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20.03.10 / Flucht vor der Super-Gesamtschule / Berlins Schüler drängen nach rot-roter Reform auf Gymnasien und Privatschulen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-10 vom 20. März 2010

Flucht vor der Super-Gesamtschule
Berlins Schüler drängen nach rot-roter Reform auf Gymnasien und Privatschulen

Im Herbst werden Berlins Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengelegt zur neuen „Sekundarschule“. Kritiker bezeichnen das rot-rote Reformwerk als „Sozialpolitik auf dem Rücken der Schüler“.

In Berlin-Pankow wurde eine neue Schule eröffnet, die im Herbst den Betrieb aufnimmt. Die von drei Frauen gegründete Bildungseinrichtung bietet zweisprachigen Unterricht an und wird Schüler vom Kindergartenalter bis zum Abitur ausbilden.

Wieder eine Privatschule mehr. Der Trend geht seit Jahren weg von der staatlichen Schule. Ein wichtiger Grund: Gerade in Berlin – mit seinen sozialen Problemen – wird die staatliche Schule immer stärker als Problemschule angesehen, vor der es Reißaus zu nehmen gilt. Von 1997 bis 2007 stieg die Zahl der Schüler an Privatschulen in Berlin um über 10000 auf rund 30000. Und es geht weiter – trotz insgesamt sinkender Schülerzahlen.

Problemschule – das gilt in erster Linie für die Hauptschulen und demnächst wahrscheinlich auch für die 104 „Integrierten Sekundarschulen“, in denen die Hauptschulen aufgehen werden. Der Senat hat mit seiner jüngsten Schulreform – die ab diesem Herbst gilt – den Abwärtstrend der einfachen staatlichen Schulen wahrscheinlich noch verstärkt: Immer mehr Kinder sollen nach dem Willen ihrer Eltern aufs Gymnasium.

Die Anmeldungen für das neue Schuljahr mussten bis 11. März erfolgen. 45 Prozent der Kinder sollen danach ein Gymnasium besuchen, so der Elternwunsch. Das ist zwar kein massiver Anstieg, aber trotzdem mehr als jemals zuvor. Die anderen 55 Prozent gehen ab der siebten Klasse auf die neuen „Sekundarschulen“, zu denen die bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengefasst worden sind. Vereinfacht ausgedrückt: Alle Kinder, die nicht aufs Gymnasium gehen, kommen jetzt auf eine Super-Gesamtschule.

Steglitz-Zehlendorf, Wilmersdorf-Charlottenburg und Spandau (Westbezirke mit mehr oder weniger hohem Immigrantenanteil) vermelden mehr Anmeldungen fürs Gymnasium als Plätze. Vor allem aber im Problembezirk Neukölln hat wegen der Reform eine Flucht an die Gymnasien eingesetzt. Für 60 Bewerber gibt es keinen Platz. Sie kommen auf ein Gymnasium außerhalb ihres Bezirks oder müssen doch noch auf die Sekundarschule, wo sie nach 13 Jahren auch das Abitur ablegen können (Gymnasien: zwölf Jahre). Die Gründe liegen auf der Hand: Kinder, die auf die Realschule gegangen wären, drängen stattdessen aufs Gymnasium.

Die Hauptschule ist zur Restschule des deutschen Schulsystems verkommen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um einen grundsätzlichen Systemfehler, was der relative Erfolg beispielsweise bayerischer Hauptschulen beweist. Die Schulen sind nur so gut wie die Schüler, die sie besuchen, und wie die Familien, aus denen sie stammen. Da es bei immer mehr Familien in Berlins sozialen Brennpunkten an absoluten Grundlagen mangelt, sind die Schulen überfordert. Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky (beide SPD) haben diese Berliner Gemengelage in den letzten Jahren immer wieder anschaulich beschrieben: Wer morgens „ungefrühstückt zur Schule kommt“, wer von den Eltern eine Hartz-IV-Karriere vorgelebt bekommt oder bei der Einschulung die deutsche Sprache kaum beherrscht, der fällt oft bereits in den ersten Jahren hoffnungslos zurück.

An den Hauptschulen, die solche Schüler zum Abschluss bringen sollen, verzweifeln auch motivierteste Lehrer. Resignation herrscht im Lehrerzimmer und Gewalt auf dem Pausenhof, wo nicht selten arabische und türkische Banden um die Vorherrschaft kämpfen.

Die Frontlinien verlaufen indes nicht nur zwischen Gymnasien und neuen Sekundarschulen, aus denen die begabteren Realschüler flüchten wollen. Auch bei den Hauptschulen gibt es Unterschiede. In Kreuzberg will der Senat zwei Hauptschulen fusionieren, die unterschiedlicher kaum sein könnten: die Carl-Friedrich-Zelter-Schule und die Eberhard-Klein-Schule. Beide sind schon in den Schlagzeilen gewesen: Die Carl-Friedrich-Zelter-Schule, weil sie 2007 von Bundespräsident Horst Köhler ausgezeichnet wurde. Und die Eberhard-Klein-Schule, weil sie die erste Schule in ganz Deutschland war, an der kein einziges autochton deutsches Kind mehr unterrichtet wird. An ihr geht es „hoch her“: Als ein Vater sein Kind eine Woche vor Ablauf der Frist für das neue Schuljahr auf der dann gemeinsamen Sekundarschule anmelden wollte, da wurde er von alteingesessenen Schülern der Eberhard-Klein-Schule und ihrem Kampfhund bedroht.

Auch die beiden Schulleitungen sind sich nicht grün, wie die Fusion bewerkstelligt werden soll. Gespräche scheiterten. Der Elternvertreter der Carl-Friedrich-Zelter-Schule, Eckehard Schwarz, hat jetzt den Bildungssenator in einem offenen Brief gebeten, die Fusion beider Schulen zu überdenken und die Eltern gleichzeitig aufgefordert, sich nach einer anderen Schule umzusehen.

Warum beweist der Senat so wenig Fingerspitzengefühl? Oder ist das etwa gewollt? Die gesamte Schulreform dient dem Zweck, schwache und gute Schüler möglichst lange zusammenzubringen, weil gemeinsames Lernen vorteilhaft sei. Kritiker nennen das „Sozialpolitik auf dem Rücken begabter Schüler“. Dafür will eine wachsende Zahl von Eltern ihre Kinder nicht hergeben, wie der Ansturm auf die Privatschulen und Gymnasien ebenso zeigt wie der Streit um die Kreuzberger Schulfusion. Markus Schleusener


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