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13.03.10 / Wien feiert Gustav Mahler / Zuerst geschmäht, dann bejubelt – Mit dem Komponisten und Dirigenten begann eine neue Ära

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Wien feiert Gustav Mahler
Zuerst geschmäht, dann bejubelt – Mit dem Komponisten und Dirigenten begann eine neue Ära

In diesem Jahr wird der 150. Geburtstag, im kommenden der 100. Todestag des berühmten österreichischen Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler gefeiert, der zehn Jahre lang die Wiener Oper leitete. Der Künstler gilt als Genie des Fin de Siècle und Wegbereiter der Neuen Musik.

Vor Anfeindungen scheinen gerade große Künstler nicht gefeit. Und so hatte auch Gustav Mahler Wien am 9. Dezember 1907 im Zorn verlassen. Nicht jedoch ohne eine hohe Pension und einen Vertrag mit der Met in der Tasche zu haben. Am 15. Ok-tober 1907 hatte er mit „Fidelio“ seine letzte Vorstellung an der Wiener Hofoper dirigiert, deren Leitung  er zehn Jahre zuvor übernommen hatte. Zunehmende Differenzen und üble Pressekampagnen hatten schließlich zur Beendigung seiner Amtszeit geführt.

Unter den Freunden, die ihn zum Abschied zum Bahnhof begleiteten, war Arnold Schönberg. Er hinterließ folgenden Kommentar: „Wir haben die Pflicht, dem größten Genie unserer Zeit freundschaftliches Geleit zu geben, wenn dieses sich anschickt, die gehässigste und korrupteste Stadt der Welt zu verlassen, die ihm nichts als Pein und Schikane bereitet hat. Gustav Mahler geht; in Wien bleiben die Neider und Dilettanten zurück.“

Wien um 1900 war das kulturelle Zentrum Mitteleuropas, die Hauptstadt eines 51 Millionen Einwohner und 15 Nationalitäten umfassenden Reiches. Es war die Zeit der so genannten Wiener Moderne (rund 1890 bis 1910), in der das Kultur- und Geistesleben der Stadt in Architektur, Musik, Literatur und Malerei eine fulminante Blüte erlebte, die Zeit der Kaffeehausliteraten, der Wiener Secession und der eleganten Salons.

Die Aufbruchsstimmung des Fin de Siècle brachte auch für die Wiener Hofoper eine neue Ära. Als deren Erster Kapellmeister und Direktor führte Gustav Mahler eine bahnbrechende Opernreform durch: Er übernahm Wagners neues Konzept der Oper als Gesamtkunstwerk, ließ Musik, Bühnenbild, Licht und Spiel zu einem stimmigen Ganzen zusammenwachsen und stellte ein Ensemble zusammen, das diese Ideen mittrug. In seinen Inszenierungen agierten die Sänger erstmals als Schauspieler. Mahler veranlasste weiter die Verdunklung des Zuschauerraums schon während der Ouvertüre und gewährte Zuspätkommenden nur mehr in der Pause Einlass. Damit machte er dem bis dahin üblichen Kommen und Gehen, Essen, Trinken und Plaudern während der Vorstellung ein Ende.

Die Oper erlebte dank dieser Innovation eine unvergessene Blütezeit. Der Gustav-Mahler-Saal rechts vom Stiegenhaus erinnert bis heute an jene Jahre, ebenso wie eine ausdrucksstarke Büste des Maestros von Auguste Rodin. Schließlich prägte Wiens Oper außer Gustav Mahler nur noch Herbert von Karajan wie keinem anderen. Im Staatsopernmuseum, gleich neben der Oper, sind allein ihnen zwei Meter Bücher voller detaillierter Informationen gewidmet.

Im Haus der Musik besitzt Mahler in der Etage der Großen Meister einen eigenen Raum – gleich neben Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Strauss und den Begründern der Neuen Wiener Schule: Schönberg, Berg und von Webern. Gestaltet wurde der Raum vom Großneffen Gustav Mahlers, Peter Mahler. Lesemaschinen behandeln das Werk Mahlers und seine Dirigate in seiner Zeit als Hofoperndirektor. Von Arnulf Rainer stammt die „Totenmaskenübermalung Gustav Mahler“, von Hanns Kunitzberger die Mahler-Büste im Innenhof. Reiche Quellen für Musikfreunde sind auch das Archiv des Arnold Schönberg Centers, eine Top-Adresse für Musikkenner, die Internationale Gustav Mahler Gesellschaft Wien, die 1955 auf Initiative der Wiener Philharmoniker gegründet wurde, oder das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde im Musikverein.

Schließlich feiert das Theatermuseum, zusammen mit seiner Wiedereröffnung im renovierten Palais Lobkowitz nahe der Hofburg, vom 11. März bis 3. Oktober 2010 den 150. Geburtstag des Komponisten und Dirigenten mit der Ausstellung „Gustav Mahler und Wien“. Im Mittelpunkt steht nicht nur die Biografie des Musikers, sondern vielmehr die Rolle, die Wien für ihn gespielt hat. Umgekehrt wird gezeigt, welchen Einfluss Mahler auf Wien hatte und hat, von seiner Zeit als Hofoperndirektor bis heute.

Gustav Mahler wurde am 7. Juli 1860 in Kalischt (Böhmen) geboren, als zweites von 14 Kindern einer jüdischen Familie. Mit 15 Jahren schickte man den Hochbegabten nach Wien, damit er am Konservatorium Komposition und Klavier  studiere. Nach erfolgreichem Abschluss begann ab 1880 schnell eine europaweite Karriere. Gastdirigate führten den jungen Künstler unter anderem durch Deutschland, Holland, Italien, Frankreich und Russland. Er wurde Kapellmeister in vielen Städten, in Kassel, Leipzig und Prag, in Budapest war er Operndirektor, im Stadttheater Hamburg von 1891 bis 1897 Theaterkapellmeister, bevor ihn Kaiser Franz Joseph I. wieder nach Wien holte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Mahler als Pendler zwischen den Kontinenten. Ab 1908 Gastdirigent an der Metropolitan Opera und Leiter der Philharmonic Society in New York, zog es ihn immer wieder nach Europa. Am 12. September 1910 fand die Uraufführung eines seiner Hauptwerke, der 8. Symphonie, unter seiner Leitung in München statt. Sie wurde ein überwältigender Erfolg.

Zurück in New York diagnostizierte man 1911 eine bakterielle Herzentzündung, gegen welche die Ärzte beiderseits des Atlantiks hilflos waren. Mahler starb im 51. Lebensjahr am 18. Mai 1911 in Wien. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Grinzinger Friedhof, ebenso wie seine Tochter Maria und seine Frau Alma.

Obwohl in der Romantik verwurzelt, war Mahlers Werk doch neuartig. Es ist eine Synthese aus der Symphonie der Wiener Klassik, dem romantischen Lied und dem Volkslied. Auch bei der Instrumentierung wagte er neue farbige Wege, etwa durch den Einsatz von Kuhglocken oder einer Mandoline. Damit beeinflusste Mahler nicht zuletzt die Komponisten der Neuen Musik wie zum Beispiel Schönberg und von Webern, aber auch Filmkomponisten wie Ennio Morricone und John Williams.

In Wien sind Mahlers Werke ständig im Programm. Weltklasseorchester spielen seine Symphonien im Musikverein. Höhepunkt 2010 ist die Aufführung der

5. Symphonie durch die Wiener Philharmoniker unter Leitung von Daniele Gatti an fünf Abenden im Mai. Im Konzerthaus, wo seit 1945 eine Gedenktafel an Mahler erinnert, ist im ersten Halbjahr 2010 das Arnhem Philharmonic Orchestra mit der Symphonie Nr. 10 zu Gast. Ingrid Kaiserfeld singt dort Lieder von Alma Mahler und Bertrand de Billy dirigiert Mahlers „Symphonie der Tausend“, bei der unter anderem Johan Botha, Boaz Daniel und die Wiener Sängerknaben zu hören sind.

Wiens jüngstes Opernhaus, das Theater an der Wien, zeigt am

28. und 29. März  einen hochkarätigen Tanzabend: Zum Ballett „3 Adieux“ von Anne Teresa De Keersmaker und Jérôme Bel spielt das Ictus Ensemble Teile aus Mahlers „Lied von der Erde“, Gesangssolistin ist Sara Fulgoni.

Einen übersichtlichen Kalender der weltweiten Aufführungen von Mahler-Werken bietet die Internationale Gustav Mahler Gesellschaft auf ihrer Seite www.gustav-mahler.org – mit über 1000 Terminen.     Helga Schnehagen


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