. Er werde sich jetzt „intensiver in die Bundespolitik einbringen“, hatte Wowereit nach seiner Wiederwahl 2006 sogar angekündigt. Bundeskanzleramt, ich komme.

Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. Die SPD hat die Macht im Bund 2009 ganz abgeben müssen. Den anschließenden Revierkampf haben Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel unter sich ausgetragen. Für Wowereit blieb nur ein Stellvertreter-Posten. Einer von sieben.

Unter den fünf Ministerpräsidenten mit SPD-Parteibuch ist Wowereit noch das Alphatier. Aber wie lange noch? Falls Hannelore Kraft im Mai Ministerpräsidentin in NRW werden sollte, dann wäre sie automatisch die führende Figur der Sozialdemokraten auf Landesebene. Wowereit kann sich eigentlich nur eine Niederlage seiner  Parteigenossen an Rhein und Ruhr wünschen, wenn er seinen Einfluss innerhalb der SPD wahren will.

Ungemach droht dem Regierenden jetzt auch an der Heimatfront. Die Wähler wenden sich ab von Wowereit und seiner Partei. Nach etwa zwei Legislaturperioden ist das ganz normal. Der Sympathievorrat der Wähler ist dann meist aufgebraucht, und nur wenige retten sich mit Glück in eine weitere Amtszeit. Auch dem Hamburger Ole von Beust (CDU), der gleichzeitig mit Wowereit 2001 ins Amt kam, schwimmen gerade die Felle weg.

Weil der Winterdienst nicht funktionierte, gab es großen Unmut in Berlin. Drei Leute sind bei glättebedingten Unfällen ums Leben gekommen, doch Wowereit empfahl den Berlinern, „Holiday on Ice“ auf dem Ku’damm zu feiern. Es ist diese arrogante Haltung des „Sonnenkönigs“, die ihn in der Beliebtheit der Berliner hat abstürzen lassen. Nur noch Platz sieben für den Regierenden, nachdem er jahrelang die Nummer eins war. Bei der Bundestagswahl war die SPD nur noch drittstärkste Partei nach CDU und Grünen. Vor einer Woche war Klaus Wowereit wieder da, wo er mal als kleiner Jungsozialist angefangen hat: im Gemeinschaftshaus Lichtenrade. Hier ist er groß geworden, auch politisch. Erst Bezirksstadtrat in Tempelhof, dann Abgeordneter im Landtag für den Wahlkreis Lichtenrade.

Lichtenrade liegt im tiefsten Süden der Hauptstadt. Noch ein paar hundert Meter weiter – und man ist in Brandenburg. Wenn es einen Ort in Berlin gibt, der weit vom lebendigen Hauptstadtzentrum entfernt ist, dann hier. Vom Roten Rathaus zu diesem Gemeinschaftshaus sind es 16 Kilometer. Längst ist Wowereit umgezogen in eine noble Wohnung am Ku’damm. Weg aus Lichtenrade, dieser Einfamilienhausgegend und CDU-Hochburg. Auch seinen Wahlkreis hat er getauscht.

Jetzt kehrte er zurück. Der Regierende Bürgermeister eröffnete eine feministische Veranstaltungsserie mit Buchvorstellungen, Vorträgen, Exkursionen. Bürgermeister-Alltag ohne Außenpolitik und ohne Bundesrat. Anlass war der „internationale Frauentag“. Zur Eröffnung gab es Gebäck von der Ufa-Bäckerei, eine Musikgruppe trat auf und eine Kabaretttruppe.

Klaus Wowereit kam im dunkelbraunen Sakko. Er hatte diese Veranstaltungsreihe einst ins Leben gerufen und dankte den Organisatorinnen. In seinem kurzen Grußwort betonte Wowereit, wie wichtig die Gleichberechtigung von Frauen für seinen Senat sei. Die Festrede hielt denn auch eine Frau, die Grünenpolitikerin Renate Künast.

Ausgerechnet Künast. Wowereit und Künast kennen und schätzen einander. Sie sind eine Politikergeneration, kommen aus dem gleichen rot-grünen Milieu. Als er Bürgermeister wurde, da erhielt sie das Bundesministerium für Verbraucherschutz. Renate Künast ist eine Berlinerin, lebt seit 30 Jahren in der Stadt. Sie hat einen hohen Bekanntheitsgrad und ist beliebt bei ihren Wählern.

Vielleicht wird sie seine Herausforderin bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl. Wowereit wird sich im Stillen geärgert haben, dass er sogar hier – in seiner politischen Urheimat – zuschauen muss, wie andere den Applaus einheimsen, auch wenn Renate Künast keine Wahlkampfrede hielt oder näher auf die Spekulationen bezüglich ihrer Kandidatur einging.

Wowereits einziger Trost: Seine SPD wird zwar in Umfragen derzeit nur bei mauen 25 Prozent gehandelt. Aber die anderen Parteien stehen auch nicht besser da (CDU 22, Grüne 19, Linke 18), und er hat noch bis Herbst 2011 Zeit, um zu seiner alten Stärke zurück­zufinden.

Am vergangenen Wochenende hatte Klaus Wowereit wieder Friedensfühler in Richtung Grüne ausgestreckt. Er könne sich eine Regierung mit den Grünen gut vorstellen, sagte er. Vielleicht wird das seine einzige Chance sein, im Amt zu bleiben. Markus Schleusener


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