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13.03.10 / Volkswagen wird Volksaktien-Gesellschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Volkswagen wird Volksaktien-Gesellschaft

Nachdem es im Anschluss an die verheerenden Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland erst einmal darum gegangen war, die Schaffung neuen Kapitals zu fördern, gingen Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und auch Bundesschatzminister Hermann Lindrath vor einem halben Jahrhundert daran, der dabei entstandenen Vermögenskonzentration in den Händen weniger im Rahmen der Möglichkeiten der Sozialen Marktwirtschaft wenigstens etwas entgegenzuwirken. Außer durch die steuerliche Förderung von Belegschaftsaktien sollte dazu die Emission sogenannter Volksaktien dienen. Hierzu wurden Industriebetriebe im Staatsbesitz in Aktiengesellschaften umgewandelt und deren Aktien zumindest teilweise breit gestreut. Zur Hebung der Aktionärsquote wurden die Volksaktien nicht institutionellen Anlegern angeboten, sondern an Kleinanleger verkauft, und das zu günstigen Kursen, damit auch der einfache Mann aus dem Volke Aktionär und damit Kapitaleigentümer werden konnte.

Den Anfang machte die Preussag im Jahre 1959. Kapitalanteile im Umfang von 120 Millionen D-Mark wurden unter etwa 220000 neuen Aktionären gestreut, die jeweils maximal fünf Stück zu 100 Mark Nennwert erwerben konnten. Die Nachfrage war so groß, dass sich die Bundesregierung entschloss, das ursprünglich geplante Volumen aufzustocken. 77 Prozent des Kapitals wurden schließlich abgegeben, der Bund behielt nur einen Anteil von etwas über 22 Prozent. Den Höhe- und Schlusspunkt der Erhardtschen Privatisierung stellte die mehrheitliche Privatisierung der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks-AG (Veba) dar, die ein Jahr vor dem Ende von Erhardts Kanzlerschaft alle Rekorde brach. Mehr als zwei Millionen Privatanleger kauften 1965 die Aktien zu einem Preis von 210 Mark. So breit ist danach keine andere Aktie in Deutschland mehr gestreut worden. Verheiratete mit einem Jahreseinkommen unter 16000 Mark bekamen eine Sonderzuteilung, ansonsten durfte jeder Zeichner nur zwei Aktien erwerben.

Zwischen diesen beiden Eck­punkten wurde vor 50 Jahren mit dem Volkswagenwerk ein drittes großes Unternehmen in öffentlicher Hand in eine Volksaktien-Gesellschaft umgewandelt. Am 17. März 1960 fasste der Deutsche Bundestag den Beschluss, das Volkswagenwerk mehrheitlich zu privatisieren. Nach der Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft blieb je ein Fünftel des Aktienkapitals beim Bund und beim Land Niedersachsen. Die übrigen 60 Prozent wurden breit gestreut. Um eine Konzentration des Kapitals zu vermeiden, gab es eine Obergrenze bis zu der Einzelne VW-Aktien erwerben konnten. Der Emissionskurs lag im Sommer 1960 bei 350 Mark für Gutverdiener und bei 280 Mark für weniger Betuchte. Der Erlös betrug umgerechnet rund eine halbe Milliarde Euro. Doch es gab einen Wermutstropfen: 1960/61 waren deutsche Aktien historisch teuer, wer damals kaufte, hatte gut 20 Jahre lang zwar Dividenden, aber bis 1982 kaum Kursgewinne. Damit fuhr er aber immer noch viel besser als derjenige, der 1996 oder gar im Jahr 2000 die „neue Volksaktie“ der Telekom erwarb und damit böse Verluste machte.          H.L./I.H.


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