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13.03.10 / Russki-Deutsch (58): Kwas

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Russki-Deutsch (58):
Kwas
von Wolf Oschlies

Russen knacken ständig Sonnenblumenkerne. Kann man so stehen lassen. Russen trinken unausgesetzt Wodka. Falsch! Denn Russen trinken bei Kälte Tee und bei Hitze Kwas. Jetzt müssen wir noch herausfinden, was Kwas ist. Das meine ich ganz ernst, wenn selbst der von mir so hoch verehrte und vielfach zitierte deutsche Geograph Anton Friedrich Büsching (1724–1793) glatt versagt. Behauptet der doch 1770 in seiner „Erdbeschreibung“, Russen äßen „unappetitliche Fische und trinken dazu Quas, welches eine Art von Halbbier ist“. Halbbier ist Nonsens: Zu Bier braucht man Hopfen und alkoholische Gärung, was beides bei Kwas strikt abzulehnen ist.

Obwohl Kwas von dem Verb „kvasitj“ (einsäuern, gären lassen) stammt und in Wörterbüchern meist bündig als „gegorenes Getränk“ wiedergegeben wird. Kwas ist schon im Altkirchenslawischen benannt gewesen und wurde 989 erstmals erwähnt. Das Jahr ist wichtig, denn 988 ließ sich der Kiewer Großfürst Wladimir taufen, womit die Christianisierung Russlands begann, und seither sind Brot und Kwas die übliche Fastenspeise bei Russen. Kann also nicht ganz stimmen, wenn dem Heiligen Wladimir das Urteil nachgesagt wird: V Rossii ljudi veselye ot piti. – In Russland werden die Leute vom Saufen fröhlich.

Kwas wird aus Wasser, Roggen und Malz gegoren und als leicht säuerliches Erfrischungsgetränk genossen: 2007 wurden 860 Millionen Liter ausgeschenkt. Meist aus gelb angestrichenen Tankwagen, auf denen mit Großbuchstaben KBAC steht (wie Kwas in kyrillischer Schreibe aussieht). Der Lexikograph Uschakow bezeichnet den Kwas als „russkij napitok“ (russisches Getränk), aber so exklusiv ist das nicht gemeint. Auch in der Ukraine, dem Baltikum, dem Kaukasus gehört der Kwas zum Sommerleben dazu. Zudem ist er gesund, da er nur maximal 1,44 Prozent Alkohol und 0,48 Prozent Milchsäure enthält.

Durch Zugaben von Zucker oder Melasse kann man den Kohlensäuregehalt erhöhen – durch Verwendung von Minze, Johannisbeere und Rosinen den Geschmack variieren. Seit einigen Jahren gibt es sogar Kwaspulver oder Kwaskonzentrat, aber das ist eine Sünde gegen russische Kwas-Kultur.


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