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20.03.10 / Erst das Messer, dann die Justiz / Opfer eines versuchten Ehrenmordes berichtet über Demütigungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-10 vom 20. März 2010

Erst das Messer, dann die Justiz
Opfer eines versuchten Ehrenmordes berichtet über Demütigungen

„Ich weiß, wie man stirbt. Ich habe keine Angst mehr. Ich will sie nie wieder spüren.“ Mit diesen Worten begründet Aylin Korkmaz, warum sie ihr Ehemartyrium mit anschließendem Mordversuch niedergeschrieben hat und damit an die Öffentlichkeit gegangen ist. Die 1972 in der Türkei geborene Frau ist zur Vorkämpferin in Sachen Ehrenmord in Deutschland geworden. Ihr noch heute von zahlreichen Narben gezeichnetes Gesicht zeugt davon, wie ihr türkisch-kurdischer Ex-Mann auf ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben reagierte: Eines Abends 2007 kurz vor ihrem Feierabend suchte ihr Ex-Mann Mehmet sie bei ihrem Arbeitgeber, einer Tankstelle bei Baden-Baden, auf, schloss den Umkleideraum, in dem er sie vorfand ab, und stach mit einem Messer 26 Mal auf sie ein. Er zerschnitt ihren Bauch und ihr Gesicht. Die herbeieilenden Tankstellenkunden brachen aufgrund ihrer Schreie die Tür auf, doch eilten ihr nicht mehr zur Hilfe, da sie sie für tot hielten und riefen „nur“ die Polizei. Erst die rief den Notarzt.

Inwieweit Aylin Korkmaz, die in der Türkei ihr Abitur machte und dann von ihrer Mutter als Ehefrau nach Deutschland „vermittelt“ wurde, das Buch „Ich schreie um mein Leben – Ehrenmord in Deutschland“ allein geschrieben hat, wird nicht erwähnt. Wenn es weitgehend aus ihrer Feder stammt, würde es verdeutlichen, wie gut ihr Formulierungsvermögen geworden ist. Denn die Autorin kam, ohne auch nur ein Wort der deutschen Sprache zu beherrschen, im Alter von 18 Jahren nach Deutschland, nur mühsam erkämpfte sie sich den Zugang zu Sprachkursen. Die ersten Wochen in Deutschland verbrachte sie in einem Auto, denn obwohl ihr Mann bei der Brautwerbung als reicher Deutscher aufgetreten war, besaß er in Deutschland nichts als Schulden. Selbst das Auto gehörte seinem Bruder.

Die inzwischen alleinerziehende Mutter von drei Kindern berichtet von ihrer glücklichen Kindheit in der Türkei, ihrem als Dolmetscher für die Amerikaner arbeitenden, westlich denkenden Vater und der von Familientraditionen geprägten Mutter. Als der Vater 1977 bei einem Unfall ums Leben kam, dominierte die Familie der Mutter. Früh merkte Aylin, dass Mädchen anders behandelt wurden als Jungen. Doch mindestens so schlimm wie der Zwang ihrer Familie, der noch mehr in ihren Traditionen verhafteten Familie ihres Mannes, seine Lügen, seine Launen und Schläge sowie der Mordversuch ist das Urteil des Landgerichtes Baden-Baden. Dieses verurteilte ihren Ex-Mann zu 13 Jahren Haft, die er bei guter Führung auf acht Jahre verkürzen kann.

Dem Urteil nach hat Mehmet Kormaz nicht aus niederen Beweggründen heraus gehandelt. Zwar legte die Kammer die Vorstellungen des deutschen Rechtsstaates zugrunde, „allerdings hat sie die besonderen Anschauungen und Wertvorstellungen des Angeklagten, der zwar schon seit 1978 in Deutschland lebte, seinen kurdisch-türkischen Wurzeln aber noch stark verhaftet war, mit in die Gesamtwürdigung miteinbezogen. Berücksichtigung fanden dabei vor allem … der zum Ausdruck gekommene Besitzanspruch des Angeklagten, der die Geschädigte – demonstriert durch die Stiche in die Brustwarzen – auch als Frau zerstören wollte und ihr das Recht absprechen wollte, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten.“ Mildernd wirkte sich aus, dass Aylin nicht tot, nicht arbeitsunfähig und er durch die „konfliktgeprägte Vorgeschichte der Beziehung“ von Wut, Frust und Demütigung geleitet worden sei.

Aufgrund dieser Urteilsbegründung hat sich Aylin Kormaz entschieden, ihre Geschichte publik zu machen. Dass die deutsche Staatsbürgerin im Detail auf die durch ihren Mann und seine Familie erfahrenen Demütigungen – die den Leser wiederum in Wut versetzen – eingeht, ist ihre einzige Möglichkeit, sich zu verteidigen. Rebecca Bellano

Aylin Korkmaz: „Ich schreie um mein Leben – Ehrenmord in Deutschland“, Fackelträger, Köln 2010, geb., 250 Seiten, 19,95 Euro


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