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13.03.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Braunsucht / Was die Amis an uns Deutschen lieben, warum die Engländer husten müssen, und wieso Sigmar Gabriel brechen könnte
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wir Deutschen haben ein viel zu negatives Bild von uns selbst und glauben, die anderen Völker mögen uns auch nicht. Stimmt gar nicht, bei weltweiten Umfragen schneiden wir regelmäßig als eines der beliebtesten Völker der Erde ab, nicht selten gar belegen wir Platz eins, wie die PAZ jüngst berichten konnte.

Aber was haben die an uns? Die Gründe für Deutschfreundlichkeit sind recht unterschiedlich. Viele Briten beispielsweise schätzen deutsche Zuverlässigkeit (sind pünktlich und halten ihr Wort), die Holländer, die 2006 zur WM ins Land strömten, um es den „Moffen“ mal richtig zu zeigen, lobten, ein wenig verdutzt, die Offenheit und Herzlichkeit der Gastgeber.

Auch die US-Amerikaner kennen bestimmte Sachen, die sie an den Deutschen besonders schätzen. Sie sind ganz vernarrt in unsere Autos, unser Bier und unsere Nazis. Stopp mal eben ... was war das zuletzt? Unsere Nnnn ...?

Sie haben richtig gehört, auch wenn die deutsche Wirtschaft sich aus Geschmacksgründen ziert, in die Marktlücke zu springen, also etwa einen Original-Nachbau von Hitlers Staatskarosse auf den US-Markt zu werfen oder mit „Nazi-Bräu“ auf Ami-Fang zu gehen.

Doch es gibt eine schillernde Ausnahme: Die deutsche Filmbranche bedient die transatlantische Braunsucht seit Jahrzehnten mit beachtlichem Erfolg. Oscars kriegen deutsche Produktionen und Schauspieler nämlich fast nur, wenn der Film nach Führerbunker riecht.

Den ersten „Auslands-Oscar“ errang 1980 Volker Schlöndorffs „Blechtrommel“, die im Danzig vor und nach dem Kriegsausbruch 1939 spielt. Danach konnten jahrelang nur noch deutsche Kurz- und Zeichentrickfilme absahnen, die sowieso keiner guckt. Bis 2003 mit „Nirgendwo in Afrika“ die Geschichte einer 1938 geflohenen jüdischen Familie erzählt wurde und den erwünschten Reflex auslöste. In diesem Jahr nun stolzierte der Österreicher Christoph Waltz als Monster im SS-Mantel über die Leinwand von Hollywood: Oscar!

Die einzige Ausnahme in der braunen Reihe bildete „Das Leben der anderen“ aus dem Jahre 2007. Also gut, wenn es schon keine Nazis gibt, dann wollen die Amerikaner wenigstens eine andere Diktatur von uns.

Solche Filme beeindrucken nicht bloß die Oscar-Jury, sie hinterlassen auch im Rest der Welt tiefen Eindruck, weshalb die  Beliebtheit der Deutschen umso mehr erstaunt. 2006 besuchte uns anlässlich der traumhaften WM ein brasilianischer Filmemacher. Der war völlig von den Socken, wie hell und fröhlich es in unserem Land zugeht. Sein Deutschlandbild war, wie er bekannte, geprägt von depressiven Schlöndorff- oder Fassbinder-Filmen. Also hatte er sich auf ein mausgraues Land voll dunkler Gestalten am Rande des Nervenzusammenbruchs eingestellt. Und nun das!

Die einzigen, die bei dem Fußballfest aus der Reihe tanzten und Randale machten, waren erwartungsgemäß die Briten. Aber das lag nicht an der Filmwirtschaft, das hatte handfeste Gründe: Sie haben zwei Weltkriege gewonnen und danach praktisch alles verloren, das Empire, ihre Weltgeltung, ihr unbezwingbares Selbstbewusstsein. Und immer wenn sie meinten, uns endlich überholt zu haben, hat sich Deutschland plötzlich berappelt und die Briten sahen uns schon wieder von hinten. So mussten die Inselbewohner den Eindruck gewinnen, dass wir Hase und Igel mit ihnen spielen. Eben waren sie noch die Champions der Finanz­welt, während die Deutschen nur an ihren Maschinen herumschrauben konnten. Und jetzt? Großbritannien, das ist Griechenland im Nebel, sagen die Finanzdaten. Derweil hoffen die kleinen Euro-Länder auf Berlins starken Beistand. Es ist zum Auswachsen.

Das Londoner Boulevardblatt „Daily Star“ hat den Briten eine weitere teutonische Gemeinheit enthüllt: Die Deutschen haben für ihre Fußballmannschaft das beste Hotel Südafrikas gebucht. Arrogant, wie die Deutschen sind, machten sie die Sache sogar schon fest, bevor sie sich überhaupt zur WM qualifiziert hatten.

Die kleinmütigen Engländer hingegen warteten bibbernd ab, bis ihre Teilnahmeberechtigung offiziell war. Es gab Grund für das Zaudern: 2008 hatte England die Qualifikation zur Europameisterschaft schmachvoll vergeigt. Das ist Deutschland noch nie passiert. Nun kamen sie viel zu spät und müssen sich mit einer Hotelklitsche in einem Provinzkaff begnügen, die zur Zeit noch eine einzige Baustelle ist und neben einer verlotterten Bergarbeitersiedlung liegt, wie der „Daily Star“ keift.

Das Blatt hat überdies aufgedeckt, dass die Deutschen mit schwarzen Trikots antreten, was, wie der „Star“ messerscharf schloss, ja wohl eindeutig auf die SS verweise. Du liebe Zeit, ja richtig! Ich werde meinen Schornsteinfeger umgehend vom Verfassungsschutz überprüfen lassen.

Im Sommer wird uns der „Daily Star“ hoffentlich mit Bildern verwöhnen von deutschen „SS-Kickern“ beim Entspannen in ihrer Nobelsuite, daneben die Fotos der traurigen englischen Konkurrenz, wie sie sich den Baustaub aus der Lunge hustet. Wenn es nach der britischen Presse geht, wird auch diese WM wieder ein Fest der großen Gefühle, wie 2006, nur anders.

Egal, Hauptsache Gefühle. Dies ist ja eigentlich die Zeit der Frühlingsgefühle, nur dass sich der Lenz partout nicht einstellen will. Als wir vor ein paar Tagen noch die Bilder von der Schneeka­tastrophe in Südfrankreich und Nordspanien gesehen haben, versanken unsere letzten Hoffnungen im Eis.

Die Politik hat sich längst auf die neuen Realitäten eingestellt und geht davon aus, dass dieser Winter ewig weitergeht. Warum sonst liegen sich die Parteien so heftig in Haaren wegen der Frage, ob und unter welchen Umständen Hartz-IV-Empfänger zum Schneeschippen geschickt werden dürfen, sollen, könnten? Der Streitpunkt spaltet die ganze Nation in Sozialkalte hier und Menschenfreunde dort. Guido Westerwelle hatte mit der Schipperei angefangen. Das löste in Sigmar Gabriel ein wahres Hochgefühl aus. Es sprudelte nur so aus ihm heraus: „Fundamentalist“, „Brandstifter“, „Verfassungsfeind“, und die nordrhein-westfälische SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft setzte den ultimativen Schocker obendrauf: „Brauner Sumpf!“

Spielverderber spotten, Nazi-Vergleiche seien die Geheimwaffe von Leuten, die der Debatte nicht ganz folgen könnten und trotzdem was Dramatisches sagen wollten. Auf Hannelore Kraft passt diese Beschreibung bemerkenswert gut: Kaum hatte sie sich ausgegrollt über Westerwelle, zog sie die Schippe selbst aus dem Sumpf und hielt das Schneeräumgerät den Hartz-IV-Empfängern  vor die Nase.

In dem Moment hätten wir nur zu gern bei Sigmar Gabriel im Zimmer gestanden, um zu sehen, wie sein Gesicht erglüht und Worte aus seinen Mund schießen, die nicht mal der „Daily Star“ drucken würde. Die Genossin von der Ruhr hat ihm seine herrliche Westerwelle-Attacke komplett zerlegt. Der Mann war derart außer sich, dass zunächst andere vor mussten. Generalsekretärin Andrea Nahles säuselte, Kraft habe da ein „brennendes Thema“ angesprochen. Stimmt, und jetzt ist Feuer unterm Dach der SPD.

Man müsse differenzieren, bettelt die Parteispitze. Schließlich habe Westerwelle die Leute zur Arbeit zwingen wollen, während Kraft ihnen nur ein „besseres Angebot“ mache. Auf deutsch: Unser Ziel ist zwar irgendwie das Gleiche wie das des FDP-Chefs, wir sagen’s aber netter.

Jürgen Rüttgers kann sein Glück kaum fassen. Der CDU-Landesvater von NRW wirft sich die Robe des Anwalts der kleinen Leute über und gibt den schwarzen Gabriel: „Zynisch“ sei das, was da aus der SPD komme. Nebenbei jubelt er der Konkurrenz unter, dass sie keinen Schimmer habe vom Hartz-IV-Gesetz mit seinen Ein-Euro-Jobs. Schlimmer hätte es kaum kommen können, armer SPD-Chef.


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