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13.03.10 / In Bedrängnis / 13 amüsante Kurzgeschichten von Ingo Schulz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

In Bedrängnis
13 amüsante Kurzgeschichten von Ingo Schulz

Wer sich der Lektüre von Ingo Schulzes Erzählband „Handy“ widmen möchte, findet darin Kurzgeschichten. Schulzes Markenzeichen ist sein flüssiger, schnörkelloser Schreibstil, der beim Lesen seiner Texte vor häufiger Entschleunigung bewahrt. Inhaltlich erschließen sich diese Geschichten unmittelbar. Sie regen das Vorstellungsvermögen an, vermutlich weil man immer wieder an eigene Erfahrungen anknüpfen kann und weil das Verblüffende bei diesem Autor ebenso unspektakulär daherkommt wie das Alltägliche. Kurzweilige Stunden sind also garantiert. Schulzes Protagonisten sind jüngere, eher durchschnittliche Menschen, die im Ostteil der Bundesrepublik Deutschlands leben und arbeiten. Man könnte sie als „Leute von heute“ bezeichnen.

Andere Handlungsräume tun sich auf, wenn der Ich-Erzähler an der Reihe ist, ein Schriftsteller; vielleicht ist es der mehrfach ausgezeichnete Autor selbst. Er thematisiert seine Erlebnisse als Stipendiat und Vortragsredner in verschiedenen Städten und Gegenden weltweit. Bei der Vielfalt der Stoffe gibt es nur eine kleine Schnittmenge. Es sind die Themen „Paarbeziehungen“ und „Kommunikation“, insbesondere das Telefonieren. Mitunter lenkt der Autor den Blick auf peinliche Bedrängnisse, in die die handelnden Personen geraten. Situationskomik ergibt sich und dies umso mehr, da ironische Kommentare ausbleiben. Anders als bei den Realisten der Mitte des 20. Jahrhunderts fehlt hier jedoch die düstere Intensität. Auch sind keinerlei gesellschaftskritische Ansätze auszumachen.

Um die Kommunikation zwischen einem Fahrgast und einem Taxifahrer geht es scheinbar nur am Rande in „Zwischenfall in Kairo“. Ein nach seinem Auftritt bei einem internationalen Kongress in Kairo völlig ermatteter Schriftsteller will möglichst rasch in sein Hotel zurückkehren, wird aber von einem „Rudel kleiner Jungen“ geängstigt, von denen einer auf den fahrenden Wagen aufspringt. Später erfährt der Ich-Erzähler, „das sei eine Art Spiel, eine Mutprobe. Passiere etwas, nehme man sich aber nicht den Taxifahrer vor, sondern den, bei dem sich etwas holen lasse“. In „Glaube, Liebe, Hoffnung“ geht der aufstrebende Sozius Marek, der gerade in eine noble Anwaltskanzlei aufgenommen worden ist, einer jungen Frau namens Magda auf den Leim. Nach einer Liebesnacht hat er sich unsterblich in sie verliebt. Was Marek nicht weiß: Magda ist eine Edelprostituierte, die insbesondere mehreren in seiner neuen Kanzlei tätigen Rechtsanwälten zugewandt ist. Das wäre für ihn sicher ein überwindbares Trauma gewesen – wenn er den Kollegen nicht anlässlich seines Einstands seine große Liebe zu dieser Frau gestanden hätte.   

Schulzes Protagonisten sind pragmatische Menschen. Ob sie Ideale haben und wenn ja, welche, erfährt man nicht, und auch nicht, woran sie glauben. Diesen Allgemeinzustand nimmt man irgendwann als reduzierte Realität wahr. In einer einzigen Geschichte nur wird Bezug genommen auf ein Geschehen jenseits der normalerweise wahrnehmbaren Phänomene, und zwar ausgerechnet im Zusammenhang mit haarsträubendem Aberglauben.          D. Jestrzemski

Ingo Schulze: „Handy – 13 Geschichten in alter Manier“, dtv, München 2009, broschiert, 280 Seiten, 19,90 Euro


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